Fünf Fragen an Vizepräsident Herbert Striebich

„Zum Glück braucht man uns ja…“

Wie ist aktuell die Stimmung in der Logistikbranche? 

Im Augenblick ist die Situation für unsere Branche sehr differenziert zu betrachten. Dem Hochbau geht es nicht gut, der Tiefbau hält sich dagegen noch ganz passabel. Wir haben täglich über die Sendungseingänge unserer 90 Partner in Deutschland und der 28 in der EU quasi eine Konjunkturumfrage. Es ist hier ein realer Rückgang der Sendungszahlen von sieben bis neun Prozent feststellbar. Das ist schon ein klar erkennbarer Rückgang. Die Konjunktur hat definitiv eine Delle. 
Eines der größten Probleme unserer Branche ist das Fehlen von Fach- und Arbeitskräften, gerade in der Lagerlogistik und bei den Berufskraftfahrerinnen und -fahrern. Hätten wir mehr Arbeitskräfte, könnten wir auch mehr Kunden annehmen. Die Großkonzerne machen uns da das Leben nicht leicht. Mit Instrumenten wie der Kurzarbeit halten Sie Arbeitskräfte auf Vorrat, die andere Branchen dringend bräuchten. Wir bilden selbst in fünf Berufen aus, nicht nur Berufskraftfahrer und Berufskraftfahrerinnen, wo wir derzeit nur einen Ausbildungsplatz besetzen können, vor allem aber auch in der Lagerlogistik als Fachkräfte für Spedition- und Logistikmanagement und zunehmend auch in zwei Berufen im IT- Bereich. 

Thema Lkw-Maut: Die Erhöhung wird für Ihre Branche eine enorme Kostensteigerung bedeuten. Wie ist Ihre Sicht auf die ziemlich zügige Umsetzung der Maut?

Erst Ende September beschließt die Bundesregierung, dass die Maut ab 1. Dezember erhöht wird. Dabei handelt es sich um acht bis 21 Prozent zusätzlicher Transportkosten. Es ist ein gigantischer Aufwand, diese Kosten auf die Schnelle  an unsere Kunden weiterzugegeben. Das Ganze ist einfach nur eine Lachnummer. Hinzu kommt, dass bis zum 1. Juli die Maut für Klein-Lkw bis 7,5 Tonnen eingeführt werden soll. Man müsste vernünftigerweise beides auf einen Schlag machen. 
Die Maut an sich ist weniger das Problem, aber die Umsetzung ist stümperhaft. Und warum denkt man nicht direkt über eine Steuererhöhung nach? Ich wäre für die klare und transparente Lösung einer Transportsteuer. Dann wird der Betrag auf den Rechnungen dokumentiert. 
Schon bei der ersten Mauteinführung wurde diese kurzfristig um ein Jahr nach hinten verschoben. Unsere Kunden hatten Monate zuvor die geplante Maut bereits in Ihre Preislisten einkalkuliert und konnten sich damit über die unerwarteten „ Mautgewinne“ freuen.  

Welche regionalen Infrastrukturmaßnahmen würden Ihnen das Leben erleichtern?

Da fallen mir natürlich als Erstes der Malscher Autobahnanschluss und das Autobahnkreuz Rastatt-Nord ein. Zwei Vorhaben, die gerade uns Logistikunternehmen und allen Verkehrsteilnehmenden der Region das Leben deutlich erleichtern würden. Unsere Lkw fahren dadurch unnötige Umwege. Der Bedarf für beide Maßnahmen ist eindeutig da. 
Im Übrigen würden sich die freien Flächen zwischen der B3 und der A 5 zwischen Rastatt Nord und Karlsruhe- Süd als Logistikflächen hervorragend eignen. Ein Flughafenanschluss wäre natürlich auch noch sehr schön. 
Bei Infrastrukturmaßnahmen darf man aber auch die Zweite Rheinbrücke nicht vergessen, die wir als IHK seit 30 Jahren fordern. Dort geht es ja nur äußerst schleppend voran. 

Der Mittelstand leidet immer mehr unter dem steigenden Bürokratieaufwand. Stellt die Bürokratie auch in Ihrem Unternehmen ein erhebliches Problem dar? 

Beim Thema Bürokratie fällt mir als Erstes die Flut von rückwirkenden Lohnbescheinigungen ein, die gerade bei der hohen Fluktuation in den einfachen Jobs von uns regelmäßig von der Arbeitsagentur oder den Krankenkassen angefordert werden. Hiervon sollten alle Arbeitsgeber befreit werden.
Ein Problem sind auch die uneinheitlichen Regelungen in Deutschland und den Nachbarländern, die gerade uns im grenznahen Bereich beim Wechsel von einem Land ins andere vor hohe Herausforderungen stellen. 
Insgesamt kann ich nur sagen, dass unsere Branche seit Jahren gebeutelt wird. Aber zum Glück braucht man uns ja…  als Schlüsselbranche!

Wo sehen Sie die größten Ansatzpunkte, die Logistikbranche noch nachhaltiger zu gestalten?

Das ist ein schwieriges Thema für unsere Branche. E-Lkw könnte man theoretisch, zumindest im Nahverkehr, gut einsetzen. Allerdings ist die Infrastruktur hierfür nicht vorhanden. Das Stromnetz gibt eine Versorgung von E-Lkw derzeit einfach nicht her. 
Ich sehe für die Zukunft eher die Themen Geothermie und Wasserstoff als Lösung für den notwendigen ökologischen Umbau der Wirtschaft.
Beim Thema Gefahrgut hat übrigens auch unsere Spedition darunter zu leiden, dass die Gigaliner, also die großen Lkw, Gefahrgut, wozu auch schon bestimmte Reinigungsmittel zählen, nicht transportieren dürfen. Also müssen wir z.B. bei unseren HUB- Verkehren ca. Ein Drittel mehr an  normalen Lkw einsetzen, als dies bei Giga-Linern der Fall wäre.