Sachverständige

Empfehlung für den Aufbau eines schriftlichen Sachverständigen-Gutachtens

Eine der grundlegenden sachverständigen Leistungen ist die Gutachtenerstellung durch die Sachver­ständigen. Gerichte, Behörden, Unternehmen und der/die sogenannte „Endverbraucher/in“ kommen in un­serem technisierten und arbeitsteiligen Geschäftsalltag ohne Sachverständigengutachten meist nicht mehr aus.
Sei es bei Verkehrsunfällen, Bauschäden, Mietstreitigkeiten, fehlerhafter handwerklicher Leistungen, bei Vermögensauseinandersetzungen, Ehescheidungen oder einfach, wenn eine gekaufte Sache Mängel aufweist, oft hilft nur ein Sachverständigengutachten weiter. Wie ein Gutachten im Ein­zelnen auszusehen hat, ist nicht festgeschrieben. Zwar gibt es in den Sachverständigenordnungen der Bestellungskörperschaften in bestimmten Gebieten Aussagen zu den Anforderungen an Gutach­ten.
Auch die Rechtsprechung und die Fachliteratur haben Anforderungen an Inhalt und Aufbau von Gutachten entwickelt, die von den Sachverständigen beachtet werden sollten - nicht zuletzt wegen der Gefahr der Haftung oder des Verlustes der Vergütung.
Auf Initiative der Industrie- und Handelskammer München hat das Institut für Sachverständigenwesen daher hilfreiche Praxishinweise für den Aufbau eines schriftlichen Sachverständigengutachtens erarbeitet, die vom Arbeitskreis Sachverständigenwesen der DIHK befürwortet worden sind. Diese Empfehlung ist kein abschließendes, verpflichtendes oder allgemeingültiges Schema, das den Anspruch auf Vollständigkeit oder Ausschließlichkeit erhebt. Dies ist vor dem Hintergrund der Vielsei­tigkeit und individuellen Ausgestaltung der zu begutachtenden Sachverhalte und der persönlichen Verantwortlichkeit der Sachverständigen für ihre Gutachten gar nicht möglich.
Vielmehr soll ein Leit­faden als Orientierungshilfe für Sachverständige angeboten werden. Er richtet sich in erster Linie an öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige, kann und sollte aber auch von anderen Sachver­ständigen bei ihrer Gutachtenerstattung verwendet werden.

I. Allgemeine Grundlagen für den Aufbau eines Gutachtens

Aus den Sachverständigenordnungen der Industrie- und Handelskammern (SVO) lassen sich Anforderungen für Gutachten ab­leiten. Diese Anforderungen sind wie folgt formuliert:
„Die Sachverständigen haben ihre Aufträge unter Berücksichtigung des aktuellen Standes von Wissenschaft, Technik und Erfahrung mit der Sorgfalt ordentlicher Sachverständiger zu erledigen. Die tatsächlichen Grundlagen seiner fachlichen Beurteilungen sind sorgfältig zu ermitteln und die Ergebnisse nachvollziehbar zu begründen. Sie lassen in der Regel die von den Industrie- und Handelskammern herausgegebenen Mindestanforderungen an Gutachten und sonstigen von den Industrie- und Handelskammern herausgegebenen Richtlinien zu beachten“ (§ 9 Abs. 3 SVO).
Nr. 9.3.7 der Richtlinien zur Sachverständigenordnung führt dazu ergänzend aus:
„Gutachten sind systematisch aufzubauen, übersichtlich zu gliedern, nachvollziehbar zu begründen und auf das Wesentliche zu beschränken. Durch Bezeichnungen wie „Kurzgutachten“ können sich die Sachverständigen nicht der Verpflichtung zur gewissenhaften Leistungserbringung entziehen.
Es sind alle im Auftrag gestellten Fragen zu beantworten, wobei sich die Sachverständigen genau an das Beweisthema bzw. an den Inhalt ihres Auftrags zu halten haben. Die tatsächlichen Grundlagen für eine Sachverständigenaussage sind sorgfäl­tig zu ermitteln und die erforderlichen Besichtigungen sind persönlich durchzuführen.
Kommen für die Beantwortung der gestellten Fragen mehrere Lösungen ernsthaft in Betracht, so haben die Sachverstän­digen diese darzulegen und den Grad der Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit einzelner Lösungen ge­geneinander abzuwägen. Die Schlussfolgerungen im Gutachten müssen so klar und verständlich dar­gelegt sein, dass sie für eine fachfremde Person lückenlos nachvollziehbar und plausibel sind.
Ist eine Schlussfolgerung nicht zwingend, sondern nur naheliegend, und ist das Gefolgerte deshalb nicht erkenntnissicher, sondern nur mehr oder weniger wahrscheinlich, so müssen die Sachverständigen dies im Gutachten deutlich zum Ausdruck bringen.“
Aus diesen Vorgaben ergibt sich ein grundsätzlicher, logischer Aufbau für Gutachten, der deshalb als Maßstab berücksichtigt werden sollte. Darüber hinaus sind für einige Sachgebiete spezifische Anfor­derungen an Gutachten formuliert worden, die in den Bestellungsvoraussetzungen dieser Sachgebiete enthalten sind wie z.B. für die Bewertung von bebauten und unbebauten Grundstücken oder Kfz-Schäden und -bewertung (die Bestellungsvoraussetzungen finden Sie auf der Website des Instituts für Sachverständigenwesen (IfS)).

