Konjunktur Frühsommer

Sorgenvolle Erholung trübt die Stimmung

Dreimal im Jahr führt die IHK Kassel-Marburg eine Konjunkturumfrage bei IHK-Mitgliedern durch. Dabei werden Unternehmen quer durch alle Branchen nach ihrer Einschätzung zur aktuellen Geschäfts- und Ertragslage sowie ihren Erwartungen zum Beispiel bezüglich Exportentwicklung, Investitionen und Beschäftigung befragt.
Die Wirtschaft in Nordhessen und der Region Marburg erholte sich im Frühsommer weiter, wenngleich sich die Konjunktur insgesamt gespalten zeigte. Der IHK-Klimaindex, der gewichtete Faktor aus gegenwärtiger und zukünftiger Lagebeurteilung, stieg über alle Branchen hinweg auf 105,6 Punkte (Vorbericht: 95,7 Punkte). Damit durchbrach er erneut die wichtige Hundertermarke. Die Konjunkturumfrage zum Frühsommer fand vom 30. März bis 3. Mai statt.
Wie bereits zu Jahresbeginn lud die IHK zur Präsentation der Ergebnisse zu einer Pressekonferenz ein. Dort kamen dieses Mal neben IHK-Präsident Jörg Ludwig Jordan, IHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Arnd Klein-Zirbes und IHK-Konjunkturexperte Thomas Rudolff auch Dr. Hans-Friedrich Breithaupt (Geschäftsführer F. W. Breithaupt & Sohn GmbH & Co. KG, Kassel sowie Vizepräsident der IHK Kassel-Marburg und Mitglied der Vollversammlung) und Julia Esterer (Geschäftsführerin Dr.-Ing. Ulrich Esterer GmbH & Co. Fahrzeugaufbauten und Anlagen KG, Helsa sowie Mitglied des Präsidiums und der Vollversammlung der IHK Kassel-Marburg) zu Wort und schilderten ihre Sicht der Dinge.
Der starke Einbruch bei den Beschäftigtenzahlen schwächte sich ab: Waren in der Umfrage zu Jahresbeginn noch 24,3 Prozent der Unternehmen von einem sinkenden Beschäftigungsniveau ausgegangen, waren es im Frühsommer 19,7 Prozent. Ihnen standen 15,9 Prozent Befragte gegenüber, die zusätzlich Mitarbeiter einstellen wollten.

Zurückhaltende Investitionstätigkeit

Die Investitionsabsichten waren im Saldo leicht gestiegen. Der Saldo beschreibt die Differenz von zunehmenden und abnehmenden Investitionserwartungen. Er betrug nun minus 1,6 Punkten gegenüber minus 7,3 Punkten im Vorbericht. Rund ein Drittel der Befragten beschrieb die eigene aktuelle Lage als gut, jedes vierte Unternehmen als schlecht. „Trotz verbesserter Perspektive fahren viele Unternehmen derzeit nur auf Sicht. Das resultiert in zurückhaltender Investitionstätigkeit und derzeit planen nur knapp 25 Prozent der Unternehmen, die Investitionen auszubauen“, sagte Dr. Hans-Friedrich Breithaupt, Geschäftsführer der F.W.W. Breithaupt & Sohn GmbH & Co KG. Bedenklich sei auch, dass es sich hierbei in erster Linie um Ersatz- und Rationalisierungsinvestitionen handele. „Es braucht dringend Rahmenbedingungen und Anreize für die Industrie, wieder vermehrt in Produktinnovationen zu investieren, was dann in der Folge auch Investitionen in Kapazitätsausweitungen nach sich zieht“, sagte Breithaupt.
Die Corona-Einschränkungen wirkten sich unmittelbar auf die Finanzsituation vieler Unternehmen aus: 18 Prozent der Betriebe berichteten von einem Eigenkapitalrückgang. Direkt von einer Insolvenz bedroht waren zwei Prozent der Betriebe, die an der IHK-Umfrage teilgenommen hatten. 
Die IHK wies zudem auf eine zunehmende Lieferknappheit und sprunghaft steigende Preise bei Energie und Rohstoffen hin, was der Wirtschaft Sorge bereitete. Lieferengpässe, Handelsrestriktionen und eine globale Nachfrage führten etwa bei Holz, Kunststoffen, Baumaterial und Stahl zu stark steigenden Preisen. Dies zeigten Untersuchungen des IHK-Spitzenverbandes Deutscher Industrie- und Handelskammertag (DIHK). Gründe für Störungen im Welthandel seien nicht zuletzt Produktionsausfälle aufgrund unterbrochener Lieferketten, Schwierigkeiten in der Seefracht sowie der Container-Mangel in den vergangenen Monaten, hob die Unternehmerin Julia Esterer, Geschäftsführerin der Dr.-Ing. Ulrich Esterer GmbH & Co, hervor: „Das erhöht Transportkosten und verlängert Lieferzeiten.“ Sie bestätigte: „Die Preisstruktur in wichtigen Rohstoffmärkten hat sich deutlich nach oben entwickelt.“ Allerdings sei der gesamte Markt für zivile Luftfahrt schon vor der Pandemie angespannt gewesen, so Julia Esterer, deren Unternehmen neben Straßentankwagen Flugfeldbetankungsfahrzeuge herstellt.

Manchen Branchen geht es an die Substanz

Verbessert hatten sich im Frühsommer im IHK-Bezirk insbesondere die Erwartungen der Unternehmen der Bereiche Industrie, Großhandel und unternehmensnahe Dienstleister. „Diese Erholung kann aber nicht darüber hinwegtäuschen“, so IHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Arnd Klein-Zirbes, „dass es dem Gastgewerbe, der Veranstaltungsbranche, den Reisevermittlern, den Unternehmen der personenbezogenen Dienstleistungen und Teilen des Einzelhandels weiterhin schlecht geht. Die Corona-Beschränkungen in den kontaktintensiven Branchen gehen an die Substanz der Unternehmen.“ Umso wichtiger, sagte der IHK-Hauptgeschäftsführer, sei es, bei kontinuierlich sinkenden Inzidenzzahlen möglichst zügig zu Öffnungen zu kommen.
An der Konjunkturumfrage Jahresbeginn nahmen 324 Unternehmen teil. Befragt wurden 625 Unternehmen.
Der gesamte Konjunkturbericht sowie die Berichte aus den Jahren 2020, 2019 und 2018 stehen unter www.ihk-kassel.de/konjunktur zur Verfügung.

Als einzige regionale Konjunkturanalyse sind die IHK-Konjunkturberichte eine wichtige Quelle für Informationen über den Wirtschaftsraum in Nordhessen und Marburg. 
Thomas Rudolff
Bereichsleiter Kommunikation | Informationstechnologie (IT)