CLP / Biozide: Neuklassifizierung von Ethanol

Derzeit stehen zwei Verfahren zu Ethanol im Rahmen der europäischen Chemiegesetzgebung an. Aufgrund dieser Verfahren fragen derzeit viele Unternehmen nach den möglichen Konsequenzen für ihre Tätigkeiten. Dieses Rundscheiben soll über den Stand der Dinge der beiden Ethanol-Verfahren informieren, sowie mögliche Folgen der Verfahren abschätzen.
Ethanol, besser bekannt als Alkohol, ist ein wichtiger Stoff mit vielseitigen Anwendungsmöglichkeiten in der Wirtschaft. Beispielsweise wird Ethanol als Lösungsmittel, Desinfektions- und Konservierungsmittel, Kraftstoff, Reinigungsmittel oder in vielen medizinischen oder pharmazeutischen Produkten verwendet.
Derzeit stehen zwei Verfahren zu Ethanol im Rahmen der europäischen Chemiegesetzgebung an:
  • die Prüfung von Ethanol als Wirkstoff im Rahmen der Biozid-Verordnung
  • die Überarbeitung der harmonisierten Einstufung und Kennzeichnung von Ethanol im Rahmen der CLP-Verordnung

Prüfung von Ethanol unter der Biozid-Verordnung

Ethanol ist in vielen Biozidprodukten enthalten. Sie sind zur Bekämpfung von Organismen notwendig, welche für die Gesundheit von Mensch oder Tier schädlich sind. Als Biozidprodukt gelten neben Produkten die direkt auf Schadorganismen wirken, wie Desinfektionsmittel, Insektizide, Rodentizide und Holzschutzmittel, auch solche Produkte, die Schädigungen vorbeugen sollen.
Die Sicherheit und Wirksamkeit des bisher zulässigen Wirkstoffs Ethanol wird derzeit im Rahmen eines Prüfprogramms für Altwirkstoffe der Biozidprodukte-Verordnung geprüft. Die Aufgaben dieser Evaluierung wurden der griechischen nationalen Behörde übertragen. Im März 2024 reichte die Behörde einen überarbeiteten Bewertungsbericht mit einem Gefahreneinstufungsvorschlag für Ethanol bei der ECHA ein. Diese Bewertung umfasst die Verwendung von Ethanol in drei Biozidproduktarten:
  • Produktart 1: Hygieneprodukte für den Menschen, wie Handdesinfektionsmittel;
  • Produktart 2: Desinfektionsmittel und Algizide, die nicht für den direkten Kontakt mit Menschen oder Tieren bestimmt sind; und
  • Produktart 4: Produkte für den Einsatz in Lebensmittel- und Futtermitteln
Der Bericht von Griechenland wird derzeit im Ausschuss für Biozidprodukte (BPC) der ECHA und seinen Arbeitsgruppen einer Peer Review durch Experten aus allen EWR-Ländern und der Schweiz unterzogen. Für Deutschland ist die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin im BPC vertreten. Der BPC überprüft unter anderem, ob Ethanol die Kriterien erfüllt, um als potenziell krebserregend (karzinogen), DNA-verändernd (mutagen) oder reproduktionsschädigend (reproduktionstoxisch) eingestuft zu werden.
Die ECHA hat eine Konsultation mit Dritten angekündigt, bei der interessierte Parteien Informationen zu Alternativen für die Verwendung von Ethanol in Bioziden einreichen können. Die Informationen zu möglichen Alternativen haben laut ECHA keinen Einfluss auf die Entscheidung, ob Ethanol als Wirkstoff zugelassen werden kann. Sie werden jedoch für die Entscheidungsfindung der EU-Mitgliedstaaten relevant sein, ob ethanolhaltige Biozidprodukte zugelassen werden können.
Laut ECHA wird der BPC seine Stellungnahme voraussichtlich in der zweiten Hälfte des Jahres 2025 verabschieden. Die endgültige Entscheidung über die Zulassung von Ethanol als Wirkstoff wird die Europäische Kommission auf Grundlage der Stellungnahme des BPC treffen. Wie Ethanol als Biozid-Wirkstoff eigestuft wird, ist derzeit offen. Laut Europäischer Kommission befindet sich unter den Vorschlägen der griechischen nationalen Behörde die Einstufung des Wirkstoffs Ethanol als reproduktionstoxisch Kategorie 2. Dies bedeutet, dass es sich vermutlich um ein reproduktionstoxisches Mittel für den Menschen handelt und es Hinweise auf eine negative Auswirkung auf die Sexualfunktion und Fruchtbarkeit oder auf die Entwicklung gibt.

Überarbeitung der harmonisierten Einstufung und Kennzeichnung von Ethanol im Rahmen der CLP-Verordnung

