Unternehmensnachfolge - Rechte und Pflichten beim Betriebsübergang

Betriebsübergang

HINWEIS: Dieser Artikel soll – als Service Ihrer IHK Kassel-Marburg – nur erste Hinweise geben und erhebt daher keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Obwohl er mit größtmöglicher Sorgfalt erstellt wurde, kann eine Haftung für die inhaltliche Richtigkeit nicht übernommen werden.

Vorwort

Gleich, ob Übernahme oder Unternehmensverkauf, Ausgründung oder Outsourcing – rechtlich handelt es sich oft um einen Betriebsübergang, bei dem der Übernehmer insbesondere in die arbeitsrechtlichen Rechte und Pflichten des bisherigen Inhabers eintritt.
Liegt ein solcher Betriebsübergang vor, so hat der Unternehmer die damit verbundenen Auswirkungen auf die Arbeitsverhältnisse, Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen, das Haftungssystem und das Kündigungsrecht zu beachten.
Ein Betriebsübergang liegt vor, wenn infolge eines Übergangs des Betriebes oder Betriebsteils durch Rechtsgeschäft der Inhaber wechselt.

Betrieb und Unternehmen als wirtschaftliche Einheit

Es muss beim bisherigen Betriebsinhaber eine „organisierte Zusammenfassung von Ressourcen zur Verfolgung einer wirtschaftliche Haupt- oder Nebentätigkeit“ vorliegen und vom Erwerber als solche fortgeführt werden. Das bedeutet, dass, wenn nicht ohnehin ein ganzer funktionierender Betrieb übergeht, eine selbständig abtrennbare organisatorische Einheit vorliegen muss, die innerhalb eines betrieblichen Gesamtzwecks einen Teil- oder Hilfszweck verfolgt. Ein Betriebsteil kann eine Abteilung sein, eine Filiale, eine Geschäftsstelle oder auch eine bestimmte Funktion, selbst wenn diese nur von einer einzigen Person ausgeübt wird. Eine bloße Tätigkeitsnachfolge oder Funktionsnachfolge, etwa bei der Vergabe eines Gebäudereinigungsauftrages, ist allerdings nicht ausreichend.
Ob eine solche wirtschaftliche Einheit vorliegt, bestimmt sich nicht nach Einzelkriterien, sondern nach einer Gesamtbetrachtung des betroffenen Unternehmens. Der Europäische Gerichtshof hat hierzu einen 7-Punkte-Katalog aufgestellt, der hier herangezogen wird.
Es geht stets darum, ob der „eigentliche Kern des zur Wertschöpfung erforderlichen Funktionszusammenhangs“ erhalten bleibt. Bildlich gesprochen ist es entscheidend, ob sich der Erwerber „ins gemachte Nest setzt“. Dabei sind insbesondere folgende Teilaspekte zu bewerten, die abhängig von der Art der ausgeübten Tätigkeit und des Unternehmens unterschiedliches Gewicht besitzen können:

Art des Unternehmens oder Betriebes

Die Art des Unternehmens bestimmt in besonderem Maße darüber, welche weiteren Faktoren die „wirtschaftliche Einheit“ bestimmen:
Bei Handels- und Dienstleistungsbetrieben besteht das Betriebsvermögen in der Regel schwerpunktmäßig aus Rechtsbeziehungen. Bei ihnen sind deshalb die immateriellen Betriebsmittel von besonderer Bedeutung, daneben aber ggf. auch die Geschäftsräume und Geschäftslage, da sie für die Erhaltung des Kundenkreises wichtig sind.
Im Dienstleistungssektor sind häufig allein immaterielle Mittel prägend, also etwa bestehende Dienstleistungsverträge, Konzessionen, Kunden- und Interessentenkartei.
Im Einzelhandel wird die Erhaltung des Kundenkreises oftmals schon durch die Beibehaltung des Ladenlokals erreicht. Daneben ist die Beibehaltung eines ähnlichen Warensortiments bedeutsam.
Bei der Übernahme eines Warenlagers sind nicht allein die sächlichen Betriebsmittel ausschlaggebend, sondern die Art der Lagerhaltung und die Lagerordnung prägen die wirtschaftliche Einheit.

