ECHA: Neue REACH-Leitlinien zu den Anforderungen für Stoffe in Erzeugnissen in deutscher Sprache veröffentlicht

Die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) hat am 19.10.2017 nunmehr auch die deutsche Fassung der neuen REACH-Leitlinien zu den Anforderungen für Stoffe in Erzeugnissen (Version 4.0) veröffentlicht. Bislang waren diese nur in englischer Sprache verfügbar.
Die Leitlinie zu den Anforderungen für Stoffe in Erzeugnissen ist hier abrufbar und steht zum Download bereit. .

I. Aktualisierung der Leitlinie aufgrund des EuGH-Urteils in 2015

Mit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 10. September 2015 im Fall C-106/142 wurde der Geltungsumfang der Anmeldungs- und Mitteilungspflichten gemäß Artikel 7 Absatz 2 und Artikel 33 von REACH klargestellt; diese Pflichten gelten auch für Erzeugnisse, die in komplexen Produkten enthalten sind (d. h. in Produkten, die aus mehr als einem Erzeugnis bestehen), solange diese Erzeugnisse eine bestimmte Form, Oberfläche oder Gestalt aufweisen und nicht zu Abfall werden.

Infolge des Urteils leitete die ECHA ein schnelles Aktualisierungsverfahren ein und veröffentlichte im Dezember 2015 eine aktualisierte Version 3.0 dieser Leitlinien, in der sie die Schlüsselstellen der Leitlinien korrigierte, die mit den Schlussfolgerungen des Gerichtsurteils nicht mehr im Einklang standen, und insbesondere Beispiele entfernte. Die vorliegende Version 4.0 ist eine umfassendere Aktualisierung der Leitlinien infolge eines normalen Drei-Schritte-Konsultationsverfahrens, einschließlich einer Konsultation der aus den akkreditierten Interessenvertretern der ECHA ausgewählten Partner Expert Group (Partnerexpertengruppe, PEG).

Laut dem Urteil des Gerichts gilt Folgendes:
  • Artikel 7 Absatz 2 REACH-Verordnung ist dahin auszulegen, dass für die Zwecke der Anwendung dieser Bestimmung der Produzent festzustellen hat, ob in jedem von ihm produzierten Erzeugnis ein besonders besorgniserregender Stoff auf der Kandidatenliste in einer Konzentration von mehr als 0,1 Massenprozent (w/w) enthalten ist, und dass der Importeur eines Produkts, das sich aus mehreren Erzeugnissen zusammensetzt, für jedes Erzeugnis festzustellen hat, ob es einen solchen Stoff in einer Konzentration von mehr als 0,1 Massenprozent (w/w) dieses Erzeugnisses enthält.
  • Artikel 33 REACH-Verordnung ist dahin auszulegen, dass für die Zwecke der Anwendung dieser Vorschrift der Lieferant eines Produkts, bei dem ein oder mehrere Erzeugnisse, aus denen es sich zusammensetzt, einen besonders besorgniserregenden Stoff auf der Kandidatenliste in einer Konzentration von mehr als 0,1 Massenprozent (w/w) je Erzeugnis enthalten, den Abnehmer und, auf entsprechendes Ersuchen, den Verbraucher über das Vorhandensein dieses Stoffes zu informieren hat, indem er ihnen mindestens den Namen des betreffenden Stoffes angibt.

II. Inhalt der Leitlinie
Diese Leitlinie erläutert und veranschaulicht die Bestimmungen der REACH-Verordnung, die für Stoffe in Erzeugnissen gelten.

Die Leitlinien sollen Unternehmen insbesondere dabei helfen, festzustellen, ob sie
  • Registrierungs- (Artikel 7 Abs.1 REACH-Verordnung),
  • Mitteilungs- (Artikel 33) und/oder
  • Anmeldungspflichten (Artikel 7 Abs. 2 REACH-Verordnung)
in Bezug auf Stoffe in Erzeugnissen zu erfüllen haben.