Gutachten werden in der Regel in vier Teile gegliedert:

  • Deckblatt, Allgemeine Angaben und Aufgabenstellung
  • Dokumentation der Daten und des Sachverhalts
  • Nachvollziehbare sachverständige Beantwortung der Fragestellung
  • Zusammenfassung, Unterschrift und Rundstempel
In der Regel ist es sinnvoll, sich an diesen Aufbau zu halten und darauf zu achten, die Dokumentation der Daten und des Sachverhalts (das, was als Basis der Begutachtung dient, sogenannte Befund­tatsachen) von der sachverständigen Beurteilung (Schlussfolgerungen) zu trennen.
Besonderheiten des Auftrags können im Sinne der leichteren Aufnehmbarkeit und Verständlichkeit für die lesende Person des Gutachtens Abweichungen von diesem Aufbau nahelegen oder erfordern. So kann es sich beispiels­weise bei umfangreichen Beweisfragen in Bausachen anbieten, für jede Teilfrage die Abfolge zuerst Beweisfrage, dann Dokumentation und danach Beantwortung der Beweisfrage einzuhalten.

II. Deckblatt, Allgemeine Angaben und Aufgabenstellung

Auf dem Deckblatt:

  • Vor- und Zuname der Sachverständigen, Berufsbezeichnung, evtl. Firmenbezeichnung, Hin­weis auf öffentliche Bestellung mit Angabe von Bestellungskörperschaft und Bestellungstenor, An­schrift mit vollständiger Adresse sowie Telefon- und Faxnummer, E-Mail
  • Auftraggebende Person mit voller Anschrift, Datum der Auftragserteilung, Datum der Erstellung des Gutachtens
  • bei Gerichtsaufträgen: Angabe des Aktenzeichens, der Parteien (und anderer Beteiligter), evtl. Angabe der Parteivertretenden (dies wird in der Regel keinen Platz mehr auf dem Deckblatt haben)
  • Angabe der Gutachtennummer, Anzahl der Textseiten, Anlagen und Fotografien, Anzahl der Ausfer­tigungen

Auf der/n nächsten Seite/n:

  • Inhaltsverzeichnis bei umfangreichen Gutachten
  • Inhalt des Auftrags und Zweck des Gutachtens
  • Bei Gerichtsaufträgen: Wiedergabe der Beweisfrage(n); etwaige Unklarheiten sind vor der Erstellung mit dem Auftraggebenden/Richter/in zu klären, Ergänzungen und Anweisungen sind zu vermerken
  • Verwendete Arbeitsunterlagen wie z.B. Akten, Pläne, extern vergebene Untersuchungen oder fremde Fotografien sind anzugeben und soweit erforderlich beizufügen
  • Verwendete Literatur unter genauer Titelangabe; es ist darauf zu achten, nur die tatsächlich im Gut­achten verwendete Literatur anzugeben; bei Normen, Regelwerken etc. müssen Nummer, Titel und das Datum der verwendeten Ausgabe genannt werden
  • Angaben zur Ortsbesichtigung: Datum und Dauer des Ortstermins, von wem durchgeführt, alle an­wesenden Personen (wenn nicht eindeutig, mit Erklärung der Funktion, z.B. Hausverwaltung, Mieterparteien der Wohnung); Hinweise zur Art der Bekanntgabe des Termins und des Datums bei Nichterscheinen einer Partei
  • Angaben zu beteiligten Mitarbeitenden und deren Tätigkeitsumfang bei der Gutachtenerstattung; Anga­ben zu weiteren Sachverständigen, die mit Zustimmung des Gerichts bzw. des privaten Auftraggebenden zugezogen wurden

