Zukunft der Energieversorgung

Drei Grad wärmer

War der Winter wirklich so schlimm? Groß waren im Herbst die Ängste vor einer Energiekrise. Das Fehlen des russischen Erdgases und die hohe Nachfrage in der Post-Pandemie-Zeit hatten enorme Versorgungsengpässe erwarten lassen. Die Gefahr eines europaweiten Blackouts drohte. Ein gutes halbes Jahr später gibt es vorübergehend Entwarnung. Wir sind zwar glimpflich davongekommen, doch lag der Grund dafür primär in einem ungewöhnlich milden Winter. Trotzdem hatte die Wirtschaft Produktionsrückgänge zu verzeichnen, die sich in der Zukunft als dramatisch erweisen könnten. Die Speicher werden wahrscheinlich zum Herbst hin wieder gefüllt sein. Sollte der kommende Winter jedoch kalt werden, so ist nach einer aktuellen Studie von INES (Zusammenschluss deutscher Speicherbetreiber) zu erwarten, dass die Speicher bereits im Januar vollständig entleert sind. Wie IHK-Präsident Wolfgang Grenke erklärt, können wir nicht von Winter zu Winter hoffen, dass er mild ausfällt. „Wir brauchen witterungsunabhängige Maßnahmen, insbesondere einen schnellen Ausbau der Energie-Infrastruktur.“
„Was können wir tun? Wir können nicht von Winter zu Winter hoffen, dass er mild ausfällt, bzw. Angst vor jedem kommenden Winter haben. Wir brauchen witterungsunabhängige Maßnahmen, insbesondere einen schnellen Ausbau der Energie-Infrastruktur.“ IHK-Präsident Wolfgang Grenke

IHK ermittelt Wasserstoffbedarf

Grüner Wasserstoff kann einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz leisten: als Kraftstoff für Fahrzeuge, Rohstoff für die Industrie oder Brennstoff für Heizungen. Zudem kann er helfen, unabhängiger von fossilen Rohstoffen zu werden. In einer konzertierten Aktion mit den relevanten Akteuren des Landes, zu denen auch die IHKs gehören, bringt das Ministerium für Umwelt, Klimaschutz und Energiewirtschaft eine neue Wasserstoff-Bedarfsanalyse auf den Weg. 
„Wasserstoff ist ein zentraler Baustein für die Energiewende und den Klimaschutz“, betonte Energieministerin Thekla Walker. „Wir wissen, dass der Wasserstoffbedarf in Baden-Württemberg bereits 2030 deutlich höher sein wird als bisher angenommen. Wir brauchen aktuelle und verlässliche Zahlen der verschiedenen Branchen. Das ist für den Ausbau und die Umstellung der Wasserstoff-Infrastruktur essentiell“, Dr. Jan Stefan Roell, Vizepräsident des Baden-Württembergischen Industrie- und Handelskammertages (BWIHK) und Sprecher der BWIHK Task Force Wasserstoff, eröffnete in Ulm den Kick-Off der landesweiten Kampagne: „Das Gelingen der Energiewende im Land ist kein Selbstläufer – das sehen wir ja täglich bei allen Maßnahmen, deren Ausbau schon im Gange ist. Deshalb ermutige ich alle Unternehmen in Baden-Württemberg, sich intensiv mit dem Energieträger Wasserstoff zu beschäftigen und ihre eigenen Bedarfe im Rahmen dieser wichtigen Kampagne zu melden. Mit diesen Zahlen wird das Land in die Lage versetzt, nötige Infrastrukturen bedarfsgerecht auf- und auszubauen.“ 

Veranstaltung in der IHK Karlsruhe zur Bedarfsabfrage

Gemeinsam mit der Plattform H2BW, dem Fernleitungsnetzbetreiber terranets bw, dem Baden-Württembergischen Industrie- und Handelskammertag und weiteren Verbänden startet das Land deshalb nun drei abgestimmte Prozesse: eine Kommunikations-Kampagne mit zahlreichen Informationsveranstaltungen vor Ort in Zusammenarbeit mit den regionalen Industrie- und Handelskammern; eine gezielte Bedarfserhebung; sowie eine wissenschaftliche Analyse durch das Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg ZSW mit dem Ziel, zu einem vollständigeren und klareren Bild der Bedarfsentwicklung zu kommen. Auch die IHK Karlsruhe beteiligt sich an der Wasserstoff-Kampagne des Landes und der begleitenden Bedarfsumfrage. Ende Mail wurde in einer Veranstaltung im IHK Haus der Wirtschaft der Bedarf der regionalen Unternehmen abgefragt. 
IHK-Präsident Wolfgang Grenke erklärte zu den gemeinsamen Anstrengungen: „Unsere Region ist bei der aktuellen Planung ziemlich abgehängt. Wir müssen versuchen, das zu verändern. Wir sehen uns nicht optimal aufgestellt. Wir sind Industriestandort und brauchen eine optimale durchgängige Versorgung entlang der Rheinschiene. Wir ermitteln zunächst den Bedarf unserer Unternehmen, bevor wir unsere Forderungen nach Nachbesserung des Netzentwicklungsplans weiterreichen. Wir brauchen eine Alternative bevor wir die Kohlekraftwerke abschalten können.“ IHK-Energiereferent Ilja Lifschiz ergänzt: „Das Thema betrifft uns schon morgen. Dann ist es relativ unvorteilhaft, wenn wir Unternehmen vor Ort haben, die sich auf dem Transformationsprozess befinden, aber keine technischen Möglichkeiten haben, ihn auch durchzuführen.“
Im Zentrum der Kampagne steht die gezielte Bedarfserhebung mit Hilfe eines Online-Fragebogens, der beworben wird und allen Unternehmen offensteht. Die Auswertung des Fragebogens soll unter anderem auch Hinweise darauf geben können, wie Wasserstoff verteilt werden muss und wo eine Wasserstofferzeugung im Land selbst forciert werden sollte. 
Wasserstoff macht laut Prognose im Jahr 2040 rund 15 Prozent des Endenergieverbrauchs in Baden-Württemberg aus (bei Annahme: 197 Terrawattstunden Endenergieverbrauch in BW, davon 30 TWh Wasserstoffbedarf). Der größte Wasserstoffbedarf fällt im Energiesektor an. Zur Deckung des Bedarfs sind erhebliche Importkapazitäten und eine leitungsgebundene Infrastruktur (Pipelines) notwendig, denn Baden-Württemberg wird nur zu einem geringeren Anteil selbst grünen Wasserstoff mittels Elektrolyse erzeugen können. 
Das DIHK-Positionspapier „Perspektiven für die Energieversorgung 2030 in Deutschland“ wurde auch von der Vollversammlung der IHK Karlsruhe verabschiedet. Über allem steht eine dringend notwendige Reduzierung bürokratischer Vorgaben. Gefordert werden außerdem ein beschleunigter Ausbau der erneuerbaren Energien, wettbewerbsfähige Energiekosten und ein rascherer Ausbau der Infrastruktur. 

Das DIHK-Positionspapier „Perspektiven für die Energieversorgung 2030 in Deutschland“.