Verkürzung der Ausbildungszeit

Vor und während der Ausbildung gibt es verschiedene Möglichkeiten, die Ausbildungszeit zu verkürzen. Dabei wird unterschieden, ob es sich um eine Anrechnung beruflicher Vorbildung handelt, die Ausbildungszeit auf Antrag hin verkürzt oder vorzeitig zur Abschlussprüfung zugelassen wird. Eine Kombination solcher Maßnahmen ist möglich, um die Ausbildungsdauer zu verkürzen. Wichtig ist für eine erfolgreiche Verkürzung, dass die entsprechenden Anträge frühzeitig gestellt werden.
Die nachstehenden Richtlinien sollen die Auslegung der gesetzlichen Vorschriften über die Abkürzung der Ausbildungszeit gem. § 8 Abs. 1 S. 1 und 2 Berufsbildungsgesetz (BBiG) konkretisieren. Die Abkürzung beinhaltet auch die Teilzeitberufsausbildung, die insbesondere Alleinerziehenden und jungen Eltern durch die Verkürzung der täglichen oder wöchentlichen Ausbildungszeit die Möglichkeit gibt, Berufsausbildung und Familie zu vereinbaren. Darüber hinaus enthält die Richtlinie Vorgaben über die vorzeitige Zulassung zur Abschlussprüfung gem. § 45 Abs. 1 BBiG i.V. m. § 21 Abs. 2 BBiG. Im Einzelfall können besondere Gesichtspunkte eine abweichende Beurteilung erfordern.

Abkürzung der Ausbildungszeit und Teilzeitausbildung

Grundsatz und allgemeine Voraussetzungen der Antragstellung

  1. Auf gemeinsamen Antrag des Ausbildenden (Betrieb) und des Auszubildenden hat die zuständige Stelle die Ausbildungszeit gem. § 8 Abs. 1 BBiG zu kürzen, wenn zu erwarten ist, dass das Ausbildungsziel in der gekürzten Zeit erreicht wird.
  2. Die Kürzung der Ausbildungszeit soll möglichst bei Vertragsschluss, spätestens jedoch so rechtzeitig beantragt werden, dass noch mindestens ein Jahr Ausbildungszeit verbleibt.
  3. Der Antrag muss gemeinsam von beiden Vertragsparteien (Ausbildender und Auszubildender) schriftlich bei der zuständigen Stelle gestellt werden. Bei Minderjährigen ist die entsprechende Zustimmung der gesetzlichen Vertreter erforderlich.
  4. Die Antragsteller müssen glaubhaft machen, dass das Ausbildungsziel in der gekürzten Zeit erreicht werden kann, z. B. durch Vorlage von (Berufs-)Schul- und Prüfungszeugnissen, Leistungsbeurteilungen, Berufsausbildungsverträgen und betrieblichen Ausbildungsplänen.

Abkürzungsgründe bei Vertragsabschluss gem. § 8 Abs. 1 S. 1 BBiG

  1. Nachfolgende Gründe können zu einer Verkürzung in dem angegebenen Zeitrahmen führen:
    Fach(ober)schulreife oder gleichwertiger Abschluss
    bis zu 6 Monate
    Nachweis der Fachhochschulreife oder allgemeinen Hochschulreife oder eine abgeschlossene Berufsausbildung
    bis zu 12 Monate
  2. Im Einzelfall kann die Ausbildungszeit auch wegen eines Lebensalters von mehr als 21 Jahren um bis zu 12 Monate verkürzt werden.
  3. Darüber hinaus kann bei Nachweis einer einschlägigen beruflichen Grundbildung oder einschlägigen Berufstätigkeit oder Arbeitserfahrung im Berufsfeld diese angemessen berücksichtigt werden. 
  4. Bei Fortsetzung der Berufsausbildung in demselben Beruf kann die zurückgelegte Ausbildungszeit ganz oder teilweise für eine Kürzung berücksichtigt werden.
  5. Soweit festgestellt wird, dass nach Abschluss des ersten Ausbildungsjahres bei einem Berufswechsel die Grundausbildung des Erstberufes im Wesentlichen identisch ist mit der Grundausbildung des neuen Ausbildungsberufes, so kann diese in vollem Umfang (12 Monate) berücksichtigt werden.

