Neues zum Fachkräfteeinwanderungsgesetz

Lange wurde darüber gesprochen, nun wird er zunehmend spürbar: der Fachkräftemangel in Deutschland ist nahezu allgegenwärtig. Egal in welchem Bereich, es fehlt an gut ausgebildetem Personal. Für viele Unternehmen ist er eine der größten Herausforderungen. Die Lösungsansätze sind vielfältig. So ist beispielsweise das Interesse an internationalen Fachkräften groß. Seit dem 1. März 2020 können Fachkräfte für Deutschland über das Fachkräfteeinwanderungsgesetz gewonnen werden. Damit wird erstmals eine allgemeine Einwanderung von ausländischen qualifizierten Facharbeitern aus der Nicht-EU geregelt. 
Vier Fragen an Ass. Jur. Eberhard Hofäcker, IHK-Referent Recht  mit den Schwerpunkten Arbeitsrecht und Gewerberecht steht Rede und Antwort zu den wichtigsten Punkten des Fachkräfteeinwanderungsgesetztes.

Welche Ziele verfolgt das Fachkräfteeinwanderungsgesetz?

Der demographische Wandel hin zu einer älteren Gesellschaftsstruktur in Deutschland ist eine Ursache für den gegenwärtigen und sich absehbar verschärfenden Fachkräftemangel und gilt als eines der größten Risiken für unser Sozialsystem und unsere Wirtschaft. Die Arbeitskräfte innerhalb Europas konnten den Fachkräftebedarf hierzulande nicht decken, trotz der innerhalb der EU geltenden Arbeitnehmerfreizügigkeit. Alle zur EU und EWG gehörenden Staaten sind mehr oder weniger ebenfalls von der demographischen Alterung betroffen. 
Vor diesem Hintergrund kann der Fachkräftebedarf in Deutschland kurzfristig und bei gleichbleibender Geburtenrate auch längerfristig nur aus bevölkerungsreichen Drittstaaten, also Staaten, die nicht zur EU oder der EWG gehören, gedeckt werden. Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz verfolgt demzufolge ausdrücklich das Ziel der Sicherung der Fachkräftebasis und der Stärkung der Sozialsysteme.
Mit der Anforderung an die berufliche Qualifikation und des konkreten Arbeitsplatzangebots oder der Anforderung an die finanzielle Absicherung bei der zeitlich auf sechs Monate begrenzt möglichen Arbeitsplatzsuche in Deutschland soll durch das Fachkräfteeinwanderungsgesetz verhindert werden, dass Personen aus dem Ausland nicht in die Sozialsysteme einwandern, sondern aus eigener Kraft ihren Lebensunterhalt in Deutschland bestreiten können. 
Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz triff keine Regelungen zur Einreise aus humanitären Gründen. Diese Gründe der Einreise nach Deutschland regeln andere gesetzliche Bestimmungen. 

Welchen Personen räumt das Fachkräfteeinwanderungsgesetz ein Aufenthaltsrecht in Deutschland zur Erwerbstätigkeit ein?

Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz, das seit dem 1. März 2020 gilt, ermöglicht es jeder drittstaatsangehörigen Person nach Deutschland zur zeitlich begrenzten Arbeitsplatz- und Ausbildungssuche oder Arbeits- und Ausbildungsaufnahme einzureisen. Grundlegende Voraussetzung für die Einreise als Fachkraft ist aber, dass diese Person über eine deutsche Berufsausbildung oder einen deutschen bzw. in Deutschland anerkannten Hochschulabschluss oder eine im Vergleich zur deutschen Berufsqualifikation gleichwertige ausländische berufliche Qualifikation verfügt und in diesem Beruf in Deutschland tätig werden will oder tätig wird. 
Wird die im Ausland erworbene berufliche Qualifikation in Deutschland nicht als gleichwertig anerkannt, kann gleichwohl die Möglichkeit bestehen, die vollständige Anerkennung über eine Nachqualifizierung in Deutschland zu erreichen.
Ist eine drittstaatsangehörige Person über einen längeren Zeitraum legal und sozialbeitragspflichtig beschäftigt, kann sie spätestens nach vier Jahren eine (dauerhafte) Niederlassungserlaubnis beantragen, wenn sie über ausreichende Deutschkenntnisse verfügt.

In welchen Bereichen bietet das Fachkräfteeinwanderungsgesetz keine Lösungen zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit?