Dies kann insbesondere für Unternehmen gelten,
  • die Erzeugnisse
    • herstellen,
    • importieren und/oder
    • liefern und
  • die dafür verantwortlich sind, ihre Verpflichtungen gemäß REACH zu ermitteln.
III. Hintergrund: Informationspflichten nach Artikel 33 der REACH-Verordnung und Mitteilungspflichten von Produzent und Importeur von Erzeugnissen an die ECHA gemäß Artikel 7 Abs. 2 REACH-Verordnung
1. Informationspflichten nach Artikel 33 der REACH-Verordnung
In der so genannten Kandidatenliste veröffentlicht die ECHA Stoffe mit besonders besorgniserregenden Eigenschaften (SVHC - „substances of very high concern"). Die aktuelle Kandidatenliste ist unter folgendem Link auf der Homepage der ECHA abrufbar: https://echa.europa.eu/de/candidate-list-table. Ist ein Stoff in der Kandidatenliste aufgenommen, greifen für Erzeugnisse (z. B. Bauteile etc.), die einen solchen Stoff in einer Konzentration über 0,1 Masseprozent enthalten, unmittelbar und ohne Übergangsfrist die Informationspflichten in der Lieferkette gemäß Art. 33 der REACH-Verordnung. Die Kandidatenliste wird mehrfach im Jahr erweitert.
Demnach muss ein Lieferant von Erzeugnissen (z. B. Hersteller oder Händler) seinen Abnehmer informieren, sobald ein SVHC-Stoff in einer Konzentration über 0,1 Massenprozent im Erzeugnis enthalten ist. Die Information an gewerbliche Kunden muss dabei unaufgefordert erfolgen. Die Form der Information ist nicht vorgegeben. Es müssen mindestens der Name des betreffenden SVHC-Stoffes und - soweit erforderlich - Hinweise für eine sichere Verwendung angegeben werden. Private Endverbraucher müssen ebenfalls informiert werden - allerdings nur auf Anfrage und innerhalb einer Frist von 45 Tagen nach einer solchen Anfrage.
Die Schwelle von 0,1 Massenprozent bezieht sich grundsätzlich auf das einzelne Erzeugnis. Das bedeutet: Informationspflichten für Händler von Erzeugnissen gelten, wenn die Massenkonzentration eines gefährlichen Stoffes 0,1 Prozent in einem homogenen Produktbestandteil (d. h. z. B. das Teilerzeugnis im Erzeugnis wie z. B. ein Bauteil) - und nicht nur bezogen auf das Gesamtprodukt - überschreitet.
Dies geht aus dem EuGH-Urteil  vom  September 2015 hervor: Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte darüber zu entscheiden ob die dabei anzuwendende Konzentrationsgrenze von 0,1% auf das Gesamterzeugnis (z. B. Auto) oder auch auf Teilerzeugnisse (z. B. Autofelge) anzuwenden ist. Der EuGH urteilte, dass die Informationspflichten für jedes Teilerzeugnis eines komplexen Produkts gelten. Das Gericht begründet dies damit, dass die REACH-Verordnung ein „Erzeugnis“ definiert, aber keine spezifischen Vorgaben für komplexe Produkte macht, die mehrere Teilerzeugnisse enthalten. Es gebe daher auch keinen Grund, zwischen diesen und den Teilerzeugnissen zu unterscheiden. Kurzum: Schon wenn ein Teilerzeugnis einen „besonders besorgniserregenden Stoff“ zu mehr als 0,1 Prozent enthält, muss dies gemeldet werden. Der EuGH hat somit entschieden, dass die Pflichten auch für Teilerzeugnisse gelten, die selbst die Erzeugnisdefinition erfüllen.

2. Mitteilungspflichten von Produzent und Importeur von Erzeugnissen an die ECHA gemäß Artikel 7 Abs. 2 REACH-Verordnung

Nach Artikel 7 Abs. 2 der REACH-Verordnung haben Importeur und Produzenten von Erzeugnissen unter den dort genannten Voraussetzungen Mitteilungspflichten an die ECHA. Diese Mitteilungspflichten gegenüber der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) haben Produzenten und Importeure nach Artikel 7 Abs. 2 REACH-Verordnung u. a. dann, wenn ihre hergestellten oder gehandelten Erzeugnisse „besonders besorgniserregende Stoffe“ enthalten. Zugleich muss aber der Stoff gemäß Artikel 7 Abs. 2 a) der REACH-Verordnung in diesen Erzeugnissen in einer Menge von insgesamt mehr als 1 Tonne pro Jahr und pro Produzent oder Importeur enthalten sein. Weitere Informationen ergeben sich aus Artikel 7 REACH-Verordnung.

Die Schwelle von 0,1 Massenprozent bezieht sich grundsätzlich auf das einzelne Erzeugnis. Das bedeutet: Informationspflichten für Händler von Erzeugnissen gelten, wenn die Massenkonzentration eines gefährlichen Stoffes 0,1 Prozent in einem homogenen Produktbestandteil (z. B. Bauteil) - und nicht nur bezogen auf das Gesamtprodukt - überschreitet.
Die aktuelle Kandidatenliste ist unter folgendem Link auf der Homepage der ECHA abrufbar: https://echa.europa.eu/de/candidate-list-table

IV. Weitere Informationen zum Thema
Weitere Informationen zum Thema sind hier abrufbar: