Auslandsentsendung von Arbeitnehmern

In Zeiten der Globalisierung wächst die Bedeutung des internationalen Einsatzes von Mitarbeitern. Ausländische Unternehmen beschäftigen ihre Mitarbeiter in Deutschland ebenso wie deutsche Unternehmen ihre Arbeitnehmer im Ausland einsetzen. Diese grenzüberschreitende Entsendung von Arbeitnehmern betrifft insbesondere die Problembereiche des Arbeits-, Sozialversicherungs- und Steuerrechtes. Dieses Merkblatt soll einen Überblick über die wesentlichen rechtlichen Fragen im Zusammenhang mit der Entsendung von Arbeitnehmern ins Ausland verschaffen und eine Hilfestellung bei der Beurteilung anbieten.

Begriff der Arbeitnehmerentsendung

Eine Arbeitnehmerentsendung liegt grundsätzlich dann vor, wenn ein Arbeitnehmer auf Weisung seines inländischen Arbeitgebers (entsendendes Unternehmen) im Ausland eine Beschäftigung für ihn ausübt. Eine Entsendung kann auch dann vorliegen, wenn der Arbeitnehmer vor der Entsendung ins Ausland an einem Stammarbeitsplatz noch nicht eingesetzt wurde. Entscheidend ist, dass eine Rückkehr an einem Stammarbeitsplatz geplant ist. Lebt der Arbeitnehmer bereits im Ausland bzw. ist dort beschäftigt und nimmt von dort aus eine Beschäftigung für einen inländischen Arbeitgeber auf, handelt es sich um eine Ortskraft. Ein Fall der Entsendung liegt dann nicht vor.
Weiterhin muss die Beschäftigung im Ausland im Voraus zeitlich begrenzt sein. Die zeitliche Begrenzung kann sich aus der Eigenart der Beschäftigung (z. B. Abwicklung eines bestimmten Projektes) oder aus einer vertraglichen Vereinbarung ergeben. Für den Umfang der Befristung gilt keine bestimmte, feste Zeitgrenze. Der Zeitraum muss jedoch überschaubar sein.

Arbeitsrecht

Wie bereits dargestellt, betreffen grenzüberschreitende Entsendung von Arbeitnehmern insbesondere auch Problembereiche des Arbeitsrechtes. Im Wesentlichen stellen sich die Fragen, welches Recht auf das Arbeitsverhältnis anwendbar ist, wie sich die Entsendung auf den Arbeitsvertrag auswirkt, inwiefern der Betriebsrat zu beteiligen ist und was innerhalb der EU zu beachten ist. 

Rechtswahl durch die Parteien

Arbeitnehmer und Arbeitgeber können im Rahmen ihrer Vertragsfreiheit das auf das Arbeitsverhältnis anwendbare Recht vereinbaren (Art. 3 Rom I-VO). Dieser Grundsatz unterliegt jedoch Einschränkungen. Insbesondere darf die Rechtswahl der Parteien nicht arbeitnehmerschützende zwingende Vorschriften des Rechts ausschalten, welches ohne die Wahl anwendbar wäre (vgl. dazu unten). 

Mangels einer Rechtswahl anwendbares Recht

Fehlt eine derartige Vereinbarung, richtet sich das anwendbare Recht in erster Linie nach dem gewöhnlichen Arbeitsort gemäß Art. 8 Abs. 2 Rom I-VO. Der gewöhnliche Arbeitsort ist bei vorübergehenden Entsendungen ins Ausland der inländische Arbeitsort. In der Regel bleibt somit das deutsche Recht anwendbar, wenn es sich nur um eine vorübergehende Entsendung handelt. Verrichtet der Arbeitnehmer seine Arbeit gewöhnlich nicht in ein und demselben Staat, ist grundsätzlich das Recht des Landes maßgebend, in dem sich die Niederlassung befindet, die den Arbeitnehmer eingestellt hat. In beiden Fällen ist eine Ausnahme vorgesehen, wenn das Arbeitsverhältnis nach den Gesamtumständen eine engere Verbindung zu einem anderen Staat aufweist. Dann gilt das Recht dieses Staates.

