IHKplus 11/2022
Ein Zeichen der Wertschätzung
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aktiv in die Unternehmenskommunikation einzubeziehen, bringt viele Vorteile. Wie das gelingen kann, beantwortet Dr. Kerstin Hoffmann, eine der bekanntesten Expertinnen für Corporate-Influencer-Strategien.
Wie sieht es mit Corporate Influencern in kleinen Unternehmen aus? Kann es neben dem Personal Brand des Chefs oder der Chefin noch Markenbotschafter geben?
Es kann umgekehrt sogar nicht keine Mitarbeiter-Markenbotschafter geben, sobald es Mitarbeitende gibt. Alle Unternehmensangehörigen tragen, sobald sie als solche zu erkennen sind, zum Bild der Marke bei. Das gilt auch für KMU. Denken Sie nur an die Fahrerin eines Lieferwagens mit Firmenaufdruck, die sich im Straßenverkehr vielleicht rücksichtslos verhält. Oder andererseits den Fachverkäufer, zu dem die Kundinnen und Kunden immer wieder gerne kommen, weil er gut darin ist, Beziehungen aufzubauen.
Mit den Social Media hat die Sache natürlich noch einmal ganz andere Dimensionen angenommen. Aber auch hier gilt: Fast alle Menschen kommunizieren mittlerweile sowieso digital, ob nun in den großen sozialen Netzwerken oder in persönlichen Netzwerken per Messenger. Je bewusster ihnen ihre Rolle als Markenbotschafterin oder Markenbotschafter ist, desto aktiver können sie sie auch gestalten. Arbeitgeber, die dies anerkennen und sie darin unterstützen, setzen damit nicht nur ein Zeichen der Wertschätzung. Sie schaffen auch Sicherheit, nicht zuletzt in rechtlicher Hinsicht. Denn wer sich beruflich äußert, kann auch Fehler machen, beispielsweise mit unbeabsichtigter Schleichwerbung für das Unternehmen.
Selbstverständlich wird man in einem Handwerksbetrieb mit fünf Personen kein großes Corporate-Influencer-Programm auf die Beine stellen, wie es etwa in einem Konzern erarbeitet wird. Auch muss nicht gleich jede Mitarbeitende zum Instagram-Star werden. Aber über ein gemeinsames Bewusstsein, eine Ausrichtung im Team sowie einige hilfreiche Leitlinien sollte heute jedes Unternehmen verfügen. Nicht nur in kleinen Firmen ist es dabei hilfreich, wenn die Chefin oder der Chef hier mit gutem Beispiel vorausgeht.
Schon in den meisten mittelständischen Betrieben lohnt es sich aber, im Rahmen der Gesamtkommunikation das Thema Corporate Influencer aktiv zu betreiben. Denn kein Unternehmen kann es sich heute leisten, es komplett zu ignorieren. Dabei kann man das nicht unbedingt an der absoluten Firmengröße oder Zahl der Mitarbeiter festmachen. Sobald mindestens eine Person hauptberuflich mit der Unternehmenskommunikation befasst ist, sollten konkrete Überlegungen dazu einen Teil der Strategie einnehmen. Der Aufwand kann dann aber immer noch, abhängig von den Ressourcen, sehr stark variieren.
Aus Unternehmenssicht: Kann es auch schädlich sein, wenn mein Unternehmen vor allem mit den persönlichen Profilen von Mitarbeitenden identifiziert wird?
Ja, klar. Immer dann nämlich, wenn die Mitarbeitenden unzufrieden sind und das auch mitteilen. Oder wenn sie sich – siehe oben – eben gar nicht bewusst sind, dass ihre Äußerungen der Marke auch schaden könnten. Aber Verbote nützen hier nichts. Zudem entscheidet ja nicht der Absender allein über die Wahrnehmung. Menschen sprechen mit Menschen und nicht mit gesichtslosen Unternehmen. Das heißt, alle Mitarbeitenden an allen Schnittstellen zu jeglichen Stakeholdern, ob nun Kundinnen, Lieferanten oder Multiplikatorinnen, stehen bei ihren Gegenübern für die Marke.
Nur zufriedene Mitarbeitende sind positive Markenbotschafter. Die besten Social-Media-Leitlinien nützen nichts, wenn das Betriebsklima nicht stimmt. Äußern sich also Mitarbeitende in der Öffentlichkeit oder gegenüber anderen negativ über das Unternehmen, dann gibt es meistens zunächst andere interne Baustellen als eine Markenbotschafter-Strategie.
