IHK am Puls. Unternehmen. Vernetzen. Region. startet in Marburg

Die Geschäftsstelle Marburg der IHK Kassel-Marburg lud am 18. September zum Auftakt ihres neuen Netzwerkformats IHK am Puls. Unternehmen. Vernetzen. Region. in das Technologie- und Tagungszentrum (TTZ) Marburg ein.
Warum braucht es dieses Format? „Weil wir uns besser vernetzen und kampagnenfähig sein müssen“, sagte Udo Diehl, Vizepräsident der IHK Kassel-Marburg und Vorsitzender der IHK-Regionalversammlung Marburg. Die Unternehmerinnen und Unternehmer seien Problemlöser. „Wir können der Politik Lösungen aufzeigen. Aber dazu müssen wir uns austauschen“, so Diehl. „Es gibt derzeit viele wichtige Themen, die die heimischen Unternehmen bewegen, von Infrastruktur bis zu weiteren Standortbedingungen.“ Mit dem neuen Format „greifen wir den Wunsch der Wirtschaft nach einer stärkeren Vernetzung auf und bieten den Unternehmen der Region eine Plattform zum Austausch“, erklärte Oskar Edelmann, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der IHK Kassel-Marburg und Leiter der Geschäftsstelle Marburg.
Zum Einstieg in die Veranstaltung stellten sich Vize-Landrat Marian Zachow, Professor Dr. Gert Bange, Vizepräsident für Forschung an der Philipps-Universität Marburg, und IHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Arnd Klein-Zirbes den Fragen der Vorstandsmitglieder der Regionalversammlung Marburg, Thomas Winzer und Andreas W. Ditze. Dr. Arnd Klein-Zirbes hoben dabei hervor: „Marburg ist ein starker Teil unserer Industrie- und Handelskammer.“ Dazu trügen die großen Player ebenso bei wie die zahlreichen kleinen und mittleren Unternehmen (KMU). Entsprechend gemischt besetzt war das Publikum, um sich von Mathias Haas und dessen Keynote inspirieren zu lassen.
Der griff zu Beginn seines Vortrags zur Schere, näherte sich einem Strauß roter Rosen, die auf seinem Rednerpult standen – und schnitt einigen der Blumen die Blütenköpfe ab. „Damit möchte ich unser Ziel für heute Abend visualisieren“, sagte er zu den Zuhörerinnen und Zuhörern. Denn Haas ist Trendbeobachter. Und für ihn ist klar: „Es lohnt sich und ist klug, sein Handeln regelmäßig ziemlich radikal auf den Prüfstand zu stellen.“ Um eben lieb gewonnene Routinen und alte Zöpfe abzuschneiden und sich aktuellen Themen zu stellen. Das könne zum Beispiel heißen, „dass Sie Software, die Sie vor Jahrzehnten eingeführt haben, abschalten – oder dass Sie Ihr Faxgerät entsorgen, obwohl es vielleicht einmal im Jahr benutzt wird“, sagte Haas, erntet dafür Lacher vom Publikum.
Dahinter verbarg sich jedoch eine ernste Botschaft: Unternehmerinnen und Unternehmer müssen ihr Handeln regelmäßig infrage stellen, um auf aktuelle Trends reagieren und diese dann auch nutzen zu können. Selbst große Player, die einst mit ihren disruptiven Geschäftsmodellen die heimischen Märkte ins Wanken brachten, müssten sich heute immensen Veränderungen stellen. „Auch Amazon-Gründer Jeff Bezos hat Angst vor dem Konkurs“, sagte Haas. Denn der chinesische Internet-Gigant Temu versendet 400.000 Pakete nach Deutschland – „pro Tag“. Daher hat Bezos die Devise „day one“ ausgegeben: Er möchte, dass seine Angestellten so agieren, als sei es immer ihr erster Tag. „So naiv, so mutig, so verrückt“, verdeutlichte Haas – das könne ein Ansatz sein, „der in jedem Unternehmen zu einer Lösung führen kann“.

