IHKplus Februar 2023

Auf der Suche nach den Auszubildenden

Unternehmen sind bei der Azubi-Suche auf allen Kanälen unterwegs und finden neue Wege, um junge Menschen für eine Ausbildung zu gewinnen.
Karriere ohne heiße Luft, stattdessen Projekte mit Gestaltungsspielraum, ein entspanntes Miteinander – die Full-Service-Marketingagentur a+s Dialoggroup in Leverkusen gibt ihren Azubis möglichst viel Freiraum, um eigene Ideen einzubringen.
Bei a+s lernt Kay Steinhoff (18) als angehender Fachinformatiker für Anwendungsentwicklung, Websites, Landingpages und Apps so zu programmieren, dass die Zahl der Werbekontakte von Marketingkampagnen durch die Decke schießt.  Sein Azubi-Kollege Tobias Grezeschik (20) übt sich als angehender Kaufmann für IT-Systemmanagement darin, Daten und Adressen so zu verarbeiten, dass Botschaften DSGVO-konform genau da landen, wo sie landen sollen.

Benefits und Herausforderungen

„In Agenturen braucht man Stressresistenz und muss fachlich, wie im Umgang mit den Kunden, genau wissen, was man tut“, sagt Nadine Steffens, Chief Technology Officer und Ausbilderin bei der a+s Dialoggroup. „Junge Menschen lernen dieses Handwerk am besten, wenn man ihnen Zeit gibt, sich zu entwickeln und alle – unabhängig vom Alter und der Hierarchiestufe – Ideen ein bringen können.“ Bei der Suche nach Auszubildenden setzt die a+s Dialoggroup auf einen breiten Mix – eine schicke Website mit Fotos von ganz normalen Menschen, Jobofferten auf den gängigen Online-Stellen-Portalen und eine Liste von Benefits: Flexible Arbeitszeiten, mobiles Arbeiten, persönliches Mentoring, Weiterbildung, After-Work-Partys, ÖPNV-Ticket, Bike-Leasing und betriebliche Altersvorsorge.
„Ausbildungsplatz sucht Azubi“, beschreibt Dr. Achim Dercks, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des DIHK, den aktuellen Ausbildungsmarkt, auf dem im September fast 70.000 Ausbildungsplätze unbesetzt blieben – aufgrund der demografischen Entwicklung und des Lockdowns, in dem Berufsorientierung und Berufsberatung nur eingeschränkt stattfand und Ausbildungsmessen und Praktika ausfielen.
Für viele Betriebe geht es jetzt darum, die Generation Z, die Jahrgänge 1995 bis 2012, für das Berufsleben abzuholen. Denn zwei Drittel der Schulabgängerinnen und -abgänger beklagen mangelnde Informationen über die Berufswelt, mehr als die Hälfte sieht sich bei der Berufswahl überfordert, so eine aktuelle Studie der Bertelsmann Stiftung. Darum waren 2022 im Bezirk der IHK Köln rund 170 Ausbildungsbotschafterinnen und -botschafter in Schulen, Berufskollegs und auf Recruiting-Events unterwegs, um mit Vorträgen junge Menschen für Ausbildungsberufe und Unternehmen zu begeistern.

Travel before work

Der Einsatz hat sich gelohnt. Nach zwei Corona-Jahren verzeichnete der Ausbildungsmarkt im Kammerbezirk der IHK Köln einen leichten Aufschwung. Im gesamten Bezirk wurden 7.563 neue Ausbildungsverträge unterschrieben. Gabriele Ley, verantwortlich für die kaufmännische Ausbildung bei BPW Bergische Achsen KG aus Wiehl, sagt: „Die persönliche Nähe, Schülerinnen und Schüler im direkten Gespräch über die Ausbildung zu informieren, ist heute wichtiger denn je.“ Der Zulieferer und Spezialist für technische Lösungen rund um Logistik und Nutzfahrzeuge beschäftigt 1.500 Mitarbeitende und bildet aktuell 94 Auszubildende aus. „Um unser hohes Ausbildungsniveau zu halten und attraktiv für junge Menschen zu bleiben, entwickeln wir unser Angebot laufend weiter“, sagt Ley.
Neu bei BPW: Interessante Kandidaten und Kandidatinnen, die sich unterjährig bei BPW für eine Ausbildung in Kombination mit „Travel before work“ bewerben, erhalten einen Ausbildungsvertrag für den nächsten möglichen Ausbildungsbeginn. Noch vor Ausbildungsantritt bekommen sie dann von BPW „Sachzuwendungen“ für einen Auslandsaufenthalt. BPW übernimmt die Kosten, etwa für Flüge oder Hotelrechnungen.

Ausbildungsscouts und Matching

Die IHK Köln hilft mit der passgenauen Besetzung und einem Netzwerk, das Lehrstellensuchende und Ausbildungsbetriebe zusammenbringt. Sie checkt das Stellenangebot, berät dazu und macht auf alternative Ausschreibungsmöglichkeiten aufmerksam. Meldet sich – zum Beispiel auf den Bewerbertagen – ein passender Kandidat, bringt die IHK Unternehmen und Auszubildenden zusammen.
Sechs IHK-Köln-Ausbildungsscouts unterstützen Unternehmen dabei, junge Menschen dort abzuholen, wo sie sich oft aufhalten: in sozialen Medien. Die Scouts machen Unternehmen mit Beratungen, Workshops oder Online-Seminaren fit, damit sie ihre Ausbildungsstrukturen an die Digitalisierung anpassen, aber auch Projekte für die sozialen Medien inklusive der eigenen Website umsetzen können. 
Ein weiteres Unterstützungsangebot bei der IHK: Nachwuchskräfte mit Migrationshintergrund gewinnen. Kiymet Akpinar informiert Unternehmen, Migrantinnen und Migranten und deren Eltern über Ausbildungsmöglichkeiten, Berufe, Beratungsstellen und führt sie zusammen. Reichen die Schulkenntnisse für die Ausbildung nicht aus, kommt Lebenshilfe zum Einsatz, etwa durch die „Assistierte Ausbildung flexibel“.

Leistungsstarke Auszubildende erkennen

Oft sind nur technische Anpassungen nötig, um Azubis für das Unternehmen zu finden. „Bei mir waren es ein höhenverstellbarer Schreibtisch und ein spezieller Stuhl“, sagt Jutta Bendix. Die Steuerberaterin aus Wermelskirchen bildet seit 2021 Anna Maria Teuschel zur Kauffrau für Büromanagement aus. Die 1,50 Meter große 17-Jährige ist ein Organisationstalent. Für sie wurde das Büro entsprechend angepasst. Im Vorfeld informierte sich Jutta Bendix, welche Möglichkeiten und Fördermittel es für Azubis mit Handicap gibt, bei der Inklusionsberatung der IHK Köln.

Kontakt

Industrie- und Handelskammer zu Köln
Unter Sachsenhausen 10 - 26
50667 Köln

Tel: 0221 1640-0
E-Mail: service@koeln.ihk.de