Carbon Management - Klimaschutz mit Plan

Eine Schneekugel mit Energie-Symbolen und Wahrzeichen von Karlsruhe
In Zeiten steigender Energiepreise, strengerer Klimavorgaben und wachsender Erwartungen von Kundinnen, Kunden und Investoren rückt ein Thema immer stärker in den Fokus: Carbon Management. Unternehmen in der TechnologieRegion Karlsruhe stehen vor der Herausforderung, ihre CO₂-Emissionen zu erfassen, zu reduzieren und transparent zu berichten und zugleich neue Chancen für Innovation und Effizienz zu entdecken.
Unser Titelthema zeigt, wie regionale Unternehmen den Spagat zwischen Klimaschutz und wirtschaftlichem Erfolg meistern, welche Technologien und Strategien dabei unterstützen und welche Rahmenbedingungen geschaffen werden müssen, damit diese umgesetzt werden können.

Carbon Management Modellregion Karlsruhe

In kaum einer anderen Region in Baden-Württemberg sind so viele industrielle Schwergewichte auf so kleinem Raum vereint wie in Karlsruhe: Kraftwerke, Zementproduktion, die größte Raffinerie Deutschlands, Papier- und Chemieindustrie. Über ein Drittel der industriebedingten CO₂-Emissionen Baden-Württembergs entstehen hier. Viele dieser Emissionen sind technisch kaum vermeidbar, weil sie direkt in industriellen Prozessen entstehen, etwa bei der Zementherstellung oder in chemischen Reaktionen. Selbst wenn der Strommix vollständig erneuerbar wäre, blieben diese sogenannten Prozess-Emissionen bestehen.
Damit steht auch die Region im Zentrum einer Debatte: Wie kann die Produktion in diesen Sektoren und den anschließenden Wertschöpfungsketten gesichert werden, wenn absehbar in den nächsten Jahren die notwendigen Emissionszertifikate immer teurer und knapper werden, bis sie anschließend komplett auslaufen?

Warum CCUS plötzlich ganz oben auf der Agenda steht

Die Bundesregierung hat es selbst klargemacht: Ab 2030 müssen in Deutschland erhebliche CO₂-Mengen abgeschieden, transportiert und gespeichert oder genutzt werden, damit das Land bis 2045 klimaneutral werden kann. Baden-Württemberg will dieses Ziel sogar schon 2040 erreichen. Der Weltklimarat IPCC bestätigt diesen Weg: Ohne Technologien zur CO₂-Abscheidung und -Speicherung (CCS) bzw. -Nutzung (CCU) lassen sich die globale Erwärmung und die europäischen Klimaziele kaum einhalten. Besonders in jenen Sektoren, in denen Emissionen nicht oder nur extrem teuer vermeidbar sind, ist CCUS unverzichtbar.
CCS ist – anders als oft angenommen – nicht neu oder experimentell. International setzen beispielsweise Länder wie Japan oder Norwegen stark auf diese Technologie. Die CO₂-Abscheidung ist also schon Stand der Technik, wie man etwa an dem bereits in Betrieb befindlichen CO2-Transport und Speicher-Projekt „Northern Lights“ vor der norwegischen Küste erkennen kann.

CO2-Transit auch für Mengen aus anderen Regionen

Was jedoch in Karlsruhe fehlt, ist ein klarer politischer Rahmen und eine regional nutzbare Infrastruktur. Damit entsteht für Unternehmen ein Dilemma:
Sie stehen unter massivem Dekarbonisierungsdruck, können aber nicht in Verfahren investieren, solange unklar ist, ob Transportwege, Speicherstätten und rechtliche Sicherheit vorhanden sein werden. Genauso sind aber auch weitere Standorte etwa der Zementindustrie auch aus den angrenzenden Regionen betroffen. Durch die Topografie am Oberrhein liegt es auf der Hand, dass auch südlich von Karlsruhe abgeschiedene CO2-Mengen, beispielsweise aus der Schweiz, durch die Region zu den Speicherstätten in der Nordsee transportiert werden müssen. Somit kommt der Region eine wichtige Rolle als Bindeglied zu: Wenn hier die Infrastruktur nicht rechtzeitig aufgebaut wird, kann die Technologie auch in den angrenzenden Regionen nicht rechtzeitig zur Anwendung kommen.

Position zu Carbon Management in der Region

Damit CO₂ also künftig abgeschieden, transportiert und gespeichert werden kann, braucht es eine Vielzahl politischer Entscheidungen, technischer Lösungen und gesellschaftlicher Akzeptanz. Die IHK-Vollversammlung hat daher in ihrer letzten Sitzung ein Positionspapier verabschiedet und die regulatorischen Herausforderungen adressiert, die für CCS zeitnah gelöst werden müssen.
Abschließend lässt sich sagen: CCUS ist kein „Plan B“, es ist Teil des neuen industriellen Fundamentes.
Die Region Karlsruhe steht stellvertretend für viele deutsche Industriestandorte. Sie zeigt:
• Klimaneutralität ohne CCUS ist technisch kaum machbar.
• Klimaneutralität ohne Industrie wäre wirtschaftlich fatal.
• Beides gelingt nur, wenn Politik und Wirtschaft jetzt gemeinsam handeln.
CCUS ist kein Freifahrtschein für alte Technologien – sondern eine Brücke in eine klimaneutrale industrielle Zukunft. Wenn die Region Karlsruhe diese Brücke baut, schafft sie nicht nur Klimaschutz, sondern auch wirtschaftliche Perspektive.
Und sie gibt ein Signal an Deutschland und Europa:
Industrie und Klimaschutz müssen kein Widerspruch sein – wenn wir uns trauen, neue Wege zu gehen.