Übergang der materiellen Aktiva (wie Gebäude, bewegliche Güter)

Im produzierenden Gewerbe wird die wirtschaftliche Einheit stark durch materielle Güter geprägt. Wesentliche materielle Betriebsmittel sind Grundstücke, Gebäude, Maschinen, Anlagen, Hardware, Waren, Lagerbestände etc. Die Übertragung materieller Aktiva kann durch Veräußerung oder Nutzungsvereinbarungen jeder Art geschehen (z.B. Pacht, Miete, Nießbrauch). Das frühere Kriterium der „eigenwirtschaftlichen Nutzung“ ist allerdings nicht mehr notwendig.

Wert der immateriellen Aktiva

Gerade Dienstleistungsbetriebe leben in der Regel von dem durch die bisherigen Leistungen erworbenen guten Namen. Wesentliche immaterielle Betriebsmittel sind „Know-how“ (also in der Regel die Fachkunde der Arbeitnehmer), Arbeitsorganisation, Betriebsmethoden, Fertigungsverfahren, Geschäftsbeziehungen, Fertigungslizenzen, Patente, Name, Software etc. Vor allem die Übertragung von Patent- und Gebrauchsmusterrechten, Schutzrechten und Lizenzen ist ein Indiz für einen Betriebsübergang.

Übernahme von Arbeitnehmern

Auch der Übergang eines nach Anzahl und Sachkunde wesentlichen Teils des Personals kann einen Betriebsübergang darstellen. Eine wirtschaftliche Einheit liegt vor allem dann vor, wenn eine Gesamtheit von Arbeitnehmern übernommen wird, die durch eine gemeinsame Tätigkeit dauerhaft verbunden ist. Bei einfachen Dienstleistungen ohne bedeutenden Einsatz von Betriebsmitteln (z. B. Gebäudereinigung) ist in der Regel die Übernahme der Hauptbelegschaft und einer damit verbundenen Arbeitsorganisation entscheidend. Ist ein Betrieb in erster Linie durch Spezialwissen und Qualifikation einiger Arbeitnehmer geprägt, kann es ausreichen, dass solche Arbeitnehmer übernommen werden, die wegen ihrer Sachkunde einen wesentlichen Teil der Belegschaft ausmachen.

Übernahme der Kundschaft

Die „Übernahme“ von Kundschaft kann in erster Linie durch Übertragung einer Kundenkartei oder Übergang einer Vertriebsberechtigung für eine bestimmte Region erfolgen. Im übrigen ist der Übergang der Kundschaft nur indirekte Folge anderer Übernahmefaktoren, etwa bei Durchführung einer ähnlichen Tätigkeit am gleichen Ort oder in unmittelbarer Nähe.
Eine Besonderheit stellt das „Outsourcing“ dar. Kunde des ausgelagerten Dienstleisters ist hierbei das auslagernde Unternehmen, so dass beim Wechsel des externen Dienstleisters die Kundschaft bestehen bleibt.

Ähnlichkeit der Tätigkeit vor und nach dem Übergang

Der Betriebsübergang kann sich daraus ergeben, dass dieselbe oder eine gleichartige Tätigkeit tatsächlich weitergeführt oder wieder aufgenommen wird. Wenn der neue Betreiber aber ein völlig anderes Konzept verfolgt, liegt auch bei Übernahme materieller und immaterieller Betriebsmittel in der Regel kein Betriebsübergang vor. Wenn also der neue Betriebsinhaber statt industriell gefertigter Massenware nunmehr maßgefertigte Einzelstücke anbietet, liegt kein Betriebsübergang vor. Auch die bloße Übernahme einer Tätigkeit, etwa bei neuer Auftragsvergabe an einen anderen Betriebsinhaber, stellt für sich genommen noch keinen Betriebsübergang dar.

Dauer einer evtl. Unterbrechung der Tätigkeit

Stellt der frühere Betriebsinhaber die betriebliche Tätigkeit ein und nimmt ein neuer Betriebsinhaber sie später wieder auf, kommt es für das Vorliegen einer wirtschaftlichen Einheit – auch - auf die Dauer der Unterbrechung an. Ist die Unterbrechung länger als 7 Monate, also die längste gesetzliche Kündigungsfrist nach § 622 Abs. 2 BGB, besteht ein Indiz für eine Betriebsstilllegung mit anschließender Neuaufnahme, also keinen Betriebsübergang. Entscheidend ist aber, ob die Unterbrechung der Geschäftstätigkeit dazu führt, dass eine bestehende, funktionsfähige wirtschaftliche Einheit „zerschlagen“ wird, also ein möglicher Nachfolger nicht mehr vom Bestehenden profitieren kann.