Zwingende Vorschriften

Die zwingenden Vorschriften gelten unabhängig vom vereinbarten bzw. mangels einer Rechtswahl anwendbaren Recht: 
Öffentlich-rechtliche Vorschriften des Arbeitsortes, wie z. B. Regelungen über Arbeitserlaubnis, gesetzliche Arbeitszeit, Nacht- und Sonntagsarbeit, Mindestlöhne, Feiertage sowie Arbeitsschutz -und Arbeitssicherheitsvorschriften, gelten in jedem Fall und zwar unabhängig von dem auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Recht. Innerhalb der EU sind aufgrund der europäischen Entsenderichtlinie außerdem bestimmte zusätzliche Mindestarbeitsbedingungen auch für entsandte deutsche Arbeitnehmer anwendbar (vgl. für Deutschland die anwendbaren Arbeitsbedingungen nach dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz [AEntG]). Dies sind insbesondere die Regelungen über den Mindesturlaub sowie die Mindestentgeltssätze einschließlich der Überstundensätze. Sie können unter anderem auch in Tarifverträgen geregelt sein, die für allgemeinverbindlich erklärt worden sind.
Hinweis: Informationen über die anwendbaren Vorschriften im jeweiligen Beschäftigungsland können sie bei den Auslandshandelskammern oder bei Germany Trade und Invest (GTAI), der Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland für Außenwirtschaft und Standortmarketing in Berlin erhalten. Weiterführende Links finden Sie in diesem Merkblatt unter Ziffer 6.
Wichtig: Bei der grenzüberschreitenden Entsendung von Arbeitnehmern müssen Arbeitgeber immer prüfen, welche weiteren Vorschriften des Staates, in den der Arbeitnehmer entsandt wird, neben den in diesem Merkblatt erläuterten Vorschriften des deutschen Arbeits-, Sozial- und Steuerrechts zu beachten sind ! Neben den bereits erwähnten zwingenden Arbeitnehmerschutzvorschriften können weitergehende Melde- und Dokumentationspflichten hinzukommen. Erste Informationen hierzu finden Sie auf den Seiten der Auslandshandelskammern sowie auf den Seiten der GTAI (siehe unten, Ziffer 6 „Weiterführende Informationen im Internet“).
Zwingende Arbeitnehmerschutznormen, die günstiger sind, als die des gewählten Rechts, behalten ihre Geltung. Diese Normen können dem öffentlichen oder privaten Recht angehören oder auch einem Tarifvertrag, dem die Parteien unterworfen sind. Beispiele für Arbeitnehmerschutznormen sind: Arbeitszeitrecht, Feiertagsrecht, Jugendschutz, Mutterschutz, Kündigungsschutz, Normen des Urlaubsrechts sowie solche über die Lohnzahlung, aber auch andere Vorschriften, welche die Rechtsstellung des Arbeitnehmers verbessern sollen.
Bestimmte zwingende Normen des deutschen Rechts setzen sich gegenüber den geltenden Vorschriften des fremden Rechts durch und zwar unabhängig davon, ob sie kraft Rechtswahl oder aufgrund des mangels einer Rechtswahl geltenden Rechts zur Anwendung kommen. Solche international zwingende Normen (Art. 9 Rom I-VO) sind die Regelungen zum Schutz bestimmter Arbeitnehmergruppen (Jugendliche, Behinderte, Schwangere und Mütter). Weiterhin sind bestimmte Regelungen des besonderen Kündigungsschutzes erfasst, beispielsweise bei Massenentlassungen, der betriebsverfassungsrechtliche Kündigungsschutz sowie dieser zugunsten von Schwerbehinderten, Schwangere und Müttern, die Vorschriften über die Arbeitnehmerüberlassung und überwiegend auch die Regelungen über die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall.

