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Wirtschaft steuert in Rezession
Die Wirtschaft in Nordhessen und der Region Marburg steuert im neuen Jahr in die Rezession, die Unternehmen gehen mit Pessimismus in die kommenden Monate. Als größtes Risiko sahen die Unternehmen der Region die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen an.
Das war die Kernbotschaft der Konjunkturumfrage der IHK Kassel-Marburg zum Jahresbeginn, an der sich rund 300 Unternehmen beteiligt hatten. Der IHK-Klimaindex, der gewichtete Faktor aus gegenwärtiger und zukünftiger Lagebeurteilung, befand sich auf einem vergleichbar niedrigen Niveau wie in der Herbstumfrage 2023. Er lag bei 88,3 Punkten (Vorbericht 85,5 Punkte und Vorjahr 102,2, Punkte).

„Es ist kein guter Start in das Jahr 2024. Wir stecken in einer Konjunkturflaute. Der Ausblick hat sich weiter verdunkelt“, sagte IHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Arnd Klein-Zirbes. „37 Prozent unserer Unternehmen gehen von einer weiteren Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation aus. Nur knapp zehn Prozent glauben an eine Verbesserung. Hohe Energiepreise, überbordende Bürokratie und eine überdurchschnittliche Steuer- und Abgabenlast beeinträchtigen unsere Unternehmen.“ Hinzu komme die wachsende Unzufriedenheit mit den wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen in Deutschland. „Sorgen machen wir uns hinsichtlich der niedrigen Investitionen und um das Auslandsgeschäft. Die Marke ‚Made in Germany‘ scheint international an Zugkraft zu verlieren. 36 Prozent der heimischen Betriebe rechnen mit einem sinkenden Exportvolumen.“ Dies seien ernüchternde Zahlen für die Industrie im IHK-Bezirk, unterstrich der Hauptgeschäftsführer.
Nahezu alle Branchen vermeldeten schlechte Zahlen. Äußerst negativ zeigten sich das Verkehrsgewerbe mit einem historisch niedrigen IHK-Klimaindex von nur 53,7 Punkten (Vorbericht 78,2 Punkte und Vorjahr 112,4 Punkte) und der Einzelhandel (80,0 Punkte; Vorbericht 75,5 Punkte, Vorjahr 73,4 Punkte). „Der Einzelhandel hat ein enttäuschendes Weihnachtsgeschäft hinter sich. Es lag leider noch unter dem Ergebnis des Vorjahres. Das erhöht weiter den Druck auf unsere Handelsbetriebe,“ so der IHK-Hauptgeschäftsführer. Hauptgrund für die unzureichende Geschäftslage sei die starke Konsumzurückhaltung. Inflation, Rezession und steigende Zinsen prägten das Kaufverhalten. Im Logistiksektor kamen laut IHK einige unerfreuliche Nachrichten zusammen, so zum Beispiel die ständige Erhöhung der Steuer- und Abgabenlast, wie beim CO2-Aufschlag auf die Lkw-Maut zu Jahresbeginn.
Eine Verschlechterung zur vergangenen Umfrage zeigte sich auch in der Gastronomie. Der Index fiel vom Herbstwert mit 116,1 Punkten auf 92,9 Punkte. „Unsere Branche hat sich im vergangenen Jahr langsam wieder vom Corona-Schock erholt. Viele Betriebe wollten jetzt notwendige Investitionen nachholen. Das hat sich mit der Rückkehr der Mehrwertsteuer von sieben auf 19 Prozent erstmal erledigt“, sagte Michaela Richter, geschäftsführende Gesellschafterin Hotel Marburger Hof. Dass Speisen zum Mitnehmen weiterhin mit sieben Prozent besteuert würden, sei eine Ungleichbehandlung gegenüber der Gastronomie mit Service am Platz und führe über kurz oder lang zu weiteren Betriebsaufgaben. „Die Rahmenbedingungen für gutes Wirtschaften werden in unserer Branche immer schwieriger. Steigende Kosten, Fachkräftemangel, ein unflexibles Arbeitszeitgesetz und bürokratische Aufzeichnungspflichten sind ein schwieriger Mix. Die Mehrwertsteuererhöhung kommt in Zeiten allgemeiner Kaufzurückhaltung zur Unzeit. Insofern hätte ich mir bei der Mehrwertsteueranpassung mehr Sensibilität von Seiten der Politik gewünscht“, unterstrich Rainer Holzhauer, Geschäftsführer Renthof GmbH Kassel.
Aus Sicht der IHK muss die Politik schnell handeln. Es gelte, auf allen politischen Ebenen wieder mehr für eine leistungsstarke Wirtschaft zu tun. Dass befragte Unternehmen mit 63 Prozent die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen als größtes Risiko benennen, spräche Bände, hob Dr. Arnd Klein-Zirbes hervor: „Hoffnung in dieser Hinsicht mache der Koalitionsvertrag der neuen Hessischen Landesregierung, so etwa mit Blick auf die dringend notwendige Entbürokratisierung. Schon dass der Begriff der Entbürokratisierung im Namen des Ministeriums des neuen Ministers Manfred Pentz ausdrücklich genannt werde, gab Anlass zur Hoffnung, dass sich in Sachen Deregulierung in Hessen etwas tut“, so Dr. Klein-Zirbes. Der Koalitionsvertrag verspreche, dass sich die Hessische Landesregierung über den Bundesrat auch für einen Bürokratieabbau auf europäischer Ebene einsetzt. „Jetzt gilt es, den Koalitionsvertrag schnell und pragmatisch umzusetzen. Es gibt keine Zeit zu verlieren“, sagte der IHK-Hauptgeschäftsführer.
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Thomas Rudolff
Bereichsleiter Kommunikation | Informationstechnologie (IT)