Wechsel des Inhabers

Der Betriebsübergang tritt mit dem Wechsel der Person des Betriebsinhabers ein. Betriebsinhaber ist derjenige, der den Betrieb in eigenem Namen (in der Regel, aber nicht zwingend auch auf eigene Rechnung) führt. Der bisherige Inhaber muss seine wirtschaftliche Betätigung in dem Betrieb einstellen, der Erwerber sie übernehmen. Einer besonderen Übertragung der Leistungsmacht bedarf es daneben nicht.
Ein solcher Wechsel kann auch darin liegen, dass sich die Rechtspersönlichkeit des Inhabers ändert. Ein reiner Wechsel der Rechtsform (nach §§ 190 ff. UmwG) ist hierzu allerdings nicht ausreichend, weil das Rechtssubjekt in diesem Fall erhalten bleibt.
Die bloße Übernahme von Gesellschaftsanteilen (sog. share deal) führt nicht zu einem Betriebsübergang, weil der Arbeitgeber unverändert bleibt und sich allein dessen Eigentumsverhältnisse ändern. Es handelt sich also um einen bloßen Gesellschafterwechsel, bei dem die Gesellschaft als Betriebsinhaber bestehen bleibt. Dies gilt nach neuerer Rechtsprechung auch für einen Gesellschafterwechsel einer GbR, da deren Rechtsfähigkeit nunmehr anerkannt ist und demnach die Verträge mit der GbR und nicht nur mit den Gesellschaftern bestehen. Der neue Inhaber muss den Betrieb(steil) im eigenen Namen bzw. eigener Inhaberschaft tatsächlich fortführen. Die bloße Fortführungsmöglichkeit reicht nicht aus.

Übergang durch Rechtsgeschäft

Die Übertragung muss durch Rechtsgeschäft erfolgen. Davon umfasst werden alle Fälle der Fortführung im Rahmen vertraglicher oder sonstiger rechtsgeschäftlicher Beziehungen (z. B. Kauf, Schenkung, Verpachtung des Betriebs, Pächterwechsel, Verschmelzung und Spaltung von Unternehmen). Auch bei einer Verschmelzung, Spaltung oder Vermögensübertragung nach dem Umwandlungsgesetz (§ 324 UmwG) liegt eine rechtsgeschäftliche Übertragung vor, wenn wenigstens eine rechtsgeschäftliche Grundlage (Spaltungs- oder Verschmelzungsvertrag) vorliegt. Ausgeschlossen ist nur der Übergang durch die sog. Gesamtrechts-nachfolge (z. B. Erbfall) und durch Hoheitsakte. Ein Rechtsgeschäft muss nicht zwischen bisherigem Betriebsinhaber und dem Erwerber vorliegen. Es ist ausreichend, wenn irgendein Rechtsgeschäft zum Übergang führt, also etwa ein Pachtvertrag zuerst zwischen dem Verpächter und dem alten Betriebsinhaber vorlag und anschließend ein Pachtvertrag mit dem neuen Betriebsinhaber geschlossen wird.

Widerspruch des Arbeitnehmers

Der Arbeitnehmer kann ohne Angabe von Gründen dem Betriebsübergang widersprechen.
Der Widerspruch muss schriftlich, d. h. eigenhändig unterschrieben, und innerhalb eines Monats nach Zugang der Unterrichtung dem bisherigen oder dem neuen Arbeitgeber gegenüber erklärt werden. Eine Begründung des Widerspruchs ist nicht erforderlich. Nach einem Widerspruch besteht das Arbeitsverhältnis bei dem früheren Betriebsinhaber weiter. Ist die bisherige Beschäftigungsmöglichkeit dort infolge des Betriebsübergangs entfallen, kann betriebsbedingt gekündigt werden, wenn keine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit im Unternehmen besteht.
Ein Verzicht des Arbeitnehmers auf das Widerspruchsrecht ist möglich. Ein wirksamer Verzicht muss im Einzelfall anlässlich eines konkreten Betriebsübergangs erklärt werden (keine abstrakte Regelung im Voraus im Arbeitsvertrag), setzt eine ordnungsgemäße Unterrichtung durch den Arbeitgeber voraus (s. u.) und muss ausdrücklich erfolgen.

