Appell an Stadt Marburg für gemeinsame Lösung
Die Industrie- und Handelskammer (IHK) Kassel-Marburg warnt vor den Folgen der geplanten Umgestaltung der Leopold-Lucas-Straße zur Fahrradstraße mit Anliegerregelung. Ihrer Ansicht nach wird dies den Wirtschaftsverkehr in Marburg erheblich beeinträchtigen und den Standort schwächen.
„Die geplante Umgestaltung der Leopold-Lucas-Straße droht unseren Wirtschaftsstandort ohne ausreichende Prüfung zu belasten. Die IHK-Regionalversammlung Marburg fordert die Stadt daher auf, die geplante Maßnahme gemeinsam mit Unternehmen, Bildungseinrichtungen und Nahversorgern transparent zu diskutieren und zu bewerten“, erklärt Udo Diehl, Vorsitzender der IHK-Regionalversammlung Marburg.
Abkehr von ursprünglichem Konzept nicht transparent
Die IHK Kassel-Marburg kritisiert, dass die geplante dauerhafte Einrichtung einer Fahrradstraße deutlich über das hinausgeht, was im Mobilitätskonzept MoVe35 vorgesehen war: Dies beinhaltet für die Leopold-Lucas-Straße eine temporäre Sperrung für den motorisierten Individualverkehr während der Stoßzeiten zwischen 7:30 und 8:00 Uhr sowie zwischen 12:30 und 13:30 Uhr im Rahmen eines zu evaluierenden Verkehrsversuchs. Diese Maßnahme soll der Erhöhung der Verkehrssicherheit in diesem Bereich dienen und insbesondere die Verkehrsbelastung durch die sogenannten Elterntaxis reduzieren.
„Die nun geplante dauerhafte Einrichtung einer Fahrradstraße mit Anliegerregelung ist im MoVe35-Konzept nicht enthalten und stellt eine deutliche Verschärfung gegenüber den Planungen zur Leopold-Lucas-Straße im Mobilitätskonzept MoVe35 dar“, betont der stellvertretende IHK-Hauptgeschäftsführer, Oskar Edelmann. „Dort war lediglich eine temporäre Sperrung während der Schulbeginn- und Schulendzeiten in Form eines Verkehrsversuchs vorgesehen – mit überschaubarem Kostenvolumen und einem hohen Kosten-Wirkungs-Grad. Eine Begründung für diese Verschärfung und die Abkehr vom ursprünglichen Konzept wird an keiner Stelle transparent gemacht.“
Die Umsetzung würde den motorisierten Individualverkehr faktisch ausschließen und die Erreichbarkeit wichtiger Einrichtungen, wie des P&R-Parkplatzes am Georg-Gaßmann-Stadion, einschränken. Pendler zum Pharmastandort müssten dann auf teils enggebaute Straßen in Ockershausen oder auf die vielbefahrene Schwanallee ausweichen. Die faktische Sperrung von Straßen, der Rückbau von Abbiegespuren, die Verkleinerung der Fahrbahn und der Wegfall öffentlicher Stellplätze werfen nach IHK-Einschätzung grundlegende Fragen zur Erreichbarkeit, zur Verkehrsverlagerung und zur strategischen Stadtentwicklung auf.
Pläne gefährden gewerbliche Standorte
„Die Maßnahme erfüllt in wesentlichen Punkten genau die Kriterien, die im Rahmen des Bürgerentscheids zum Mobilitätskonzept MoVe35 abgelehnt wurden. Ihre Umsetzung ohne entsprechende Legitimation untergräbt nicht nur die Akzeptanz bei Betrieben und in der Bevölkerung, sondern gefährdet auch die Funktionsfähigkeit gewerblicher Standorte“, warnt der stellvertretende Vorsitzende der IHK-Regionalversammlung Marburg, Thomas Winzer. Besonders problematisch seien die absehbaren Auswirkungen auf das angrenzende Straßennetz: Straßen wie die Schwanallee, der Bachweg, die Stiftstraße und die Ockershäuser Allee seien bereits heute stark belastet. Die zusätzliche Belastung, insbesondere in der Schwanallee würde zu einer weiteren Verlangsamung des innerstädtischen Verkehrsflusses führen – mit Folgen für den Wirtschaftsstandort.
Dialog mit Wirtschaft und Stadtgesellschaft führen
„Wir stehen hinter einer zukunftsfähigen Mobilitätsentwicklung – aber sie muss mit Augenmaß, im Dialog und unter Berücksichtigung wirtschaftlicher Belange erfolgen. Die isolierte Umsetzung einzelner Maßnahmen ohne strategische Einbindung widerspricht den Empfehlungen des MoVe35-Konzepts selbst, das ausdrücklich eine schrittweise, evaluierbare Vorgehensweise vorsieht“, ergänzt Udo Diehl. Die IHK Kassel-Marburg appelliert deshalb an die Verantwortlichen in Politik und Verwaltung, den Dialog mit der Wirtschaft und der Stadtgesellschaft zu suchen, um gemeinsam tragfähige und nachhaltige Lösungen zu entwickeln.