Abkürzung während der Berufsausbildung gem. § 8 Abs. 1 S. 1 BBiG

  1. Die Kürzung der Ausbildungszeit während der laufenden Berufsausbildung ist möglich, wenn oben aufgeführte Verkürzungsgründe vorliegen, das Ausbildungsziel in der verkürzten Zeit erreicht werden kann und die Ausbildungsinhalte vermittelt werden können.
  2. Wird der Antrag erst im Laufe der letzten 12 Monate der Ausbildungszeit gestellt, so soll dieser vorrangig als Antrag auf vorzeitige Zulassung zur Abschlussprüfung behandelt werden (siehe vorzeitige Zulassung zur Abschlussprüfung).

Zusammentreffen mehrerer Verkürzungsgründe

Mehrere Verkürzungsgründe können nebeneinander berücksichtigt werden. Eine vorzeitige Zulassung zur Prüfung ist auch bei verkürzter Ausbildungsdauer gem. § 45 Abs. 1 BBiG möglich, wenn dadurch die vorgegebene Mindestausbildungsdauer nicht unterschritten wird.

Abkürzung der täglichen oder wöchentlichen Ausbildungszeit gem. § 8 Abs. 1 S. 2 BBiG (Teilzeitberufsausbildung)

  1. Bei berechtigtem Interesse ist auf gemeinsamen Antrag des Auszubildenden und des Ausbildenden die Ausbildungszeit auch in Form einer täglichen oder wöchentlichen Reduzierung der Arbeitszeit zu kürzen (§ 8 Abs. 1 S. 2 BBiG). Ein berechtigtes Interesse ist z. B. dann gegeben, wenn der Auszubildende ein eigenes Kind oder einen pflegebedürftigen Angehörigen zu betreuen hat oder vergleichbar schwerwiegende Gründe vorliegen.
  2. Das berechtigte Interesse ist durch Vorlage geeigneter Belege nachzuweisen.
  3. Da das Berufsbildungsgesetz für die Abkürzung der Ausbildungszeit keine anteilige Untergrenze festlegt, ist jeweils im Einzelfall zu prüfen, ob die Auszubildenden auch bei einer täglichen oder wöchentlichen Reduzierung der betrieblichen Ausbildungszeiten noch wirklichkeitsnah mit den wesentlichen Betriebsabläufen vertraut gemacht werden können und in dem für die Ausbildung erforderlichen Maß in die betriebliche Praxis eingebunden werden können. Als Richtschnur soll eine wöchentliche Mindestausbildungszeit von 25 Stunden nicht unterschritten werden.
  4. Die Teilzeitberufsausbildung führt grundsätzlich nicht zu einer Verlängerung der kalendarischen Gesamtausbildungsdauer.
  5. Im Einzelfall kann eine verkürzte tägliche oder wöchentliche Arbeitszeit aber mit einer Verlängerung der kalendarischen Ausbildungsdauer verbunden werden (§ 8 Abs. 2 BBiG), wenn die Verlängerung erforderlich ist, um das Ausbildungsziel zu erreichen.
  6. Die Entscheidung über die Verlängerung kann bei noch unsicherer Prognose oder bei veränderten Rahmenbedingungen auch später getroffen werden.

Vorzeitige Zulassung zur Abschlussprüfung 

Grundsatz und allgemeine Voraussetzungen der Antragstellung

  1. Der Auszubildende kann nach Anhörung des Ausbildenden (Betrieb) und der Berufsschule vor Ablauf seiner Ausbildungszeit zur Abschlussprüfung zugelassen werden, wenn seine Leistungen dies rechtfertigen (§ 45 Abs. 1 BBiG).
  2. Der Antrag ist schriftlich bei der zuständigen Stelle zu stellen.
  3. Dem Antrag sind die nach der geltenden Prüfungsordnung erforderlichen Anmeldeunterlagen beizufügen.

Zulassungsvoraussetzungen

  1. Bei der Beurteilung der betrieblichen Leistungen sind entsprechend der Ausbildungsordnung der Ausbildungsgang, der Leistungsstand und die in der bis zur Prüfung noch verbleibende Zeit zur Vermittlung der erforderlichen Fertigkeiten und Kenntnisse im Hinblick auf die Erreichung des Ausbildungszieles zu berücksichtigen.
  2. Eine vorzeitige Zulassung ist gerechtfertigt, wenn der Auszubildende sowohl in der Praxis (Betrieb) als auch in der Berufsschule (Durchschnittsnote aller prüfungsrelevanten Fächer oder Lernfelder) überdurchschnittliche Leistungen nachweist.
  3. Überdurchschnittliche Leistungen liegen in der Regel vor, wenn das letzte Zeugnis der Berufsschule in den prüfungsrelevanten Fächern oder Lernfeldern einen Notendurchschnitt besser als Note 2,50 enthält und auch die praktischen Ausbildungsleistungen als überdurchschnittlich (besser als Note 2,50) bewertet werden.
  4. Neben dem Zeugnis der Berufsschule sind für den Nachweis das Leistungszeugnis oder eine entsprechende Bescheinigung des ausbildenden Betriebs erforderlich. Der ordnungsgemäß geführte Ausbildungsnachweis ist vorzulegen oder das ordnungs-gemäße Führen des Ausbildungsnachweises vom Betrieb und vom Auszubildenden schriftlich zu bestätigen.

