8. Dezember 2023

Wiederanlaufen der Kernkraftwerke prüfen

Die Vollversammlung der Industrie- und Handelskammer (IHK) Kassel-Marburg hat sich in der gestrigen (7. Dezember 2023) Sitzung mehrheitlich dafür ausgesprochen, ein Wiederanlaufen der Mitte April 2023 abgeschalteten Kernkraftwerke zu prüfen.
Grundlage dafür ist das Impulspapier „Klimaneutralität 2045“, das die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) verfasst hat und das in der gestrigen Sitzung zur Abstimmung stand. „Mit unserem Beschluss konkretisieren wir das DIHK-Impulspapier zur Klimapolitik“, sagt IHK-Präsident Jörg Ludwig Jordan. „Die Unternehmen in unserer Region haben sich nach einer intensiven Diskussion bei fünf Gegenstimmen und einer Enthaltung für diese Konkretisierung ausgesprochen.“ Zudem fordert die Vollversammlung, die Forschung und Entwicklung neuer Kerntechnologien intensiv zu fördern.  
Die Diskussion spiegelte in der Vollversammlung wider, dass die Nutzung der Kernkraft zur Stromerzeugung in der Wirtschaft umstritten ist. Angesichts der Klimaziele und der Notwendigkeit, das Energieangebot zu erhöhen, steht allerdings eine Mehrheit der Unternehmen hinter einer an die energie- und sicherheitspolitischen Rahmenbedingungen angepasste Weiternutzung der Kernkraft. Die Weiternutzung könnte dazu führen, die Stromerzeugung aus Kohle- und Gaskraftwerken zu verringern und die Versorgung und Systemstabilität in Deutschland zu sichern beziehungsweise wieder zu erhöhen.   
Kern des DIHK-Impulspapiers „Klimaneutralität 2045“  ist der Aufbau neuer Infrastrukturen für die Energiewende. Eine wichtige Rolle spielt dabei das Wasserstoffkernnetz. Die Vollversammlung verabschiedete dieses Papier einstimmig. Im Anschluss votierte sie für die Konkretisierung.  
Bei der Kernnetz-Planung war Nordhessen zunächst nicht berücksichtigt. In einer konzertierten Aktion hatte die IHK Kassel-Marburg im Sommer dieses Jahres im Schulterschluss und in Abstimmung mit Partnern wie der Vereinigung hessischer Unternehmerverbände, Handwerkskammer Kassel, den Regionalmanagements sowie dem Regierungspräsidium darauf gedrungen, die Region in den Planungen des künftigen Kernnetzes zu beachten. Die Region ist nun im finalen Antrag der Fernleitungsnetzbetreiber des künftigen Kernnetzes berücksichtigt.  
Neben dem DIHK-Impulspapier zur Klimapolitik stand ein zweites Papier der IHK-Spitzenorganisation in der Vollversammlung zur Diskussion. Es bildet den Überbau für die bundesweite Kampagne „#GemeinsamBesseresSchaffen – jetzt!“. Sie soll das Miteinander der regionalen Politik mit der Bundespolitik besser strukturieren und verdeutlicht das an konkreten Beispielen aus den 79 IHK-Bezirken. Die IHK Kassel-Marburg beteiligt sich mit einem Beispiel aus der Verkehrsinfrastruktur: den sich seit Jahrzehnten hinziehenden Planungen und Baumaßnahmen zum letzten Verkehrsprojekt der Deutschen Einheit, der A44 zwischen Kassel und Eisenach. Das Papier fordert eine ordnungspolitische Zeitenwende und „mutige Weichenstellungen jenseits von Populismus und Kleinmut“. 
Zudem standen die IHK-Wahlen, Haushaltsthemen sowie weitere Punkte wie der Beitritt zum neuen Außenwirtschaftszentrum (AWZ) Hessen oder die Einführung eines digitalen Tools zur Fachkräftesicherung in Marburg auf der Tagesordnung. 
Im Außenhandel nehmen unter anderem Marktzugangsbeschränkungen, Kundenansprüche und Compliance-Regelungen stetig zu, beispielsweise haben sich im Bereich der Verteidigungs- und Sicherheitsindustrie die Exportkontrollvorschriften verschärft. Um dem gestiegenen Beratungsbedarf der auslandsaktiven Unternehmen Rechnung zu tragen und dafür ein marktgerechtes und breitgefächertes Beratungsangebot zu schaffen, hat die Vollversammlung beschlossen, dass die IHK Kassel-Marburg dem neuen Außenwirtschaftszentrum (AWZ) Hessen beitritt. Dieses soll Anfang 2024 in Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) gegründet werden. Das AWZ bündelt und schärft mit einer neuen zentralen Plattform, dem Außenwirtschaftsportal, Umfang und Tiefe der Informationsangebote. Betrieben wird diese arbeitsteilig mit den IHKs in Hessen, Bayern und Nordrhein-Westfalen. Diese Zusammenarbeit soll auch dafür sorgen, die regionalen Beratungskompetenzen und
-profile in den IHKs vor Ort zu stärken. Das Auslandsgeschäft der in Nordhessen und der Region Marburg ansässigen Industrieunternehmen trägt mit einer Exportquote von über 50 Prozent entscheidend dazu bei, Wohlstand und Arbeitsplätze zu sichern.  
Empfehlen statt Absagen: So lautet das Motto der Talent-Sharing-Plattform Ausbildungsradar. Die Vollversammlung hat beschlossen, diese für die Region Marburg einzuführen. Im Ausbildungsradar der stafftastic GmbH bekommen Bewerber statt einer Absage eines Unternehmens eine Empfehlung für andere Ausbildungsbetriebe. Insbesondere kleinere Firmen profitieren von dieser Talent-Plattform, sobald größere Arbeitgeber infolge ihrer Bekanntheit einen Überschuss guter Bewerberinnen und Bewerber für ihre Ausbildungsplätze haben. Alle teilnehmenden Unternehmen können auf empfohlene Talente zugreifen und sie direkt zu einem Kennenlerngespräch einladen. Das Ausbildungsradar ist so konzipiert, dass es sich nach einer positiven Evaluation auf den gesamten IHK-Bezirk ausrollen lässt. 
Die IHK-Vollversammlung hat zudem neue Beitragssätze beschlossen. Die Beitragssätze der IHK Kassel-Marburg gehören weiterhin zu den niedrigsten in Hessen. Nach zwei Beitragssenkungen in 2022 und einer weiteren Reduzierung der Beiträge in diesem Jahr hat die IHK-Vollversammlung dafür gestimmt, die Mitgliedsbeiträge etwas nach oben anzupassen. Der Umlagesatz steigt von 0,09 Prozent auf 0,12 Prozent. Im Jahr 2021 lag er noch bei 0,19 Prozent. Die Grundbeiträge steigen ab 2024, liegen aber immer noch unter denen von 2019 – trotz der Anpassung werden sie im Durchschnitt um 25 Prozent geringer sein als 2019. IHK-Präsident Jörg Ludwig Jordan hebt hervor, dass nach drei Beitragssenkungen in Folge eine Beitragsanpassung nach oben unvermeidlich sei: „Es stehen wichtige Instandsetzungsmaßnahmen wie eine Dachsanierung in unserem Haupthaus in Kassel an und die Umsetzung der IHK-Wahlen Anfang 2024 schlägt ebenfalls zu Buche. Zudem sind zum Beispiel Investitionen wichtig, um den Fachkräftebedarf zu sichern. So beteiligen wir uns am Berufsorientierungszentrum (BOZ) im Landkreis Kassel sowie an der bundesweiten Ausbildungs-Kampagne Jetzt #könnenlernen.“