Auswirkungen auf den Arbeitsvertrag

Da der Arbeitgeber die Entsendung nicht einseitig aufgrund seines Direktionsrechts anordnen kann, ist grundsätzlich eine einvernehmliche Änderung des Arbeitsvertrages erforderlich (Entsendung aufgrund einer Zusatzvereinbarung). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz besteht dann, wenn im Arbeitsvertrag die Entsendemöglichkeit bereits ausdrücklich vorgesehen ist (arbeitsvertragliche Entsendung) oder bei sehr kurzen Entsendungen (Dienstreisecharakter).
Liegt eine arbeitsvertragliche Entsendung vor, bedeutet dies, dass der Arbeitnehmer zur Auslandstätigkeit verpflichtet ist. Sie ist von relativ kurzer Dauer; klassisch sind die sogenannten Montagefälle. Die Tätigkeit sollte drei, maximal sechs Monate nicht überschreiten. Bei einer Entsendung aufgrund einer Zusatzvereinbarung bleibt das Arbeitsverhältnis mit dem deutschen Arbeitgeber mit allen Rechten und Pflichten bestehen. Die aufgrund der vorübergehenden Auslandstätigkeit entstehenden Besonderheiten werden in einer Zusatzvereinbarung geregelt. Der Arbeitnehmer ist zu dieser Auslandstätigkeit also nicht arbeitsvertraglich verpflichtet.
Bei der Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag ist zu beachten, dass bei einer Entsendedauer von über einem Monat der Arbeitgeber neben den wesentlichen Vertragsbedingungen, wie z. B. Arbeitsort, Arbeitsentgelt, Kündigungsfristen, laut Nachweisgesetz zusätzlich folgendes schriftlich niederzulegen hat:
  • Dauer der Auslandstätigkeit,
  • Währung, in der das Arbeitsentgelt ausgezahlt wird
  • mit dem Auslandsaufenthalt verbundenes zusätzliches Entgelt und Sachleistungen,
  • Bedingungen für die Rückkehr des Arbeitnehmers.
  • Diese Bedingungen müssen dem Arbeitnehmer vor dessen Abreise ausgehändigt werden.
  • Überdies ist es sinnvoll, insbesondere folgende Punkte bei der vertraglichen Gestaltung zu regeln:
  • Beschreibung der Tätigkeit im Ausland
  • Dauer der Entsendung
  • Arbeitszeit
  • Feiertage
  • Urlaub
  • Gehaltskonto
  • Trennungsentschädigung
  • Ausgleich von Mehraufwendungen (z. B. Reisekosten, Umzugskosten, Unterkunft, Heimreisen)
  • zusätzliche Unfallversicherung
  • Fortführung der betrieblichen Altersversorgung
  • Weiterbeschäftigung und Art der Tätigkeit nach der Rückkehr
  • Kostentragung bei vorzeitiger Rückkehr
  • auf den Vertrag anwendbares Recht
Hinweis: Grundsätzlich ist der Arbeitgeber nicht zur Tragung von Umzugskosten verpflichtet. Denn ein Umzug gehört zum privaten Lebensbereich des Arbeitnehmers, selbst wenn dieser aus beruflichen Gründen erfolgt. Allerdings gilt dieser Grundsatz nicht in den Fällen, in denen der Arbeitnehmer aus dienstlichen Gründen an einen weit entfernten Ort versetzt wird. In diesen Fällen hat der Arbeitnehmer einen gesetzlichen Anspruch auf Erstattung der dadurch entstandenen Umzugskosten gemäß § 670 BGB (vgl. BAG Urteil vom 21.03.1973 Az.: 4 AZR 187/72).

