Vernetzungstreffen Wasserstoff in der IHK

Am 4. September hatten die Landes-Energie-Agentur (LEA) Hessen und das Regionalmanagement Nordhessen gemeinsam mit der IHK Kassel-Marburg und weiteren Partnern zum Vernetzungstreffen Wasserstoff eingeladen. Dort diskutierten Politik, Wirtschaft und Wissenschaft über Potenziale, Projekte und Herausforderungen – und vor allem darüber, wie die Region wirtschaftlich von der Transformation profitieren kann.
„In vielen Bereichen ist Wasserstoff der gangbare Weg zur Klimaneutralität“, betonte IHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Arnd Klein-Zirbes. Besonders in der Industrie und beim Schwerlastverkehr eröffnet er Zukunftsperspektiven, die ohne dieses Element kaum denkbar wären. Die Frage nach der Wettbewerbsfähigkeit sei dabei zentral: Wann wird Wasserstoff für Unternehmen bezahl- und planbar? Die IHK will Unternehmen auf dem Weg begleiten, diese Technologie für sich nutzbar zu machen.
Regierungspräsident Mark Weinmeister wies auf die enge Anbindung Nordhessens an überregionale Leitungsnetze hin. Gerade mit Blick auf Nordrhein-Westfalen – mit seiner Stahlindustrie und den größten deutschen Gasspeichern – ist eine enge Abstimmung angeraten. Wenn die Speicher dort für Wasserstoff ertüchtigt werden, eröffne das auch Nordhessen Chancen für Versorgungssicherheit und Standortattraktivität.
54 Regionen mit rund 1500 Akteuren gibt es bereits: Die „Hydrogen Valleys“, die sich in den nächsten Jahren durchsetzen, schaffen dauerhafte Strukturen und ziehen Investitionen an.
Louise Maizières von der Deutschen Industrie und Handelskammer (DIHK) verdeutlichte, dass die Bundesregierung von einem deutlich höheren Wasserstoffbedarf ausgeht: Von derzeit 55 Terawattstunden jährlich könnte sich der Bedarf bis 2030 mehr als verdoppeln. Deutschland entwickle sich damit zum größten Importeur in der EU. Für Nordhessen bedeutet das: Wer sich frühzeitig positioniert, kann zu einem attraktiven Standort für Infrastruktur, Produktion und industrielle Nutzung werden, und Unternehmen haben die Chance, sich in Clustern zu organisieren. Gleichzeitig warnte Maizières vor Unsicherheiten: Regulatorische Hemmnisse, volatile Preise und fragile Marktstrukturen erschweren derzeit die Planbarkeit.
Alexander Gehling von der Nationalen Organisation Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie (NOW) lenkte den Blick auf regionale Cluster. „Hydrogen Valleys“, also vernetzte Wertschöpfungsketten, sind ein Schlüssel für wirtschaftlichen Erfolg. Schon jetzt gibt es in Deutschland 54 Regionen mit rund 1500 Akteuren. Wer sich in diesem Wettbewerb durchsetzt, schafft dauerhafte Strukturen, zieht Investitionen an und kann sogar Innovationen exportieren. Für Nordhessen bedeutet das: Der Aufbau regionaler Netzwerke ist nicht nur Klima-, sondern auch Standortpolitik.

Ohne Pipeline-Anbindung wird es schwer

Wie das aussehen kann, erläuterte Dirk Schmidt von der Eura AG an einem Beispiel aus Thüringen. Dort ist der Aufbau eines Wasserstoff-Ökosystems eng mit regionaler Wertschöpfung verbunden. Für Nordhessen gilt Ähnliches: Ohne Pipeline-Anbindung wird es für viele Standorte schwer – mit dieser Infrastruktur hingegen eröffnen sich Chancen, auch für neue Industrieansiedlungen.
Paul Schneider von der EWE stellte Großprojekte des Energieversorgers vor, etwa die Speicherung von Wasserstoff in Salzkavernen. Solche Speicher können den Standort Norddeutschland, und mittelbar auch Nordhessen, zu einem Anker für Versorgungssicherheit machen. Gerade für energieintensive Betriebe ist das ein Standortvorteil, da die Stromspeicher allein bei Weitem nicht ausreichen.

