IHKplus 10/2021

Schlichten statt richten

Die IHK ist auch dann für ihre Mitgliedsbetriebe zur Stelle, wenn es Streit gibt. Bei Ausbildungsverhältnissen, Wettbewerbs- und kaufmännischen Streitigkeiten hilft sie, die Auseinandersetzung außergerichtlich beizulegen. Das spart Zeit und Kosten.
Text: Lothar Schmitz
Wenn zwei sich streiten – dann kann ein Dritter helfen. Und das muss nicht ein staatliches Gericht sein. Davon ist die IHK Köln zutiefst überzeugt. Deshalb engagiert sie sich seit vielen Jahren in der außergerichtlichen Streitbeilegung.
Unter diesem Begriff – im Englischen: Alternative Dispute Resolution (ADR) – werden Verfahren verstanden, bei denen eine neutrale, unparteiische Instanz eingeschaltet wird, um eine Einigung zu finden oder eine Streitfrage zu klären und damit ein Gerichtsverfahren zu vermeiden. Zumal Gerichtsprozesse in der Regel viel Zeit und Geld kosten und ihr Ausgang ungewiss ist.
Auf ihrer Website informiert die IHK ausführlich über die wichtigsten Formen der außergerichtlichen Streitbeilegung und erklärt in Merkblättern alle zentralen Voraussetzungen und Zusammenhänge. „IHKplus“ stellt hier drei Arten vor, wie die IHK Köln ihre Mitgliedsunternehmen direkt bei der Streitregulierung unterstützt:

Wettbewerbsstreitigkeiten

Immer wieder kommt es zu unterschiedlichen Auffassungen darüber, ob eine Werbemaßnahme oder das Auftreten im Geschäftsverkehr gegen wettbewerbsrechtliche Vorschriften verstößt. Wer gegen einen vermeintlichen Wettbewerbsverstoß vorgehen möchte oder selbst abgemahnt wurde, kann sich bei der von der IHK betriebenen Einigungsstelle für Wettbewerbsstreitigkeiten in der gewerblichen Wirtschaft melden. Zuständig ist sie bei Ansprüchen auf Grund des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) und des Unterlassungsklagegesetzes (UKlaG).
Portrait von Ine-Marie Schulte-Franzheim
Dr. Ine-Marie Schulte-Franzheim ist Vorsitzende der Einigungsstelle für Wettbewerbsstreitigkeiten. © IHK Köln / Olaf-Wull Nickel
„Unsere Aufgabe ist es, in Wettbewerbsstreitigkeiten eine gütliche Einigung herbeizuführen“, sagt Dr. Iris-Marie Schulte-Franzheim. Die Kölner Rechtsanwältin engagiert sich seit vielen Jahren
ehrenamtlich bei der IHK als Vorsitzende der Einigungsstelle. „Wenn nach Überzeugung der Einigungsstelle ein Wettbewerbsverstoß vorliegt, schlagen wir dem Antragsgegner vor, die
geforderte Unterlassungsverpflichtungserklärung abzugeben. Akzeptiert er, ist die Angelegenheit außergerichtlich erfolgreich beendet“, erläutert die Anwältin. Erfolge keine Einigung, werde das Scheitern des Verfahrens festgestellt. Es bleibe dem Antragsteller dann unbenommen, seinen Anspruch vor Gericht weiterzuverfolgen.
Ein wichtiges Prinzip der Einigungsstelle: Sie berücksichtigt sowohl die juristische als auch die kaufmännische Sicht. Letztere bringt zum Beispiel Peter Braschoß, Geschäftsführer der K. H. Wiegand Immobilien GmbH & Co. KG in Köln, mit, der sich seit vielen Jahren als Beisitzer engagiert. „In vielen Fällen“, sagt der Kaufmann, „gelingt es uns, mäßigend auf die Streitparteien einzuwirken und eine Einigung vorzuschlagen, mit der beide Seiten leben können.“

Streit zwischen Kaufleuten

Auch Streitigkeiten im kaufmännischen Bereich können außergerichtlich beigelegt werden. Zum Beispiel, wenn sich mehrere BGB-Gesellschafter nicht darüber einigen können, wie sie ausein-andergehen. Oder wenn sich eine Erbengemeinschaft über die Frage streitet, welche Nachfolgeregelung im Familienbetrieb die beste ist. Die IHK unterhält für solche Fälle eine Schlichtungsstelle.
„Wir machen das freiwillig, aus unseremSelbstverständnis heraus“, erklärt Inga Buntenbroich, Syndikusrechtsanwältin  bei der IHK Köln. Grundlage sei das Leitbild des „ehrbaren Kaufmanns“, dem sich die IHK verpflichtet fühle.