Auswirkungen auf die Arbeitsverhältnisse

Der neue Betriebsinhaber tritt in alle Rechte und Pflichten aus dem im Zeitpunkt des Betriebsübergangs bestehenden Arbeitsverhältnis bzw. Ausbildungsverhältnis ein. Der Betriebsübergang bewirkt also automatisch einen Arbeitgeberwechsel. Die Verträge gehen in dem Zustand über in dem Sie sich im Zeitpunkt des Betriebsübergangsbefinden.
Dies bedeutet:
Löhne und Gehälter, Gratifikationen und andere Sonderleistungen, Arbeitgeberdarlehen (abhängig vom Einzelfall), erdiente Versorgungsanwartschaften, bindende betriebliche Übungen, Urlaubs- und Entgeltfortzahlungspflichten und vereinbarte nachvertragliche Wettbewerbsverbote gelten fort, vom Veräußerer erteilte Nebentätigkeitsgenehmigungen und Abmahnungen bleiben wirksam, die Dauer der bisherigen Betriebszugehörigkeit zählt bei der Berechnung von Wartezeiten (z. B. zur Berechnung der Kündigungsfristen) etc. mit.
Die bei ihm fortgeltenden Regelungen im Arbeitsvertrag kann der Erwerber nur im Einvernehmen mit dem Arbeitnehmer ändern. Bei der Änderung gilt aber eine Sperrfrist von einem Jahr.
Die bedeutet aber nicht, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer mindestens ein Jahr weiter-beschäftigen muss. Liegen die Voraussetzungen für eine Kündigung vor darf eine Kündigung erfolgen. War ein Arbeitsvertrag befristet läuft dieser aus, wenn die Befristung wirksam war. 

Kündigungsverbot

Eine Kündigung durch den bisherigen Inhaber oder den neuen Arbeitgeber wegen des Übergangs eines Betriebes oder Betriebsteils ist unwirksam (§ 613 a Abs. 4 BGB). Eine Kündigung erfolgt wegen des Betriebsübergangs, wenn dieser der tragende Grund und nicht nur der äußere Anlass für die Kündigung ist.
Gibt es hingegen neben dem Betriebsübergang einen anderen Grund, der aus sich heraus die Kündigung rechtfertigt, ist eine Kündigung möglich.
Steht der Betriebsübergang erst bevor, so greift das Kündigungsverbot nur, wenn die den Betriebsübergang begründenden Tatsachen im Zeitpunkt des Kündigungsvorgangs bereits feststehen oder zumindest greifbare Formen angenommen haben. Dabei ist immer auf die Verhältnisse bei Ausspruch der Kündigung abzustellen.
Das Kündigungsverbot umfasst sowohl die ordentliche und außerordentliche Beendigungskündigung als auch die Änderungskündigung jeweils wegen des Betriebsübergangs. Kündigungen aus verhaltensbedingten, personenbedingten oder sonstigen betriebsbedingten Gründen sind weiterhin möglich.
Obwohl es bei der Beurteilung auf die objektive Rechtslage ankommt, wird der deutlichen Benennung des Kündigungsgrundes durch den Arbeitgeber (z. B. im Kündigungsschreiben) erhebliche Indizwirkung beigemessen.
Achtung: Die Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch Abschluss eines Aufhebungsvertrages mit dem Veräußerer oder Erwerber ist möglich, wenn die Vereinbarung auf das endgültige Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Betrieb gerichtet ist. Wird aber zugleich ein neues Arbeitsverhältnis zum Betriebsübernehmer vereinbart oder zumindest verbindlich in Aussicht gestellt, ist der Aufhebungsvertrag wegen Umgehung des Kündigungsverbotes nichtig.