Zulassungsentscheidung

  1. Bei Abschlussprüfungen trifft die zuständige Stelle die Zulassungsentscheidung. Hält sie die Zulassungsvoraussetzungen für nicht gegeben, entscheidet der Prüfungsausschuss (§ 46 Abs.1 BBiG).
  2. Die vorgezogene Prüfung soll nicht mehr als sechs Monate vor dem ursprünglichen Prüfungstermin stattfinden. Darüber hinausgehende Anträge sollen von den zuständigen Stellen als Antrag auf Abkürzung der Ausbildungszeit nach §§ 8 Abs. 1 BBiG behandelt werden.

Mindestdauer der Ausbildung

Bei der Verkürzung der Ausbildung sind Regelungen zur Ausbildungsmindestdauer zu beachten. Die Ausbildungsvertragsdauer soll in der Regel folgende Mindestzeiten, insbesondere beim Zusammentreffen mehrerer Verkürzungsgründe bzw. bei vorzeitiger Zulassung, nicht unterschreiten:
Regelausbildungszeit
Mindestzeit der Ausbildung
3 ½ Jahre
24 Monate
3 Jahre
18 Monate
2 Jahre
12 Monate

Antragsverfahren

  1. Der Antrag auf Verkürzung der Ausbildungszeit erfolgt durch die Eintragung einer verkürzten Ausbildungszeit in dem Berufsausbildungsvertrag. Die Zeugnisse, aufgrund derer die Ausbildungszeitverkürzung vereinbart worden sind, sind dem Berufsausbildungsvertrag beizufügen.
  2. Der Antrag auf vorzeitige Zulassung kann vom Auszubildenden und dem Ausbildenden gemeinsam gestellt werden. Der gemeinsame Antrag gilt als Anhörungsverfahren. Es ist das von der IHK herausgegebene Formular zu verwenden. Die Kammer kann Ausschlussfristen festsetzen.
  3. Wird die Ausbildungszeit erst nach Beginn der Berufsausbildung vertraglich abgekürzt, so ist der von der Kammer herausgegebene Vordruck „Änderungsvereinbarung des Berufsausbildungsvertrages“ zu verwenden. Der Nachtrag mit der abgekürzten Ausbildungszeit soll spätestens ein Jahr nach Beginn des Berufsbildungsverhältnisses eingereicht werden.

Weitere Hinweise und Empfehlungen

Empfehlenswert ist es, wenn eine Verkürzung geplant ist, diese an den Beginn der Ausbildungszeit zu legen, da diese Verkürzung dann auch bei der Einschulung in die Berufsschule berücksichtigt und bereits in den Berufsausbildungsvertrag aufgenommen werden kann. Es ist jedoch auch noch möglich, eine Verkürzung der Ausbildung zu beantragen, wenn diese schon begonnen hat. Dann muss die entsprechende Verkürzung so rechtzeitig beantragt werden, dass noch mindestens ein Jahr Ausbildungszeit verbleibt (z. B. bei einer dreijährigen Ausbildung muss eine sechsmonatige Verkürzung spätestens nach 18 Monaten beantragt werden). Hierbei sollte der Antrag in Form eines Änderungsvertrags noch im ersten Ausbildungsjahr gestellt werden.
Ist die Ausbildungszeit bereits über das erste Ausbildungsjahr hinaus fortgeschritten, ist es sinnvoller einen Antrag auf vorzeitige Zulassung zur Abschlussprüfung zu stellen. Diese vorzeitige Zulassung kann erfolgen – unabhängig davon, ob schon eine Verkürzung durch Anrechnung stattgefunden hat –  wenn man durch besonders gute Leistungen zeigt, dass man die Ziele der Ausbildungsordnung auch in der kürzeren Zeit erreicht. Dafür braucht es in der Berufsschule einen bestimmten Notendurchschnitt. Aber auch die praktischen Leistungen im Betrieb müssen gut sein.

Ansprechpartner bei Fragen

Bei Fragen wenden Sie sich gerne an unser Bildungsberaterteam.