1. Deckblatt und Seitenzahlen

Auf dem Deckblatt muss angegeben sein, welche/r Sachverständige/r das Gutachten erstattet hat, z.B. bei Bürogemeinschaften. Sachverständige, die neben ihrer öffentlichen Bestellung auf einem weiteren Sachgebiet tätig sind, müssen diese Unterscheidung klar deutlich machen. Das Gutachten muss Seitenzahlen tragen. Sie sollten als solche leicht zu erkennen sein, etwa durch den Zusatz „Seite“ oder „Blatt“. 
Es kann geboten sein, in der Kopf- oder Fußzeile eine Bezeichnung des Gutachtens einzufügen, die es erschwert, einzelne Seiten des Gutachtens auszutauschen, z.B.: Namen der Sachverständigen, evtl. Logo, Gutachten-Nummer, Kurzbezeichnung des Gutachtens.

2. Beweisbeschluss, Inhalt und Umfang des privaten Auftrags

Die Prozessordnungen enthalten keine Regelung, ob im Gutachten die Beweisfrage zitiert werden muss. Die Fachliteratur und die IHK empfehlen jedoch, die Beweisfragen zu zitieren, da sonst die Verständlichkeit und Nachvollziehbarkeit des Gutachtens verloren geht, weil Zusammenhang zwi­schen Frage und Antwort fehlt. Sehr lange Beweisbeschlüsse können auch als Kopie in den Anhang des Gutachtens aufgenommen werden.
Sollte das Gericht eine Weisung geben, den Beweisbeschluss nicht zu zitieren, sollte diese Anordnung im Gutachten genannt werden. In diesem Fall sollte auf den Beweisbeschluss unter Angabe der Blattzahlen der Gerichtsakte hingewiesen werden. Mit der regel- und formularmäßigen Bitte des Gerichts um Verzicht auf eine Wiederholung des Akteninhalts im Gut­achten ist nicht der Verzicht auf das Zitieren des Beweisbeschlusses gemeint.
Beim Privatgutachten sollte der Auftragsinhalt und der Auftragsumfang unbedingt angegeben werden. Dies ist nicht nur für die Nachvollziehbarkeit des Gutachtens, sondern auch und insbesondere für die Haftung gegenüber dritten  Personen von Bedeutung.

3. Mitarbeit von Hilfskräften

Inhalt und Umfang der Mitarbeit von Hilfskräften sind im Gutachten kenntlich zu machen, soweit es sich nicht nur um Hilfsdienste untergeordneter Bedeutung handelt (§ 407 a Abs. 2 ZPO).
Weitere Hinweise zur Mitarbeit von Hilfskräften sowie zur Zusammenarbeit mit Sachverständigen und dritten Personen finden sich in der Sachverständigenordnung unter § 10 bzw. § 12.

III. Dokumentation der Daten und des Sachverhalts

  • Kurze nachvollziehbare Bezeichnung des zu begutachtenden Objekts und Beschreibung seines Zu­stands. Je nach Art und Verwendungszweck des Gutachtens ist die Identität des begutachteten Ge­genstandes zu sichern.
  • Eventuelle Angaben zur Vorgeschichte und Anknüpfungstatsachen, soweit zum Verständnis und Nachvollziehbarkeit relevant.
  • Genaue, erschöpfende Beschreibung des Schadensbildes, der zu begutachtenden Leistungen oder der Gegebenheiten (z.B. bei einem Bewertungsgutachten). Bei mehreren Beweisfragen sollte die Beschreibung den einzelnen Beweisfragen zugeordnet werden können.
Letztlich bestimmt die Fragestellung die Ausführlichkeit der Beschreibung. Sie ist so zu wählen, dass die lesende Person das Objekt erkennen und die Beantwortung der gestellten Frage (Beurteilung/Bewertung) plausibel nachvollziehen kann. Diese Feststellungen als Grundlage der sachverständigen Beurtei­lungen sind wesentlicher Bestandteil des Gutachtens, die Darstellung in einem in der Anlage ange­fügten „Ortsbegehungsprotokoll“ genügt nicht.
Beschreibungen, die auf eigenen Feststellungen beruhen, sind eindeutig von solchen abzugrenzen, die auf Angaben anderer Personen beruhen. Solche Personen sind grundsätzlich im Gutachten zu nennen.
Fundstellen und Quellen von Anknüpfungstatsachen etc. sind anzugeben, z.B. Blattziffer der Gerichtsakten mit Angabe des Schriftsatzverfassenden mit Seite, Ziffer etc. (dies ist neben der Blattziffer aus der Akte erforderlich, da die Parteien über die Aktennummerierung nicht informiert sind), Angabe des Fotografierenden, wenn Fotografien nicht selber gemacht sind, Labor-Ergebnisse etc.