Weitergeltung von Betriebsvereinbarungen und Tarifverträgen

Arbeitsbedingungen werden oft durch Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen geregelt. Beim Betriebsübergang sollen solche Arbeitsbedingungen nicht vollständig entfallen, daher ordnet § 613 Abs. 1 S. 2-4 BGB an, dass diese Regelungen als „Inhalt des Arbeitsverhältnisses" weitergelten sollen, wenn diese Regelungen nicht aus anderem Grund weitergelten oder durch „gleichwertige Regelungen“ ersetzt werden. Allerdings kann an dieser Stelle nur ein grober Überblick über Konstellationen gegeben werden, da die Auswirkungen einen Betriebsübergangs für die Geltung von Tarifverträgen höchst unterschiedliche Auswirkungen im einzelnen Arbeitsverhältnis haben kann.
Allgemeines zu Geltung von Tarifverträge
Bei Tarifverträgen ist stets danach zu Fragen, ob und auch welcher Grundlage eine Tarifvertrag im Arbeitsverhältnis galt. Wenn der Tarifvertrag galt, weil Arbeitgeber und Arbeitnehmer durch Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband und Gewerkschaft an ihn gebunden waren, kann der Tarifvertrag aufgrund dieser Mitgliedschaft weitergelten.
Beispiel: Die Gewerkschaft des Arbeitnehmers hat mit Arbeitgeberverbänden den Tarifvertrag T abgeschlossen. Der frühere Arbeitgeber war Mitglied eines solchen Arbeitgeberverbandes der neue Arbeitgeber ist es auch. Für das Arbeitsverhältnis gilt der Tarifvertrag T weiter.
Ferner kann es sein, dass bei entsprechenden Mitgliedschaften ein anderer Tarifvertrag für den Arbeitnehmer eingreift.
Beispiel zur Ersetzung durch einen anderen Tarifvertrag bei kongruenter Bindung:
Die Gewerkschaft des Arbeitnehmers hat mit dem Arbeitgeberverband des alten Arbeitgebers den Tarifvertrag T abgeschlossen. Mit dem Arbeitgeberverband des neuen Arbeitgebers hatte Sie den Tarifvertrag Z geschlossen. Im Arbeitsverhältnis gilt künftig der Tarifvertrag Z, nicht mehr der Tarifvertrag T.
Wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht durch Mitgliedschaft an Tarifverträge gebunden werden, kann die Geltung eines Tarifvertrages auch durch Allgemeinverbindlichkeit begründet werden.
Besteht nach dem Betriebsübergang keine kongruente Mitgliedschaft und daher auch keine Bindung an den Tarifvertrag, gelten die Tarifverträge nur noch nach der Regelung des § 613a Abs. 1 S. 2-4 BGB weiter, sie werden „transformiert“.
Beispiel: Die Gewerkschaft des Arbeitnehmers hat mit Arbeitgeberverbänden den nicht allgemeinverbindlichen Tarifvertrag T abgeschlossen. Der frühere Arbeitgeber war Mitglied eines solchen Arbeitgeberverbandes der neue Arbeitgeber ist kein Mitglied eines Arbeitgeberverbandes und hat auch keinen Haustarifvertrag mit der Gewerkschaft abgeschlossen.
War ein Arbeitnehmer nie Mitglied einer Gewerkschaft kann der alte Arbeitgeber dennoch die Tarifverträge angewendet haben, wenn er dies durch einen sog. Bezugnahmeklausel im Arbeitsvertrag vereinbart hatte. Tarifverträge sind dann Teil des Arbeitsvertrages. In diesem Fall greift § 613a Abs. 1 S. 2-4 BGB nicht.
Beispiel: Der frühere Arbeitgeber war Mitglied eines solchen Arbeitgeberverbandes der den Tarifvertrag T anwendet. Der Arbeitnehmer war aber nicht Mitglied der Gewerkschaft, die diesen Vertrag abgeschlossen hatte. Arbeitgeber und Arbeitnehmer haben im Vertrag aber vereinbart, dass der Tarifvertrag T angewendet werden soll. Diese Klausel ist eine echte Arbeitsvertragliche Vereinbarung, die nur durch Änderungskündigung oder durch Änderungsvertrag geändert werden kann.
HINWEIS: Eine solche Bezugnahme in Arbeitsvertrag kann auch vorliegen und ist wirksam, wenn der Arbeitnehmer Mitglied der Gewerkschaft oder einer anderen Gewerkschaft ist.
Allgemeines zur Geltung von Betriebsvereinbarungen
Betriebsvereinbarungen gelten als Betriebsvereinbarungen fort, wenn der Betrieb seine Identität wahrt. Beim Übergang eines gesamten Betriebes bleibt der bisherige Betriebsrat im Amt, der Erwerber wird Betriebspartner des Betriebsrates. Beim Übergang von Betriebsteilen nimmt der bisherige Betriebsrat ein Übergangsmandat wahr, bis im neuen Betrieb ein Betriebsrat gewählt wird, vgl. § 21a Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG).
Gelten beim Erwerber bereits eine andere Betriebsvereinbarung mit ähnlichen Regelungsinhalten, gilt die Betriebsvereinbarung des Erwerbers.
Beispiel: Der Unternehmer hatte bereits einen Betrieb in dem er eine Betriebsvereinbarung zum Betriebsurlaub im Sommer abgeschlossen hatte. Den übernommenen Betrieb, in eine Betriebsvereinbarungen Betriebsurlaub im Frühjahr geregelt war, wird in den betrieb des Unternehmers eingegliedert. Künftig gilt die Betriebsvereinbarungen mit dem Betriebsurlaub im Sommer auch für den übernommen Betrieb