Energiewende mit Kompass: Klimaschutz effizienter erreichen und international abstimmen

Die hohen Kosten und Wettbewerbsnachteile für die Wirtschaft durch den aktuellen Weg der Energiewende in Deutschland bergen nicht nur Risiken für die betroffenen Unternehmen sondern auch für das Gelingen der Transformation insgesamt. Die DIHK hat daher in diesem Jahr eine Studie "Neue Wege für die Energiewende" in Auftrag gegeben und auf der Basis der Ergebnisse ein Positionspapier beschlossen.
In dem Papier wird ein Kurswechsel hin zu einer Klimapolitik gefordert, die nicht nur ehrgeizige Ziele formuliert, sondern auch Wege eröffnet, wie diese Ziele wirtschaftlich tragfähig erreicht werden können. Denn die Erfahrung der vergangenen Jahre zeigt: Ambition allein reicht nicht – ein verlässlicher Rahmen ist ebenso entscheidend.

Planungssicherheit legislaturübergreifend

Der politische Zeitplan ist eng: Klimaneutralität bis 2045, großflächige Emissionsreduktionen bereits in den 2030er Jahren. Doch Unternehmen stehen vor einem Dilemma. Sie sollen tiefgreifend investieren – in Energieeffizienz, grüne Produktion, alternative Rohstoffe – gleichzeitig ändern sich zentrale gesetzliche Vorgaben oft schneller, als sich Investitionen amortisieren können.
Die DIHK betont deshalb, wie wichtig langfristige Planungssicherheit geworden ist. Wo heute Milliarden in neue Produktionsanlagen fließen sollen, müssen Unternehmen wissen, welche regulatorischen und finanziellen Rahmenbedingungen in zehn oder fünfzehn Jahren gelten. Das gilt für CO₂-Bepreisung ebenso wie für Förderinstrumente, Berichtspflichten oder die Rolle technischer Senken. Unsicherheit ist dabei nicht nur ein Ärgernis – sie ist ein Standortfaktor. Und zwar ein negativer.Marktwirtschaft statt Detailsteuerung.
Ein weiterer zentraler Befund: Deutschland hat sich klimarechtlich ein Labyrinth geschaffen. Viele Regelungen greifen ineinander, einige widersprechen sich. Für Unternehmen entsteht so ein Flickenteppich aus Pflichten, Prüfungen und Dokumentationen, der Ressourcen bindet, aber den Klimaschutz nicht zwingend effektiver macht.
Die DIHK plädiert deshalb für eine Rückbesinnung auf marktwirtschaftliche Mechanismen. Der Emissionshandel – also ein System, das über Knappheit und Preise steuert – sollte wieder stärker in den Mittelpunkt rücken. Statt in jedem Sektor neue kleinteilige Vorgaben zu schaffen, könnte ein verlässlicher CO₂-Preis die notwendige Lenkungswirkung entfalten. Unternehmen hätten wieder die Freiheit, eigenständig die effizientesten Technologien zu wählen – und würden gleichzeitig entlastet von Bürokratie, die weder dem Klima noch der Wettbewerbsfähigkeit dient.

Deutschland im internationalen Wettlauf

Klimaschutz lässt sich nicht national isolieren. Während Deutschland bemüht ist, einen der weltweit strengsten regulatorischen Rahmen zu schaffen, passen andere Industrienationen ihre Politik stärker an Wettbewerbsfähigkeit und industriepolitische Interessen an.
Für viele Unternehmen heißt das konkret: Wer heute entscheidet, wo die nächste Produktionslinie entsteht, vergleicht Energiekosten, Rohstoffpreise, Abgaben und regulatorische Risiken im internationalen Maßstab. Wenn Klimaschutz in Deutschland zum Kostenblock wird, während er anderswo ein Innovations- und Förderungspaket ist, kann die Standortentscheidung leicht anders ausfallen.
Die DIHK plädiert daher für einen international abgestimmten Ansatz. Wettbewerbsverzerrungen, Carbon Leakage und Abwanderung könnten nur verhindert werden, wenn Klimapolitik stärker europäisch und global koordiniert wird – und zugleich industriepolitisch flankiert ist.

Technologien als Chance, nicht als Streitpunkt

Während CCS ein Baustein bleibt, sieht die DIHK das größere Bild: Technologien müssen wieder als Möglichkeit begriffen werden – nicht als politischer Streitfall. Ob Wasserstoff, Energieeffizienz, erneuerbare Energien, Kreislaufwirtschaft oder digitale Steuerungssysteme: Die deutsche Industrie ist bereit, massiv zu investieren. Sie tut es aber nur dort, wo die politischen Leitplanken verlässlich wirken.
Gerade hier zeigt sich der Kern der Position: Klimaschutz gelingt nur mit, nicht gegen die Wirtschaft. Er braucht Unternehmen, die investieren, Arbeitskräfte, die qualifiziert sind, und Rahmenbedingungen, die Innovation belohnen statt bremsen.
Artikel mit Links zur Studie und Position im Wortlaut: https://www.ihk.de/karlsruhe/fachthemen/energie/aktuellesenergie/dihk-positionspapier-klimaschutz-6828972