1. Skizzen und Fotografien

Skizzen und Fotografien sind zur Veranschaulichung und Verständlichkeit sinnvoll. Sie sollten mit Bildunterschriften versehen werden, die eine Zuordnung zum Gutachtentext ermöglichen, genauso wie im Gutachtentext auf zugehörige Skizzen und Fotografien verwiesen werden sollte.
Wenn Foto­grafien von dritten Personen verwendet werden, muss dies offengelegt werden (Möglichkeit der Manipulation).
Es können analoge wie digitale Fotografien verwendet werden. Skizzen und Fotografien in einem Gutachten unterstützen die Nachvollziehbarkeit, ersetzen aber nicht die Feststellungen und die ver­bale Beschreibung durch die Sachverständigen.

2. Einheiten, Dimensionen

In technischen Gutachten werden häufig Zahlenwerte mitgeteilt. Diese können nur dann zweifelsfrei interpretiert werden, wenn der Zahlenangabe eine Dimensionsangabe folgt. Bei physikalischen Grö­ßen wird das international verabredete MKSA-System (Grundeinheiten: Meter, Kilogramm, Sekunde, Ampere) verwendet. Zusätzliche Angaben in umgangssprachlicher Bezeichnung können die Ver­ständlichkeit für fachfremde Personen herstellen bzw. verbessern.
Bei der Angabe von Preisen/ Werten sind diese zu definieren und anzugeben, ob sie die Umsatz­steuer enthalten.

3. Versuche, Messungen

Sind Versuche für die Begutachtung erforderlich, sollten diese in einem eigenen Kapitel beschrieben werden. Dieses beinhaltet die Beschreibung des Versuchsaufbaus, die Diskussion der Aussagekraft des Versuchs und die Angabe, warum mit dem Aufbau und dem durchgeführten Versuch zuverläs­sige, ausreichend genaue Aussagen möglich sind bzw. wo Erkenntnisgrenzen sind.
Es kann sinnvoll sein, den Parteien die Möglichkeit einzuräumen, beim Versuch anwesend zu sein, auch wenn der Versuch im Labor der Sachverständigen durchgeführt wird. Eine entsprechende Angabe im Gutachten ist dann erforderlich.
Werden Messgeräte verwendet, so müssen Typ und das herstellende Unternehmen benannt werden, evtl. ist eine Angabe über die letzte Kalibrierung des Geräts erforderlich. Die möglichen Messgenauigkeiten bzw. -ungenauigkeiten sind anzugeben, evtl. ist zu begründen, warum sie ausreichend sind. Wird „nur“ an ausgewählten Orten oder Geräten gemessen, ist zu begründen, warum die Mes­sungen selektiv erfolgen und ausreichend sind.
Messwerte sollen mit einer durch die Genauigkeit der Messkette gedeckten Anzahl von Nachkommastellen angegeben werden. Sind Zahlenwerte nicht entsprechend genau, ist es besser statt „2,0 m“ nur „2 m“ zu schreiben, da „Komma Null“ gerade der fachfremden Person eine Genauigkeit vortäuscht, die möglicherweise gar nicht vorhanden und häufig auch nicht notwendig ist.

