DIHK-Konjunkturumfrage Jahresbeginn 2023

Unternehmen fürchten Stagflation

Deutschlands Unternehmen erwarten im laufenden Jahr überwiegend Stagnation und Seitwärtsbewegung. Das ist das Ergebnis der bundesweiten IHK-Konjunkturumfrage unter rund 27.000 Betrieben aus allen Branchen
und Regionen, die DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben an diesem Donnerstag (9. Februar) in Berlin vorgestellt hat. Im Vergleich zum Herbst, als mit nur acht Prozent Optimisten der bisherige Tiefststand bei den Geschäftserwartungen gemessen worden ist, rechnen nun doppelt so viele Unternehmen (16 Prozent) mit besseren Geschäften in den nächsten zwölf Monaten. Allerdings bleibt die Zahl der Pessimisten, die im gleichen Zeitraum schlechtere Geschäfte erwarten, mit 30 Prozent (zuvor 52 Prozent) der Unternehmen weiter deutlich höher. Mit minus 14 Punkten bewegt sich der Saldo der Geschäftserwartung immer noch deutlich im negativen Bereich und damit weit unter dem langjährigen Schnitt von (plus) 5 Punkten.
„Die gute Nachricht ist, dass die deutsche Wirtschaft einen drohenden Absturz abwenden konnte“, bewertet DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben die Ergebnisse. „Das hat sicher auch mit den seitdem verkündeten und zum Jahreswechsel aufgesetzten Energiepreisbremsen zu tun. Damit hat sich einiges beruhigt, aber noch nichts belebt. Statt tiefer Rezession erwartet uns in diesem Jahr eher eine Seitwärtsbewegung und unterm Strich eine rote Null.“
Noch immer bewerten drei von vier Unternehmen im Durchschnitt aller Branchen die hohen Energie- und Rohstoffpreise als Geschäftsrisiko. Insbesondere in der Industrie ist dieser Wert mit 85 Prozent weiterhin
sehr hoch. „Für viele Betriebe war der Umgang mit dem enormen Preissprung im vergangenen Jahr ein Überlebenskampf“, so Wansleben. „Jetzt können sie wieder besser planen, wenn auch auf einem deutlich
höheren Kostenniveau. Damit kommen die Margen und die  Investitionsmöglichkeiten unter Druck.“ So wollen in den kommenden zwölf Monaten 27 Prozent der Betriebe mehr investieren – im Vergleich zum Herbst ist das ein schwaches Plus von drei Prozentpunkten. Mit 26 Prozent wollen im gleichen Zeitraum fast ebenso viele ihre Investitionen zurückfahren. Ein Fünftel der Betriebe gibt zudem an, geplante Investitionen aufgrund der Kostenbelastung zurückzustellen. „Nur wenn die Investitionen stärker anziehen, kann sich ein selbsttragender Aufschwung einstellen. Dafür müssen insbesondere in Deutschland und Europa die Rahmenbedingungen stimmen“, so Wansleben. „Aktuell haben die Ausrüstungsinvestitionen nicht einmal das Vorkrisenniveau erreicht. Diese Investitionslücke bereitet uns große Sorgen.“ Unternehmen, die aktuell investieren, versuchen vor allem, den Status quo zu halten. „Leider müssen sie bei Erweiterungsinvestitionen auf die Bremse treten.“ In diesem Zusammenhang weist Wansleben auch darauf hin, dass knapp ein Fünftel
der Unternehmen einen Rückgang des Eigenkapitals beklagt. „Damit drohen Finanzierungsschwierigkeiten, die ihrerseits die Investitionsmöglichkeiten einschränken können.“

Leichte Verbesserung bei der Geschäftslage

Eine Stabilisierung zeigt sich bei der Einschätzung der aktuellen Geschäftslage. Wegen des bisher glimpflichen Verlaufs der Krise und der staatlichen Stützungsmaßnahmen gab es erfreulicherweise keinen Einbruch, wie er noch im Herbst zu befürchten war. Über alle Branchen hinweg bewertet rund ein Drittel der Unternehmen (34 Prozent) seine Geschäftslage zu Jahresbeginn als gut. Das sind zwei Prozentpunkte mehr als in der Vorumfrage im Herbst. Hingegen sinkt der Anteil der Unternehmen, die von einer schlechten Geschäftslage berichten, leicht auf 15 Prozent (zuvor 19 Prozent). Der Saldo aus guten und schlechten Lageeinschätzungen verbessert sich damit im Vergleich zum Herbst um 6 auf 19 Punkte. Besonders die Industrieunternehmen können von einer einsetzenden Entspannung im Lieferverkehr profitieren und die noch hohen Auftragsbestände abarbeiten. 36 Prozent der Industriebetriebe schätzen die Lage als gut ein (drei Prozentpunkte mehr als im Herbst) und 15 Prozent (gegenüber 19 Prozent in der Herbstumfrage) als schlecht.

Energie- und Rohstoffpreise bleiben Hauptrisiko

Aufgrund der Preisberuhigung an den Energiemärkten, der hohen Füllstände in den Gasspeichern und damit dem Ausbleiben einer Gasmangellage schätzen die Unternehmen das Risiko der Energie- und Rohstoffkosten
als etwas weniger wichtig ein. Es bleibt aber mit 72 Prozent deutlich das Hauptrisiko (82 Prozent ergab die Herbstumfrage).
Selbst in der aktuellen Krise ist aus Sicht der befragten Betriebe der Fachkräftemangel das zweitgrößte Geschäftsrisiko. Drei von fünf Unternehmen (60 Prozent) fürchten einen Personalmangel. In der Industrie erreicht der Fachkräftemangel mit 61 Prozent einen neuen Höchstwert. Und auch andere Risiken wie Arbeitskosten (49 Prozent), Inlandsnachfrage (48 Prozent) oder wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen (41 Prozent)
werden von den Unternehmen noch deutlich häufiger als Geschäftsrisiken genannt als noch vor der Corona-Pandemie.

Investitionsplanungen weiter zurückhaltend

Die Investitionsabsichten der Unternehmen bleiben weiter vorsichtig. Zwar gibt es auch hier eine leichte Verbesserung gegenüber der Herbstumfrage, insbesondere wollen nun weniger Betriebe ihre Investitionen
zurückfahren (26 statt 34 Prozent). Dennoch wirken sich die immer noch schwachen Geschäftsaussichten auch auf die Investitionspläne aus. Zudem sind die Budgets vieler Unternehmen nach wie vor durch hohe Energie-, Material-, Arbeits- und neuerdings auch Fremdkapitalkosten belastet. Ein Fünftel aller Unternehmen muss aufgrund der hohen Kostenbelastung Investitionen zurückstellen. Mit steigenden Investitionen in den kommenden zwölf Monaten rechnen mit 27 Prozent nur geringfügig mehr Betriebe als im Herbst (24 Prozent).