Welche Trends entscheidend sein werden

Drei übergeordnete Themen hat der Trendbeobachter identifiziert, die für die Zukunft der Wirtschaft entscheidend sein werden: Nachhaltigkeit, Selbstoptimierung und Künstliche Intelligenz (KI). „Wir befinden uns in einer Zeit, in der Sie Kraft brauchen, um diese Themen anzugehen.“ Ein Faktor spiele die entscheidende Rolle, um sich den neuen Mega-Themen zu widmen: „Sie brauchen Zeit zum Denken“, sagt er, während er Seifenblasen in den Raum pustete. „Themen wie die strategische Nutzung von KI bearbeiten Sie nicht so eben zwischen zwei Meetings oder Telefonterminen. Sie brauchen einen Plan und Zeit, in der Sie sich abkoppeln vom Alltag.“ Haas ist sich sicher: „Wenn Sie heute nicht die Weichen für Ihren Arbeitnehmermangel stellen, haben Sie in drei Jahren niemanden mehr, der Ihre Aufträge bearbeiten kann.“ Allgemeingültige Lösungen oder fertige Konzepte hatte Mathias Haas nicht im Gepäck. Aber spannende Geschäftsmodelle zeigte er den Zuhörenden – die muten mitunter recht kurios an. So kann man sich in den USA mittlerweile für 1299 Dollar online „und ohne Emotionen scheiden lassen“. Der Dienst „Do not pay“ hilft mittels KI dabei, dass man zum Beispiel seine Leasingrate nicht bezahlen muss. „Je nachdem, wie gut diese Anbieter werden, können sich Machtverhältnisse ändern“, sagte Haas.
Es gibt auch einfache Ideen: Etwa Airtags – also Tracker zum Orten von Gegenständen – zum Finden und Nachverfolgen von beispielsweise Krankenhausbetten zu verwenden. Dadurch habe ein Kunde von Haas „einen sechsstelligen Betrag im Jahr gespart“, weil jedes Bett sofort zu finden war. Mit einem Headset und Telefon von Google „können Sie in Echtzeit 70 Sprachen sprechen“ – denn die KI arbeitet als Simultan-Übersetzer. Genauso leicht lassen sich Schulungsvideos mit täuschend echten Avataren in dutzenden Sprachen erstellen. „Und Protokolle von Meetings müssen Sie dank KI heute auch nicht mehr schreiben“, so Haas – eine Zeitverschwendung weniger.

Auch heilige Kühe auf den Prüfstand stellen

Das Problem: Bei derzeit mehr als 10.000 KI-Anwendungen – Anzahl steigend – braucht es hervorragend geschulte Führungskräfte. „Auch die benötigen wieder Zeit, um die Umsetzung zu planen.“ Er plädierte für eine zielgerechte Mitarbeitendenentwicklung, um ein gutes Team zu haben. „Jeder Ihrer Mitarbeitenden hat etwas anderes, das ihn antreibt.“ Damit gelte es zu arbeiten, denn: Die Zahl der Menschen im arbeitsfähigen Alter schrumpfe in Deutschland in den kommenden zehn Jahren um zehn Prozent. „Seien Sie mutig, gehen Sie auch an die ,heiligen Kühe‘, wenn der Druck steigt. Stellen Sie Ihr Handeln immer wieder infrage.“ Wo können sich heimische Unternehmen den Einsatz von KI vorstellen? Holger Armbrüster, Geschäftsführer der Stadtwerke Marburg, sagte, dass „wir schon geprüft haben, ob wir im Kundenservice mittels KI Texte formulieren können, denn das kann unseren Mitarbeitenden schon Freiräume schaffen“. Doch da es bisher nur cloudbasierte Lösungen gebe, erschwere der Datenschutz den Einsatz. Die Veranstaltung „hat mich jedoch bestätigt, dass wir uns weiter intensiv mit dem Thema auseinandersetzen“, so Armbrüster. Udo Diehl setzt in seinem Busunternehmen bereits KI in der Fahrzeugtechnik ein, „es werden alle entsprechenden Daten ausgelesen. Es ist zwar noch nicht so, dass wir heute schon wissen, was morgen kaputt geht. Aber wir bleiben an dem Thema dran.“
Dranbleiben lautet ebenfalls die Devise für IHK am Puls: Das neue Netzwerkformat wird 2025 fortgesetzt und ist bereits auf den 25. September terminiert.