Konjunkturumfrage: Stimmungsaufhellung mit Fragezeichen
Die wirtschaftliche Stimmung in Nordhessen und Marburg hellt sich im Frühsommer 2025 leicht auf. Das zeigt die aktuelle Konjunkturumfrage der Industrie- und Handelskammer (IHK) Kassel-Marburg, an der sich 283 Unternehmen beteiligten.
Der IHK-Klimaindex, der gewichtete Faktor aus gegenwärtiger und zukünftiger Geschäftslage, steigt auf 96,2 Punkte (Jahresanfang 2025: 94,6 Punkte). Dennoch bleibt das Bild verhalten: Unternehmen investieren nur zögerlich, und die Zoll-Politik von US-Präsident Trump belasten den Welthandel. Sie treffen besonders die exportstarken Unternehmen in der Region.
Dr. Arnd Klein-Zirbes, Hauptgeschäftsführer der IHK Kassel-Marburg, spricht von einer Stagnation der aktuellen Wirtschaftslage: „Die Situation der deutschen Wirtschaft bleibt angespannt. Die neue Bundesregierung muss den wirtschaftspolitischen Kurs klar auf Wachstum ausrichten. Ohne wirksamen Bürokratieabbau, Steuerentlastung und bezahlbare Energiepreise bleibt wirtschaftliche Dynamik Wunschdenken.“
Standortrisiken dominieren – Umsetzung entscheidend
69,7 Prozent der Unternehmen nennen in der aktuellen IHK-Konjunkturumfrage erneut die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen als größtes Geschäftsrisiko. IHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Arnd Klein-Zirbes betont, die Richtung im Koalitionsvertrag stimme in vielen Punkten. „Doch ob diese Ansätze wirken, hängt von deren konsequenten Umsetzung ab.“ Aktuell geht die Bundesregierung von einer Stagnation der wirtschaftlichen Entwicklung aus: „Deutschland ist auf offene und funktionierende Märkte in einer globalisierten Welt angewiesen. Das erfordert diplomatisches Geschick auf internationaler Bühne, aber auch die Hausaufgaben hinsichtlich der vielfältigen strukturellen Probleme müssen gemacht werden.“
Bau profitiert – Industrie stabilisiert sich, Export unter Druck
Das Baugewerbe erreicht mit 131,1 Punkten einen außerordentlich guten IHK-Klimaindex. Das Sondervermögen für Infrastruktur weckt offenbar positive Erwartungen für die Zukunft. Die Industrie zeigt sich mit 96,9 Punkten leicht verbessert, allerdings unter Vorbehalt: Die Befragung fand noch vor den jüngsten Zollerhöhungen der US-Regierung statt – deren Auswirkungen werden erst in den kommenden Monaten voll zum Tragen kommen.
25 Prozent der Unternehmen rechnen bereits mit Rückgängen im Auslandsgeschäft. Dr. Klein-Zirbes konstatiert: „Die neue Zollpolitik trifft unsere exportstarken Branchen in einer ohnehin konjunkturell schwierigen Zeit. Und sie trifft einen Standort, der seit längerem unter hohen Kosten leidet. Die Lage ist also ernst.“
Fehlende Planungssicherheit bremst Innovation
Die Investitionszurückhaltung vieler Unternehmen trifft zunehmend auch die unternehmensnahen Dienstleister. Der Klimaindex der Branche ist deutlich gesunken – von 110,7 auf 97,8 Punkte. Vor allem Projekte in den Bereichen Digitalisierung, Beratung, Strategie oder Personalentwicklung geraten ins Stocken oder werden ganz auf Eis gelegt. Wilhelm Blank, Geschäftsführer der Blank & Nassauer GmbH in Marburg, sieht die Ursachen in der fehlenden Planungssicherheit: „Die Unternehmen wollen investieren, aber sie zögern. Es fehlt nicht an Bedarf, sondern an Sicherheit – bei Kosten, Genehmigungen oder Fördermitteln.“ Dadurch bleibe auch Wertschöpfung bei Dienstleistern auf der Strecke: „Wenn Projekte ausbleiben, geraten auch wir ins Stocken. Das bremst die gesamte Wirtschaft.“
Auch Sascha Gundlach, Geschäftsführer der Kasseler Markenagentur Bestes Pferd im Stall, Mitglied der IHK-Vollversammlung und Präsident des Marketingclubs Nordhessen, beobachtet eine zunehmende Zurückhaltung: „Viele Unternehmen investieren nur in das, was bereits läuft. Neue, zukunftsgerichtete Vorhaben bleiben aktuell oft die Ausnahme.“ Ideen seien zwar vorhanden, doch fehle es meist an Klarheit und Mut zur Umsetzung. Auch die Zahlen der aktuellen IHK-Umfrage spiegeln das wider: Nur 26,7 Prozent der Investitionen fließen in Innovationen, lediglich 14,2 Prozent in den Umweltschutz. Es dominieren Ersatzbedarf (68,1 Prozent) und Rationalisierung (34,0 Prozent).
Wachsender Druck auch auf den Arbeitsmarkt
Inzwischen zeigen sich auch erste Auswirkungen auf dem Arbeitsmarkt. Nur 13,4 Prozent der Unternehmen planen Neueinstellungen, während 20 Prozent mit Personalabbau rechnen – der Beschäftigungssaldo liegt bei - 6,6 Punkten. Sascha Gundlach sieht darin ein klares Signal: „In vielen Unternehmen hängt der Personalaufbau direkt mit neuen Investitionen zusammen. Wenn diese nicht starten, entstehen auch keine neuen Aufgaben“, so Sascha Gundlach. Zwar würden in vielen Unternehmen neue Aktivitäten - etwa in den Bereichen Digitalisierung, Künstliche Intelligenz oder Nachhaltigkeit - diskutiert, doch oft würden diese Konzepte nicht umgesetzt: „Die Pläne stehen, aber die Umsetzung wird aufgeschoben. Wir brauchen jetzt eine neue Aufbruchstimmung!“
Wilhelm Blank warnt: „Wenn nur das Bestehende gesichert wird, fehlt langfristig der Fortschritt.“ Gundlach ergänzt: „Wenn Unternehmen ihre Entwicklung aufschieben, verliert der Standort an Zukunftsfähigkeit – mit wachsenden Auswirkungen auf Beschäftigung und internationale Wettbewerbsfähigkeit.