Die Fritz Winter Eisengießerei geht voran

Eine konkrete Anwendung zeigt das EE-H2-Kombiprojekt der Firma Eurowind Energy GmbH und der Fritz Winter Eisengießerei. Dieses betrachtet Wasserstoff nicht isoliert, sondern eingebettet in einem Verbundsystem aus Wind-, Photovoltaikenergie und Elek trolyse. Ergebnisse: Bereitstellung von grünem Wasserstoff und Sauerstoff, verringerte CO2 -Emissionen, Versorgungssicherheit und potenzielle Abwärmenutzung für die Gemeinde sowie regionale Wertschöpfung. Stefan Franke von Eurowind Energy begleitet das Projekt in Stadtallendorf und brachte den Lösungsansatz auf den Punkt: „Erzeugung und Nutzung müssen zusammen gedacht werden.“ Genau das könne Nordhessen zu einem Modellstandort machen.
Olaf Alm von der EAM Netz GmbH betonte, dass Netzinfrastruktur und Bedarfsplanung entscheidend seien. Nordhessen ist dank guter Erdgasanbindung in einer privilegierten Ausgangsposition – ein „Luxus“, wie Alm es formulierte. Damit daraus ein Vorteil wird, muss die Industrie jedoch konkrete Bedarfe anmelden. Erst dann kann die zielgerichtete Netzplanung erfolgen. Bis 2032 ist eine gute Ausgangslage erreichbar, wenn Politik, Wirtschaft und Netzbetreiber an einem Strang ziehen.

Lokale Projekte schnell umsetzen

Die Diskussion machte klar, dass wirtschaftliche Chancen und politische Rahmenbedingungen eng zusammenhängen. LEA-Geschäftsführer Dr. Karsten McGovern forderte mehr Planungssicherheit, während Daniel Schlusche (Fritz Winter) auf die Bedeutung regionaler Energiequellen für Standortunabhängigkeit hinwies. Dr. Dorothee Walther (House of Energy) betonte, dass Hessen kleinteilig strukturiert ist – ein Vorteil, wenn lokale Projekte schnell umgesetzt und skaliert werden sollen.
Dirk Schmidt machte deutlich, dass Kosten für Unternehmen letztlich das entscheidende Kriterium bleiben: Der Wasserstoffpreis muss sich mittelfristig am Erdgaspreis inklusive CO2 -Kosten orientieren. Olaf Alm warnte vor falschen Erwartungen an sinkende Energiepreise: Steigende Netzkosten werden auch den Strom verteuern. Für Unternehmen geht es am Ende um die Existenzfrage und darum, ob der Standort wettbewerbsfähig bleibt.
Dr. Dorothee Walther rief dazu auf, Leuchtturmprojekte wie das von Fritz Winter stärker sichtbar zu machen. Das kann Investoren und Betrieben den Mut geben, eigene Vorhaben anzustoßen. Gleichzeitig ist die bestehende Regulierung ein Hemmschuh. Kai Georg Bachmann, Geschäftsführer der Regionalmanagement Nordhessen GmbH, bilanzierte: „Wir brauchen den Willen und die Ausdauer, um das Thema weiterzutreiben.“

Starke Netzwerke und erste Leuchttürme

Das Vernetzungstreffen in Kassel zeigte: Der IHK-Bezirk hat die Chance, sich als Wasserstoffregion wirtschaftlich zu profilieren. Die Region verfügt über gute infrastrukturelle Voraussetzungen, starke Netzwerke und erste Leuchtturmprojekte. Entscheidend wird sein, Unternehmen frühzeitig einzubinden, Investitionen zu erleichtern sowie regionale Potenziale zu nutzen und zu fördern. Gelingt dies, können Nordhessen und die Region Marburg nicht nur ihren Beitrag zur Klimaneutralität leisten, sondern vor allem ihre Wettbewerbsfähigkeit sichern und neue Wertschöpfungsketten aufbauen

Nordhessen ist nun eingeplant

Im ersten Entwurf des Bundeswirtschaftsministeriums für das geplante Wasserstoff-Kernnetz aus dem Sommer 2023 war Nordhessen nur als Alternativroute berücksichtigt und Mittelhessen gar nicht. Inzwischen ist Nordhessen für das Kernnetz eingeplant, für Mittelhessen wird überlegt, die Region an das Verteilnetz anzubinden. Das ist ein Erfolg gemeinsamer politischer Arbeit: Unter Federführung der IHK Kassel-Marburg haben die Handwerkskammer Kassel, die angrenzenden IHKs, die Regionalmanagements Nord- und Mittelhessen sowie die Vereinigungen der hessischen Unternehmerverbände Nord- und Mittelhessen in Abstimmung mit dem Wirtschaftsministerium des Landes, dem Regierungspräsidium Kassel sowie der Deutschen Industrie- und Handelskammer sich dafür eingesetzt, Nord- und Mittelhessen in die Planungen des Wasserstoffnetzes zu integrieren.
Dr.-Ing.Tobias Heidrich
Teamleiter Energie | Umwelt | Industrie