Für Arbeitskräfte ohne berufliche Qualifikation bietet das Fachkräfteeinwanderungsgesetz keine Möglichkeit nach Deutschland einzureisen. 
Eine Ausnahme von diesem Grundsatz bilden IT-Spezialistinnen und -Spezialisten, die nachweislich in den letzten sieben Jahren mindestens über drei Jahre Berufserfahrung erworben haben und in Deutschland ein Gehalt beziehen sollen, das mindestens 60 Prozent der jährlichen Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung beträgt. Eine weitere Ausnahme sind Lkw-Fahrerinnen und -Fahrer, die im Besitz einer EU- oder EWR-Fahrerlaubnis und der Grundqualifikation oder beschleunigten Grundqualifikation sind. Die Einreise von dringend benötigten Lkw-Fahrern scheitert in der Praxis in der Regel jedoch an der erforderlichen Grundqualifikation, die in Deutschland in deutscher Sprache zu erwerben ist. 
Von unseren Mitgliedsunternehmen wird uns berichtet, dass sie inzwischen nicht nur händeringend nach Fachkräften, sondern auch nach ungelernten Arbeitskräften suchen, zum Beispiel in der Gastronomie oder in der Baubranche. Diese Unternehmen können keine Arbeitskräfte aus Drittstaaten über das Fachkräfteeinwanderungsgesetz rekrutieren.
Über die sogenannte Westbalkanregelung können aus den dort gelegenen Ländern (Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Republik Nordmazedonien, Montenegro und Serbien) jährlich lediglich 25.000 Arbeitskräfte – auch ungelernte – nach Deutschland einreisen.

Gibt es weitere politische Anstrengungen, um dem Fachkräftemangel zu begegnen? 

Nach unserer Erfahrung in der Beratung von Mitgliedsunternehmen scheitert häufig die Einwanderung an der Gleichwertigkeit der Berufsqualifikation, insbesondere bei den Ausbildungsberufen, da wenige Drittstaaten ein vergleichbares Ausbildungssystem haben. 
Vor diesem Hintergrund haben Innenministerin Faeser und Arbeitsminister Heil ihren Willen bekundet, die Einreise für Drittstaatsangehörige zu erleichtern: So soll die Anerkennung der Berufsqualifikation nach der Einreise nachgeholt werden können, eine fachfremde Beschäftigung soll ermöglicht werden und unter bestimmten Voraussetzungen soll auch eine teilweise Vergleichbarkeit zur Arbeitsplatzsuche ausreichen.
Laut dem Koalitionsvertrag soll noch eine weitere Säule der Einwanderung neben der Fachkräfteeinwanderung geschaffen werden: eine Chancenkarte anhand eines Punktesystems. Diese Säule wäre nicht mehr streng an die Erwerbstätigkeit geknüpft, sondern an die ‚Qualitäten‘ der einreisewilligen Person. Mit dieser Säule würde der Gesetzgeber die Einreise nicht mehr streng am Ziel der Sicherung des tatsächlichen Fachkräftebedarfs und der Sozialsysteme ausrichten. An einem solchen Einwanderungssystem wird immer wieder die Kritik erhoben, dass es die Gefahr birgt, bürokratisch zu sein.  
Der DIHK fordert insbesondere, um den Wegfall von vier bis fünf Millionen Erwerbstätigen in den nächsten Jahren zu kompensieren, dass die Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse und die Anpassungsqualifizierung erleichtert und der Verwaltungsprozess einfacher und effizienter gestaltet wird.
Die IHKs in Baden-Württemberg unterstützen in einem gemeinsamen Papier mit Vorschlägen zur Verbesserung des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes die erleichterte Anerkennung von Berufsqualifikationen und darüber hinaus der Berufserfahrung. Wir fordern auch, dass die Zuwanderung von ungelernten Arbeitskräften in einem weiteren Rahmen als nach der gegenwärtiger Gesetzeslage ermöglicht wird.

Veranstaltung

Unterstützung bei der Rekrutierung ausländischer Fach- und Arbeitskräfte bietet das Forum für Personalverantwortliche der IHK Karlsruhe am 17. November, 14 bis 17 Uhr, Palais Biron Baden-Baden.

Programm

Uhrzeit
Programmpunkt
14:00 Uhr
Get together
ab 14:30 Uhr
Begrüßung durch Ariane Durian, Vizepräsidentin der IHK Karlsruhe
Anschl. Keynote Alexandra Köbler, Institut der deutschen Wirtschaft Köln e.V.
Impulsvortrag 1:  „Beschäftigung von Grenzgängern am Oberrhein“ von Sylvia Müller-Wolff, EURES-Beraterin Bundesagentur für Arbeit Karlsruhe-Rastatt
Impulsvortrag 2: n.n.
Impulsvortrag 3: „Welcome-Center der TechnologieRegion Karlsruhe – Service für die Region“ von Petra Bender, Leiterin des welcome-Centers der TechnologieRegion Karlsruhe
Anschließend Zeit für Austausch und Networking