Verliert der Betrieb seine Identität und bestehen beim neuen Arbeitgeber keine Betriebsvereinbarungen mit gleichem Regelungsbereich, gelten die Betriebsvereinbarungen gem. § 613a Abs. 2 S. 2-4 BGB weiter, sie werden „transformiert“.
„Transformation“ von Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen
Wenn Tarifverträge oder Betriebsvereinbarung nicht wie oben beschrieben kollektiv weitergelten oder durch einen gleichartigen Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung abgelöst werden, werden sie „transformiert“ und „Inhalt des Arbeitsverhältnisses“.
Die Transformation greift aber zudem nur ein, wenn die Regelungen bisher für die jeweiligen Arbeitnehmer galten. Tarifvertragsregelungen gehen also grundsätzlich nicht auf Nichtgewerkschaftsmitglieder über (Ausnahmen: 1. betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Normen. 2. Bei einer Arbeitsvertraglichen Bezugnahme ist der Tarifvertrag des Arbeitsverhältnisses).
Transformierte Regelungen eines Tarifvertrages oder einer Betriebsvereinbarung werden bei dieser Form der Weitergeltung zwar „Inhalt“ der jeweiligen Arbeitsverhältnisse, jedoch behalten sie ihren Charakter als kollektivrechtliche Normen. Das bedeutet u. a., dass einzelvertragliche Regelungen, die für den Arbeitnehmer günstiger sind, die transformierten Normen verdrängen („Günstigkeitsprinzip“).
Andererseits können die „transformierten“ Regelungen nach Ablauf der Sperrfrist wieder durch einen Tarifvertrag oder eine Betriebsvereinbarungen geändert werden. Eine Änderungskündigung ist dann nicht erforderlich.
Schutzfrist für transformierte Regelungen
Die in den jeweiligen Arbeitsverhältnissen durch „Transformation fortgeltende“ Regelungen dürfen nicht vor Ablauf eines Jahres nach dem Zeitpunkt des Übergangs zum Nachteil des Arbeitnehmers abgeändert werden.
Die Schutzfrist gilt jedoch nicht, wenn der Tarifvertrag oder die Betriebsvereinbarung nicht mehr (zwingend) gilt. Zu Fragen ist also, ob der früher beim alten Arbeitgeber geltende Tarifvertrag oder die Betriebsvereinbarung beendet wurde. Hier ist noch nicht abschließend geklärt, auf welche Sichtweise abzustellen ist (e. A. BAG Urteil vom 22. April 2009, Az.: 4 AZR 100/09 (hypothetische Betriebsfortführung durch Veräußerer), a. A. Preis, in: Erfurter Kommentar, § 613a BGB Rn 121 (Entfall der normativ zwingenden Wirkung erst beim Erwerber).
Dies kann in folgenden Konstellationen eintreten:
  • bei befristeten Tarifvertrag oder die Betriebsvereinbarung nach Fristablauf
  • bei Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung werden von den jeweiligen Parteien der Regelungen aufgehoben
  • bei gekündigten Tarifvertrag oder die Betriebsvereinbarung nach Ablauf der Kündigungsfrist
  • bei Tarifverträgen oder die Betriebsvereinbarung die in das Nachwirkungsstadium treten.
Wie kann der Erwerber die „miterworbenen“ Regelungen also ändern?
Änderungen zugunsten des Arbeitnehmers sind jederzeit möglich.
Aufgrund Betriebsübergangs weiter geltende (transformierte) Normen können durch Abschluss eines Tarifvertrags oder einer Betriebsvereinbarung „geändert“ werden, die die sonst miterworbenen Rechte und Pflichten regelt („derselbe Regelungsgegenstand“).
Gilt ein neu abgeschlossener oder anderer Tarifvertrag sowohl für Arbeitgeber und für Arbeitnehmer werden die transformierten Regelungen abgelöst. Der Arbeitgeber kann mit einer Gewerkschaft einen Tarifvertrag abschließen oder durch den Beitritt zu einem Arbeitgeberverband seine Bindung herbeiführen. Für die Ablösung ist dann erforderlich dass der Arbeitnehmer Mitglied der Gewerkschaft ist oder dieser Gewerkschaft beitritt. Mit Arbeitnehmer die nicht Mitglied der Gewerkschaft sind oder werden wollen, kann der Arbeitgeber eine Abrede treffen, dass dieser Tarifvertrag angewendet werden soll, auch dann werden die transformierten Regelungen abgelöst.
Die transformierten Betriebsvereinbarungen können dadurch abgelöst werden, dass eine neue Betriebsvereinbarung mit einem Betriebsrat ausgehandelt wird.
Ob ein transformierter Tarifvertrag von einer Betriebsvereinbarung oder eine transformierte Betriebsvereinbarung durch einen Tarifvertrag abgelöst werden kann ist noch nicht abschließend geklärt.
Nach Ablauf des Sperrjahres oder wenn dieses Sperrjahr nicht mehr gilt können die transformierten Regelungen gebunden, durch Änderungsverträge oder Änderungskündigungen geändert werden.