Auseinandersetzungen in der Ausbildung

Natürlich kommt es auch in der Ausbildung immer mal wieder zu Auseinandersetzungen. „Meist wenden sich Azubis oder die für sie zuständigen Personen zuerst an unsere Ausbildungsberater:
innen“, berichtet Vera Lange, Leiterin Prüfungswesen und Bildungsrecht der IHK Köln. Diese seien alle fit in Mediation und könnten häufig vermitteln. Falls nicht, können Azubis ebenso wie Ausbildungsunternehmen den Schlichtungsausschuss der IHK anrufen, der mit Vertreter:innen der Arbeitgeber:innen-Seite und der Arbeitnehmer:innen-Seite besetzt ist. So wie beispielsweise Leah Kurz, Gewerkschaftssekretärin bei ver.di, und Iris Krämer, langjährige Mitarbeiterin in der Personalentwicklung eines Kölner Handelsunternehmens.
Wurde bereits eine Kündigung ausgesprochen, dann muss der Ausschuss eingeschaltet werden, bevor das Arbeitsgericht angerufen werden darf, so sieht es das Gesetz vor. Die gute Nachricht: Es kommt nur zu 70 bis 80 Schlichtungen pro Jahr – bei insgesamt 24.000 bei der IHK eingetragenen Ausbildungsverhältnissen. „Das ist erfreulich wenig“, sagt Lange, „außerdem werden die meisten Schlichtungen mit Vergleich abgeschlossen, es geht also nur selten vor Gericht.“
Besetzt ist der Schlichtungsausschuss mit je einer Vertreter:in der Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite. Für erstere wirkt beispielsweise Leah Kurz mit, Gewerkschaftssekretärin bei ver.di. Iris Krämer engagiert sich als langjährige Mitarbeiterin in der Personalentwicklung eines Kölner Handelsunternehmens im Schlichtungsausschuss für die Arbeitgeberseite. Beide machen das ehrenamtlich. Ihr gemeinsamer Ansporn: einen für beide Seiten zufriedenstellenden Kompromiss zu finden.
„Die Zeit der Ausbildung ist so unglaublich wichtig für die Jugendlichen“, betont Krämer, „deshalb ist unser klares Ziel, das Ausbildungsverhältnis zu erhalten.“ Das decke sich durchaus mit den Interessen der Azubis und der ausbildenden Betriebe, keiner gibt leichtfertig auf. Trotzdem würden sie Konflikte, etwa um Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit, nicht immer selbst lösen können. „Mein unmittelbarer Eindruck in vielen Sitzungen ist, dass vor allem die Azubis meist erleichtert sind, dass wieder ein Gespräch möglich ist und es Chancen gibt, die Auseinandersetzung zu beenden“, sagt Krämer.

„Es gibt fast immer eine Lösung!"

„Die Jugendlichen merken, was auf dem Spiel steht, in vielen Fällen wollen sie ihren Ausbildungsplatz nicht verlieren“, beobachtet Leah Kurz. „Das ist eine gute Grundlage für eine erfolgreiche Schlichtung.“ Den Abschluss bildet stets eine schriftliche Vereinbarung über die Maßnahmen und Verhaltensweisen, auf die man sich geeinigt hat. Sie bildet die Grundlage für die weitere Ausbildungszeit. „Das hilft“, sagt Krämer. „Aber noch mehr würde helfen, wenn sich das Unternehmen und die Azubis bei sich abzeichnenden Konflikten noch früher an die IHK wenden würden.“ Vera Lange stimmt zu: „Es findet sich fast immer eine Lösung – die Chance ist umso höher, je früher wir davon erfahren und miteinander sprechen!“
Vera Lange
Leiterin Prüfungswesen Fortbildung und Bildungsrecht
Unternehmensservice