Durch die Kriterien der CLP-Verordnung (Regulation on Classification, Labelling and Packaging of Substances and Mixtures) werden gefährliche Chemikalien auf der Grundlage ihrer inhärenten Eigenschaften identifiziert. Anwender werden über die Gefahren mit Hilfe von Gefahrensymbolen und -sätzen (sog. GHS-System) auf den Kennzeichnungsetiketten und in den Sicherheitsdatenblättern informiert. Eines der Hauptziele der CLP-Verordnung besteht in der Feststellung, ob ein Stoff oder Gemisch Eigenschaften aufweist, die zur Einstufung als gefährlich führen.
In der Regel stufen die Hersteller ihre Stoffe entsprechend der von ihnen ausgehenden Gefahren selbst ein. Für bestimmte Stoffe bestimmt die EU die Gefahrenklassen allerdings europaweit einheitlich. Mitgliedstaaten können diese harmonisierte Einstufung beantragen. Laut ECHA-Webseite hat die griechische nationale Behörde im Juli 2020 die Absicht für eine überarbeitete harmonisierte Einstufung und Kennzeichnung von Ethanol eingereicht. Sie schlägt folgende neue harmonisierte Klassifizierungen vor (zusätzlich zu der schon bestehenden harmonisierten Einstufung: Flam. Liq. 2, H225 (highly flammable liquid and vapour)).
  • Eye Irrit. 2, H319 (causes serious eye irritation)
  • Repr. 2, H361d (suspected of damaging the unborn child)
  • Lact., H362 (may cause harm to breast-fed children)
  • STOT SE 3, H336 (may cause drowsiness or dizziness)
  • STOT RE 2, H373 (may cause damage to organ through prolonged or repeated exposures)
Der Bericht von Griechenland zur harmonisierten Einstufung von Ethanol wird für Juli 2025 erwartet. Nach einer öffentlichen Konsultation wird das Komitee für Risikobewertung von ECHA innerhalb von 18 Monaten eine Stellungnahme formulieren. Basierend auf der Stellungnahme wird die Kommission entscheiden, ob eine geänderte harmonisierte Einstufung gemäß der CLP-Verordnung angemessen wäre.
Während dieses Prozesses wird es Möglichkeiten für Unternehmen und Industrievertretern geben, sich in der Meinungsbildung einzubringen. Jetzt schon können sich Unternehmen und Verbände an die griechische Behörde wenden, um ihr Informationen zukommen zu lassen, welche für den Vorschlag zur Einstufung relevant sind. Nachdem die griechische Behörde eine offizielle Stellungnahme abgegeben hat, beginnt eine öffentliche Konsultation, bei der alle Beteiligten innerhalb von 60 Tagen ihre Kommentare abgeben können.
Es kann Fälle geben, in denen der RAC für eine bestimmte Gefahrenklasse zu einer anderen Klassifizierung kommt als ursprünglich vom Dossiereinreicher vorgeschlagen. Einige Stakeholder, beispielsweise A.I.S.E., der Europäischer Branchenverband für Reinigungsmittel und Pflegemittel, befürchten, dass es zu einer höheren Einstufung von Ethanol, beispielsweise in den reproduktionstoxisch Kategorien 1A oder 1B, oder zur zusätzlichen Einstufung als karzinogen kommen könnte.

Welche Auswirkungen werden die Neuklassifizierungen möglicherweise auf Unternehmen haben?

Ob, und wenn, wie Ethanol im Rahmen der Überprüfung als Biozid-Wirkstoff oder der harmonisierten Einstufung der EU als reproduktionstoxisch eingestuft wird, ist derzeit offen. Final wird die Entscheidung von den Stellungnahmen der Gremien der ECHA, den darin repräsentierten Vertretern von Mitgliedsstaaten sowie der Kommission abhängen.
Die harmonisierte Gefahreneinstufung von Ethanol als reproduktionstoxischer Stoff der Kategorie 2, wie von der griechischen Behörde vorgeschlagen, ist grundsätzlich kein Ausschlusskriterium im Rahmen der Biozid-Verordnung (Art. 5.1). Dies bedeutet, dass Ethanol weiterhin als Biozid-Wirkstoff genehmigt werden kann. Eine Einstufung in den Kategorien 1A oder 1B würde hingegen bedeuten, dass Ethanol die Ausschlusskriterien erfüllt und als Kandidat für eine Substitution seiner Verwendung in Biozidprodukten gelten würde. In diesem Fall kann Ethanol dennoch für die beabsichtigten Biozidanwendungen zugelassen werden, wenn diese angesichts der erwarteten Expositionsniveaus als sicher gelten.
Falls die harmonisierte Einstufung im Rahmen der CLP-Verordnung kommen sollte, müssen Stoffe und Gemische entsprechend gekennzeichnet werden. Stoffe und Gemische der Gefahrenkategorie „Reproduktionstoxizität“ 2 beispielsweise, wie im Vorschlag der griechischen Behörden enthalten, werden mit dem Gefahrenpiktogramm „Gesundheitsgefahr“ (GHS08) und dem Signalwort „Achtung“, dem Gefahrenhinweis H 361 und den entsprechenden P-Sätzen gekennzeichnet.
Zudem kann die harmonisierte Einstufung Rechtsfolgen durch nachgelagerte Gesetze haben. Laut Paragraf 11 des Mutterschutzgesetzes in Deutschland liegt beispielsweise eine unverantwortbare Gefährdung vor, wenn die schwangere Frau Gefahrstoffen ausgesetzt ist, oder sein kann, die nach CLP-Verordnung als reproduktionstoxisch nach der Kategorie 1A, 1B oder 2 oder nach der Zusatzkategorie für Wirkungen auf oder über Laktation eingestuft ist. Laut Kosmetikverordnung ist die Verwendung von Stoffen, welche als reproduktionstoxisch Kategorie 2 eingestuft wurden, in kosmetischen Mitteln ist verboten, außer diese wurden vom Scientific Committee on Consumer Safety für die Verwendung in kosmetischen Mitteln für sicher befunden.
Eine Einstufung als reproduktionstoxisch 1A oder 1B würde zu einer Beschränkung unter REACH führen. Sobald ein Stoff durch eine Kommissionsverordnung als reproduktionstoxisch 1A oder 1B eingestuft wird, darf der Stoff nicht mehr für Anwendungen für den Endverbraucher verwendet oder auf den Markt gebracht werden, wenn eine bestimmte Konzentrationsgrenze überschritten ist. Dies hätte weitreichende Folgen für verschiedenste Sektoren, welche auf die Verwendung von Ethanol angewiesen sind.

Weitere Informationen bzw. Quellen:


Quelle: DIHK (angepasst)
Hinweis:
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