Jens Thumser

#9 Wenn die Fetzen fliegen ...

Jens Thumser ist seit über 25 Jahren selbständiger Geschäftsführer im Bereich Handel und Dienstleistungen und seit fünf Jahren selbstständiger Coach und Mediator unter anderem  bei Unternehmensnachfolgen. Während einer Unternehmensnachfolge kann es zu Konflikten zwischen den Generationen kommen und in unserer heutigen Folge wird Thumser aufzeigen, wie Nachfolger und Übergeber mit Konflikten besser umgehen und diese lösen können.
Hallo, mein Name ist Miriam Postlep, gemeinsam mit meinen Kolleginnen und Kollegen der IHK Kassel-Marburg berate ich zum Thema der Unternehmensnachfolge.
Wunderschönen guten Morgen Herr Thumser und herzlich willkommen beim Podcast „Nachfolge ist Vertrauenssache“.
Frau Postlep, vielen Dank für die Einladung. Ich freue mich und hoffe, dass wir ein paar erhellende Hinweise geben können.
Die Gründe für Konflikte oder Unmut können bei dem Thema Unternehmensnachfolge vielfältig sein, es handelt sich ja in der Regel für beide Seiten sowohl für den Nachfolger als auch den Übergeber um ein doch durchaus hoch emotionales Thema, beispielsweise kann der Alt-Unternehmer nicht loslassen oder beide können sich nicht auf den Kaufpreis einigen. Was sind denn Ihrer Erfahrung nach häufig Gründe für Konflikte in der Unternehmensnachfolge?
Ganz allgemein kann man die Gründe in so zwei drei grundlegende Körbe unterteilen. Zum einen ist es so, dass die meisten Konflikte aus unterschiedlichen Interessen entstehen. Das ist auch nicht nur der bei Übergabe/Übernahme so, ganz allgemein zwischenmenschlich unterschiedliche Positionen führen zu konfliktären Begegnungen. In der Übergabe sind es dann obendrein auch noch Dinge wie unterschiedliche Ziele und Zielvorstellungen, die eine Rolle spielen. Man kann es auch mit unterschiedlichen Wünschen und Bedürfnissen beschreiben. Auch das lässt sich auf viele andere konfliktäre Situationen übertragen und sind im Kontext der Übergabe/Übernahme, aber natürlich noch mal ganz besonders besetzt und wie Sie schon eingangs gesagt haben, häufig spielt auch das Thema Emotionalität eine große Rolle und lässt den Konflikt dann manchmal auch schwierig greifbar machen.
Herr Thumser, nehmen wir mal an, gerade hörten Nachfolger oder Nachfolgerinnen diese Folge und fühlen sich nach dem hören dieser Folge ermutigt, einen bestehenden Konflikt anzusprechen oder vielleicht sogar selbst zu lösen, will er nochmal Anlauf nehmen. Was würden Sie denn den Nachfolgern empfehlen, gibt es bestimmte Herangehensweisen, Konfliktlösungsstrategien, die Sie empfehlen können oder sich anbieten?
Vor allem bietet sich an, das Gespräch zu suchen. Das ist manchmal gar nicht so einfach, je nachdem welche zusätzlichen Rollen außer Käufer/Verkäufer, Übergebende/Übernehmende, da noch eine Rolle spielen. Wie gesagt, im Hinblick insbesondere auf die familiäre Situation, und dann bin ich eben nicht nur Übernehmende oder Übernehmender, sondern dann bin ich auch noch Sohn oder Tochter oder Neffe oder Nichte.  Aber, wie gesagt, zurück zum Ausgangspunkt: Die Kommunikation zu suchen, ist der Schlüssel insgesamt.
Nur muss man sich darüber bewusst sein, dass die meisten, die jetzt vielleicht zuhören, sagen, ja das habe ich ja schon probiert, das hilft mir auch nicht weiter, dann ist meine Erfahrung, dass man es auch immer nur auf die Art und Weise probiert hat, wie man das eben davor die fünf oder 50 mal ausprobiert hat. Der Kernsatz, der mir dazu einfällt, ist:
Wenn sich was ändern muss, dann muss ich was ändern.