Was bringt denn eine aktiv betriebene Markenbotschafter-Strategie dem Unternehmen?
Zunächst einmal und vor allem, wie schon gesagt, Sicherheit dort, wo ohnehin schon kommuniziert wird und wo Mitarbeitende, ob gewollt oder ungewollt, als Vertreter ihres Arbeitgebers wahrgenommen werden.
Darüber hinaus ist es aber heute immer schwieriger, als gesichtsloses Unternehmen Aufmerksamkeit für die eigenen Botschaften und das eigene Angebot zu erzielen. Über sichtbare Köpfe gelingt dies viel besser. Oft wird derzeit eingewandt: „Wir können schon jetzt nicht alle Anfragen bedienen. Wir wollen doch gar nicht noch mehr Kunden anziehen.“ Dabei wird aber vergessen, wie Sichtbarkeit und ein positives Image dabei helfen, Fachkräfte zu gewinnen.
Eine aktiv betriebene Markenbotschafter-Strategie hat also viele Aspekte, die über eine Werbewirkung hinausgehen.
Wie können Unternehmen ihre Mitarbeitenden vor schlechten Erfahrungen schützen? Wenn sich zum Beispiel der Ärger über eine Dienstleistung auf privaten Accounts entlädt?
Da sprechen Sie einen wichtigen Punkt an. Mitarbeitende sind heute vielfach exponierter als früher. Wer einen persönlichen Ansprechpartner im Unternehmen kennt, wählt vielleicht den Weg der direkten persönlichen Ansprache, statt die offiziellen Unternehmenskanäle zu nutzen. Kontrollieren kann man auch dies im Vorfeld kaum. Aber man kann die Mitarbeitenden schulen und ihnen Rückendeckung liefern: Wann sollten sie sich Unterstützung aus der Geschäftsleitung oder der Unternehmenskommunikation sichern? Wen können sie im Fall der Fälle schnell erreichen, um sich Rat zu holen? Wie geht man mit Angriffen und Vorwürfen um, damit die Situation nicht eskaliert?
Auch kleine Unternehmen brauchen ein Konzept für die Krisenkommunikation. Das muss aber auch in diesem Fall gar nicht sehr aufwändig und groß sein. Mit etwas Nachdenken, gesundem Menschenverstand und unternehmerischer Erfahrung ist hier schon viel zu erreichen.
Und zum Schluss: Wie gelingt Ihnen der Spagat zwischen der Marke Kerstin Hoffmann und der privaten Kerstin Hoffmann?
Haha, das ist eine interessante Fragestellung. Ich bin ja ein einziger und vollständiger Mensch und kann demzufolge gar keinen Spagat zwischen mir selbst und mir selbst vollführen.
Je nach Kontext kommuniziere ich aber, wie alle Menschen, unterschiedlich, mit verschiedenen Inhalten und auf unterschiedlichen Leveln der Privatheit. Ich würde nicht in meiner Laufbekleidung einen Vortrag halten und nicht meinen Moderatorenkoffer zur Grillparty meiner Nachbarin mitnehmen. Aber viele meiner Geschäftskontakte haben schon mitbekommen, dass Sport in meinem Leben eine große Rolle spielt, und meine Nachbarin weiß auch ungefähr, was ich beruflich mache.
Mit rein Privatem bin ich im beruflichen Zusammenhang und erst recht im Internet sehr zurückhaltend. Persönlich zeige ich mich aber schon, denn ein Mensch besteht ja aus mehr als nur aus fachlichen Inhalten. Wenn ich überhaupt nichts von mir preisgäbe, dann wäre ich für meine Gesprächspartner wahrscheinlich ziemlich uninteressant, und das gilt auch für Business-Plattformen wie etwa LinkedIn. Meine Kontakte könnten mich nicht einschätzen und wüssten nicht, wie der Mensch Kerstin Hoffmann tickt.
Denn schließlich haben meine Äußerungen oder Diskussionsbeiträge, ebenso wie Ausrichtung und Art meines Arbeitens, auch etwas mit meinen Werten und Ansichten zu tun. Mich zu verstellen, zu inszenieren oder etwas darzustellen, was mir nicht entspricht: Das wäre mir viel zu anstrengend.
Meine Maxime lautet daher: Ich zeige nicht immer alles, was ich bin – aber alles, was ich zeige, bin ich.