IV. Nachvollziehbare sachverständige Beantwortung der Fragestellung

  • Auswertung aller relevanten Daten mit Schlussfolgerungen, Bewertungen, Berechnungen und Beur­teilungen. Dazu gehört die Darstellung der Beurteilungsgrundlagen, z.B. vertragliche Festlegungen, Gesetze, Normen, Regelwerke, Erfahrungssätze des Fachgebiets, eigene Erfahrungen der Sachverständigen.
  • Je nach Fragestellung folgt eine Gegenüberstellung von „Ist“ und „Soll“ mit Herausstellung der Diffe­renz, technischer Bewertung der Differenz, Angaben zu Verantwortlichkeiten, Möglichkeiten der Be­seitigung technischer Defizite und (genaue oder überschlägige) Angabe der Kosten hierfür. Zwischen Feststellung/Beschreibung einerseits und Beurteilung/Bewertung andererseits muss klar getrennt werden. Bei Bewertungsgutachten müssen etwaige Zu- und Abschläge etc. nachvollziehbar begründet werden.
Für Umfang und Intensität der Bearbeitung ist der Auftrag maßgebend. Über die Beweisfragen hinausgehende Erkenntnisse gehören nicht in ein Gutachten in einem Zivilprozess!
Wenn die Frage­stellung aus vielen einzelnen Punkten besteht, kann es wegen der Lesbarkeit zweckmäßig sein, die Tatsachengrundlage und die Beurteilung jeweils unmittelbar nacheinander Punkt für Punkt zu behandeln. Wichtig ist, dass alle gestellten Fragen beantwortet werden. Das Gutachten muss für fachfremde Personen nachvollziehbar und für Fachleute nachprüfbar sein.
Die Quellen der Erfahrungssätze sind offenzulegen. Die Wertigkeit der fachlichen Aussagen (Ge­wissheit, Möglichkeit, Grad der Wahrscheinlichkeit, Unmöglichkeit) ist mit verständlicher, genauer, nachvollziehbarer Begründung darzustellen. Schlagwortartige Pauschalbeurteilungen ohne Begrün­dung reichen keinesfalls aus. Eventuelle Fehlerquellen und Unsicherheiten sind im Gutachten darzu­stellen und zu würdigen. Gegebenenfalls ist auch deutlich auf die Grenze wissenschaftlicher Erkenntnismöglichkeiten und der eigenen Sachkunde hinzuweisen.
Fotografien, Grafiken, Schaubilder oder Skizzen sind zur Veranschaulichung nützlich, ersetzen aber nicht die verbale Darstellung. Fotografien, Berechnungen und Tabellen sind entweder in den Text oder unter Hinweis auf die Fundstelle im Anhang vollständig einzufügen.

1. Rechtliche Würdigungen

Sachverständige stellen Tatsachen fest und bewerten sie aus fachlicher Sicht. Rechtliche Würdigun­gen sind dem Gericht oder dem privaten Auftraggebenden vorbehalten. Es ist nicht Aufgabe der Sachver­ständigen, zu „Schuld“ oder „Unschuld“ eine beteiligten Person Stellung zu nehmen, oder darzulegen wer „Recht hat“, wer „einbehalten darf“ oder „bezahlen muss“ und wer „haftet“ oder „Gewähr zu leisten“ hat.

2. Tenorüberschreitung bei öffentlich bestellten Sachverständigen

Wenn sich nach Auftragsübernahme herausstellt, dass der Gutachtenauftrag (in Teilen) nicht von der öffentlichen Bestellung (Tenor) abgedeckt wird, muss dies den Auftraggebenden unverzüglich mitgeteilt werden. Bei Gerichtsgutachten muss das Gericht darauf hingewiesen werden, dass Teile des Beweisbeschlusses nicht von der öffentlichen Bestellung abgedeckt sind.
Beinhaltet das Gutachten ausschließlich Thematiken außerhalb des Sachgebietes, für das die Sach­verständigen bestellt sind, darf das Gutachten nicht mit dem Rundstempel versehen werden.
Wenn nur ein Teil der Beweisfragen vom Bestellungstenor abgedeckt ist, ein Teil der Fragen jedoch außerhalb der öffentlichen Bestellung beantwortet wird, ist eine klare Trennung erforderlich zwischen den Fragen, die in das jeweilige Bestellungsgebiet der öffentlich bestellten Sachverständigen fallen und denen, die außerhalb liegen. Fragen außerhalb des Bestellungsgebietes dürfen nur beantwortet werden, wenn die Sachverständigen auch hierfür das erforderliche Fachwissen haben.

V. Abgrenzung zu anderen sachverständigen Leistungen

Beinhaltet der Auftrag ausdrücklich nicht die Erstellung eines Gutachtens im formalen Sinne, besteht auch die Möglichkeit eine andere Dienstleistung zu erbringen, die dem Inhalt und dem Zweck der be­auftragten sachverständigen Leistung entspricht (z.B. Schadensbericht, Schadenskalkulation, Kurzbericht, fachliche Stellungnahme o.ä.). Auch diese sachverständigen Leistungen sind, soweit sie in dem Bestellungsgebiet erbracht werden, von dem Bestellungstenor gedeckt und in den Sachverständigenordnungen ausdrücklich erwähnt.
Die formellen und inhaltlichen Anforderungen an diese sachverständige Leistung ergeben sich aus dem konkreten Inhalt und dem vereinbarten Zweck des Auftrages, die bei einem schriftlichen Ergebnis auch immer enthalten sein sollten.
Nicht möglich ist es, ein vom Auftraggebenden gefordertes Gutachten lediglich mit einer anderen Bezeichnung zu verse­hen, um die Anforderungen an ein Gutachten der öffentlich bestellten und vereidigten Sachverstän­digen zu umgehen.