Haftung für Verbindlichkeiten

Der Erwerber haftet grundsätzlich für alle im Zeitpunkt des Betriebsübergangs bestehenden Verbindlichkeiten des Veräußerers aus dem Arbeitsverhältnis. Der Veräußerer haftet jedoch kraft Gesetzes als Gesamtschuldner neben dem Erwerber für solche Verpflichtungen, die vor dem Betriebsübergang entstanden und fällig geworden sind, die vor dem Betriebsübergang entstanden und spätestens ein Jahr danach fällig geworden sind.

Informationspflicht des Arbeitgebers

Erwerber und Veräußerer sind verpflichtet, jeden betroffenen Arbeitnehmer schriftlich zu informieren über den schon feststehenden oder geplanten Zeitpunkt des Übergangs den Grund des Übergangs über die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen für die Arbeitnehmer über die für die Betroffenen vorgesehenen Maßnahmen (z. B. Weiterbildungsmaßnahmen, wenn Produktionsumstellungen geplant sind).
Die Unterrichtung muss den Arbeitnehmern in Textform, also als Schriftstück, ausgehändigt werden. Eine eigenhändige Unterschrift ist nicht erforderlich, so dass auch eine Kopie, ein Telefax oder eine E-Mail genügen.
Achtung: Die ordnungsgemäße Unterrichtung ist von wesentlicher Bedeutung, da bei fehlerhafter Information die Widerspruchsfrist nicht zu laufen beginnt, so dass bei der Unterrichtung höchst sorgfältig vorgegangen werden muss.

Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates

Maßnahmen im Zuge eines Betriebsübergangs können nach dem BetrVG mitbestimmungspflichtig sein:
  • Bei Beendigungs- oder Änderungskündigungen ist der Betriebsrat des kündigenden Betriebes anzuhören (§ 102 BetrVG).
  • Bei Versetzungen im Zuge des Übergangs bestehen Mitbestimmungspflichten (§ 99 Abs. 3 BetrVG)
  • Es bestehen Informationsrechte des Wirtschaftsausschusses beim Veräußerer und beim Erwerber (§ 106 Abs. 2 Nr. 1, 8, 9, 10, BetrVG)
  • Betriebsübergänge, die mit Umstrukturierungen, Rationalisierungen und Ausgliede-rungen verbunden sind, können mitbestimmungspflichtige Betriebsänderungen darstellen (§§ 111 ff. BetrVG).
  • Der Übergang des Arbeitsverhältnisses auf den neuen Inhaber ist keine Einstellung, die nach § 99 BetrVG mitbestimmungspflichtig wäre.
Stand: Januar 2017