Also wenn ich mit der Methode, wenn ich mit den Strategien, die ich bislang verfolgt habe, um den Konflikt zu begegnen und zu lösen, um ins Gespräch zu kommen, nicht weitergekommen bin, da muss ich halt an der Methode etwas ändern. Ich stelle sehr oft fest, wenn es gelingt, dass Parteien zu mir kommen, ist einer der ersten Schritte. Also in der Phase Nummer eins, dass die jeweiligen Parteien ihren Standpunkt darstellen. Und wir haben es da mit der klassischen Wolfssprache zu tun. Wäre aus der gewaltfreien Kommunikation kommt, wird damit was anfangen können, Vorwurfs- Kommunikation ist der Fall „du du du“ und „das muss“ und „ich will“. Wenn erstmal, dieser Pfad des Zeigens auf den Anderen und des Schuldsuchens beim Anderen auch für Ursachen der Konflikte Verantwortlichkeit machen, bei dem anderen, wenn wir diesen diese Phase erfolgreich überspringen können, das gelingt auch außerhalb der Mediation mit den ganz klassischen Ich-Botschaften. Nicht zu verwechseln mit Egoismus und/oder Egozentrik eben, ich möchte, sondern mit der Ich-Botschaft, die klarmacht, was macht die Situation mit mir, mich ein Stück weit auch zu offenbaren, mich ein Stück weit dem Anderen gegenüber auch erkennbar zu machen. Ja, mit Wünschen und Bedürfnissen, sicher aber vielleicht auch mit Kränkungen, mit Verletzungen, mit unerfüllten Erwartungen und das transparent dem Anderen verständlich zu machen, aber eben nicht in Form einer Vorwurfs-Kommunikation, sondern in Form der Ich-Botschaften, die besser den Fokus auf das richten, wie man sich fühlt und was man möchte und was man sich von der Situation wünscht oder was die Situation vielleicht auch schlechtes mit einem macht.
Und es ist erstaunlich, wie gesagt, abgesehen von ein paar wenigen Menschen, die vielleicht aus anderen Präpositionen heraus dazu nicht in der Lage sind, wirkt dieser Kanal Wunder.
Und wär es auch gut, sich einen neutralen Ort dafür zu suchen, also vom Setting her, das eine ist ja, wie spreche ich etwas an. Ich überleg mir vorher, wie ich es vielleicht gut formulieren kann, warum z. B. das mit dem Kaufpreis jetzt nicht für mich passt   oder ich mir das anders vorgestellt habe, wäre es gut, die andere Partei dann auch ja sagen wir einfach in andere Räume einzuladen oder einen bestimmten Moment dann auch abzupassen.
Deswegen ist natürlich der Gang zum Mediator oder Mediatorin ideal, weil da haben wir schon den neutralen Boden, wenn es dazu noch nicht gleich kommen kann oder die Idee doch nicht aufkam, dann rate ich in Anlehnung an eine Professur, die wir hier auch in der Kasseler Uni kennengelernt haben, die „Spaziergangswissenschaften“, die hier gelehrt werden. Lucius Burckhardt hat das ja hier Kassel etabliert,
Man mag das etwas humorig finden, aber in Bezug auf die Frage, tatsächlich mobil zu sein, also außerhalb der vier Wände, außerhalb des/der gewohnten Plätze. Auch nicht irgendwie vielleicht vor mich in dem Café oder so zu machen, wo man sich jetzt nicht sicher ist, wie sich diese Situation möglicherweise entwickelt.
Bei einem Spaziergang bleiben wir in Bewegung, jeder hat die Möglichkeit, bei jedem Schritt die nötige Distanz oder Nähe zum Gegenüber zu wählen. Man schaut in die gleiche Richtung, das hat schon mal sehr viel Auswirkungen, auf das wie Körperhaltung und auch Geisteshaltung funktionieren.
Es gibt kein automatisches Gegenüber, ja, man sitzt sich automatisch wieder am Tisch gegenüber. Oder am Schreibtisch und jeder hat die Möglichkeit, zu jeder Sekunde die Situation zu verlassen. Ja, das spielt wieder an auf die Freiwilligkeit in der Mediation und da ist der Spaziergang das gemeinsame, vielleicht auch völlig ziellose Gehen, ein ganz wunderbarer Rahmen, um eben ein solches ins Gespräch kommen zu ermöglichen.
Sehr schön, dann vielen Dank, Herr Thumser, für das Interview und die vielen hilfreichen Tipps.
Vielen Dank und alles Gute an alle da draußen und für uns alle Zuversicht in diesen Tagen.
Wenn Sie mehr über das Thema Unternehmensnachfolge erfahren möchten, dann würde ich mich freuen, wenn Sie den Podcast abonnieren und uns eine Bewertung hinterlassen. Viele weitere Informationen finden Sie in den Shownotes und wenn Sie sonst noch konkrete Fragen haben oder Themenwünsche, dann freue ich mich über eine E-Mail an nachfolge@kassel.de. Bis zum nächsten Mal, wenn es heißt: Nachfolge ist Vertrauenssache. 
Wir würden uns freuen, wenn Sie bei dem nächsten Podcast wieder mit dabei sind, wenn es heißt: Nachfolge ist Vertrauenssache! 
Das gesamte Interview mit Jens Thumser können Sie in unserem Podcast hören.
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Miriam Postlep
Projektreferentin Unternehmensnachfolge | Projekt Nexxt Now