VI. Zusammenfassung, Unterschrift und Rundstempel

Die Zusammenfassung soll der verwendenden Person/dem Lesenden einen Überblick über die wesentlichen Ergebnisse des Gutachtens und knappe Antworten auf die gestellten Fragen geben. Bei Gerichtsgutachten wer­den die Fragen des Beweisbeschlusses mit eindeutigen Formulierungen ohne eingehende Begrün­dung beantwortet.
Die Sachverständigen müssen das Gutachten eigenhändig unterschreiben. Sind die Sachverständige öf­fentlich bestellt, müssen sie den Rundstempel neben die Unterschrift setzen (siehe § 13 Abs. 1 SVO), sofern und nur wenn sie das Gutachten auf ihrem Bestellungsgebiet erstattet haben (vgl. Tenorüberschreitung).
Weitere zusätzliche Stempel sind nur zulässig, wenn es standesrechtlich vorgesehen ist!
Nicht gestempelt werden dürfen Briefe, die nicht unmittelbar mit der Sachverständigentätigkeit zusammenhängen (z.B. Bestellung von Büromaterial). Gutachten außerhalb des Sachgebietes dürfen nicht mit dem Rundstempel versehen werden.
Im Fall der elektronischen Übermittlung ist die qualifizierte elektronische Signatur oder ein funktionsäquivalentes Verfahren zu verwenden.
Es empfiehlt sich, unter der Unterschrift den Namen des/der Sachverständigen und evtl. die Bürobezeichnung in Maschinenschrift zu setzen.
Auf den als öffentlich bestellte/r Sachverständige/r geleisteten Eid sollte nicht Bezug genommen wer­den, es sei denn, das wurde ausdrücklich (nicht per gerichtlichem Formularschreiben) verlangt oder vertraglich vereinbart.
Eine Versicherung, wie etwa das Gutachten wurde „unparteiisch und nach bestem Wissen und Gewissen“ erstattet, ist entbehrlich, wenn die Sachverständigen öffentlich bestellt und vereidigt sind, weil die öffentlich bestellten Sachverständigen durch ihren bei der Bestellung geleis­teten Eid hierzu ohnehin verpflichtet sind.

VII. Literatur

Nachschlagewerke

  • Bayerlein, Praxishandbuch Sachverständigenrecht
    Herausgeber: Katharina Bleutge und Wolfgang Roeßner
    C.H. Beck Verlag München, 5. Auflage 2015
  • Ulrich, Der gerichtliche Sachverständige
    Carl Heymanns Verlag Köln, 13. Auflage 2019
  • Neimke/Sachmerda, Der Sachverständige und seine Auftraggeber
    Fraunhofer IRB Verlag, 2. Auflage 2014

Broschüren

Broschüren der DIHK

  • Bleutge, Der gerichtliche Gutachtenauftrag, Tipps und Empfehlungen zur richtigen Abwicklung eines gerichtlichen Gutachtenauftrags im Zivilprozess
    9. Auflage 2016
  • Bleutge, Gebühren für Gutachter, Das novellierte JVEG vom 23.07.2013 - Tipps für die Honorarabrechnung der Gerichtssachverständigen
    6. Auflage 2013
  • Rickert, Sachverständige, Inhalt und Pflichten ihrer öffentlichen Bestellung
    7. Auflage 2012
  • Broschüren des Instituts für Sachverständigenwesen e.V. (www.ifsforum.de): Bleutge, Die Ortsbesichtigung durch Sachverständige
    8. Auflage 2016
  • Bleutge, Sachverständige als Schiedsgutachter
    5. Auflage 2014
  • Bayerlein, „Todsünden” des Sachverständigen
    6. Auflage 2017
  • Bleutge/Bleutge/Geiling/Reppelmund, Mit Sachverstand werben
    3. Auflage 2013
  • Bleutge, Abgelehnt wegen Befangenheit
    5. Auflage 2019
  • Bleutge/Bleutge, Guter Vertrag - weniger Haftung
    3. Auflage 2017
Dieses Merkblatt soll - als Service Ihrer IHK Köln - nur erste Hinweise geben und erhebt kei­nen Anspruch auf Vollständigkeit.
Stand: November 2023