Beteiligungsrechte des Betriebsrates

Unabhängig von der Frage, ob dem Arbeitnehmer im Rahmen der Entsendung eine andere Aufgabe zugewiesen wird, ist die Zustimmung des Betriebsrates erforderlich, wenn die Entsendung länger als einen Monat andauert. In diesen Fällen liegt nämlich eine Versetzung i. S. d. §§ 99, 95 Absatz 3 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) vor.
Eine Entsendung, die höchstens einen Monat andauert, erfordert die Zustimmung des Betriebsrates nur dann, wenn eine erhebliche Änderung der Arbeitsumstände vorliegt. 

Arbeitnehmerfreizügigkeit gemäß Art. 45 AEUV

Grundsätzlich bedarf es für die Beschäftigung von Arbeitnehmern im Ausland einer Aufenthalts bzw. Arbeitsgenehmigung (in Deutschland ist z. B. ein Aufenthaltstitel erforderlich). Innerhalb der EU ist die Entsendung von Arbeitnehmern aufgrund der in Artikel 45 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV, vormals Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft [EGV]) geregelten Arbeitnehmerfreizügigkeit genehmigungsfrei. Informationen über erforderliche Genehmigungen in anderen Staaten erhalten Sie bei den dort zuständigen Auslandshandelskammern, vgl. unter www.ahk.de

Sozialversicherungsrecht

Bei einer Entsendung von Mitarbeitern ins Ausland stellt sich weiterhin die Frage, welche Besonderheiten hinsichtlich ihrer soziale Absicherung zu beachten sind.

Ausstrahlung

Bei einer vorübergehenden Entsendung, die in Folge der Eigenart der Beschäftigung oder vertraglich im Voraus zeitlich begrenzt ist, bleibt der Arbeitnehmer weiterhin in Deutschland sozialversicherungspflichtig (sogenannte Ausstrahlung, § 4 SGB IV). Besteht dagegen das Arbeitsverhältnis zu einer ausländischen Tochtergesellschaft oder liegt eine dauerhafte Auslandstätigkeit vor, so ist der Arbeitnehmer ausschließlich bei der ausländischen Sozialversicherung beitragspflichtig und leistungsberechtigt.
Voraussetzungen für die Sozialversicherungspflicht in Deutschland sind:
  • Beschäftigungsverhältnis im Inland
    Es müssen vertragliche Bindungen des Arbeitnehmers zu einem Arbeitgeber im Inland bestehen. Damit liegt eine Entsendung nicht vor, wenn ein Arbeitnehmer im Ausland wohnt und dort von einem inländischen Arbeitgeber für eine Tätigkeit im Ausland angeworben wird. Wird ein Mitarbeiter eines Großunternehmens an eine selbstständige Tochterfirma im Ausland abgeordnet, bleibt die deutsche Sozialversicherungspflicht nur dann bestehen, wenn das Entgelt des abgeordneten Arbeitnehmers weiter vom Mutterunternehmen gezahlt wird und dieses auch weisungsbefugt bleibt. 
  • Entsendung ins Ausland
    Eine Entsendung nach dem Vierten Sozialgesetzbuch (§ 4 SGB IV) setzt voraus, dass sich der Arbeitnehmer von seinem Beschäftigungsort in der Bundesrepublik in ein anderes Land begibt. 
  • Zeitliche Begrenzung
    Diese muss im Voraus erfolgen. Eine maximal zulässige Gesamthöchstdauer für eine Entsendung gibt es jedoch nicht. Die Ausstrahlung endet jedenfalls dann, wenn die zunächst zeitlich begrenzte Auslandstätigkeit in eine dauerhafte Tätigkeit im Ausland übergeht. Es muss also gewährleistet sein, dass der Arbeitnehmer nach Beendigung des Auslandsaufenthalts beim entsendenden Arbeitgeber weiterbeschäftigt wird. 

Pflichtversicherung auf Antrag

Untersteht der Arbeitnehmer nach den o. g. Voraussetzungen nicht der deutschen Sozialversicherungspflicht, bestehen folgende Möglichkeiten den Versicherungsschutz in Deutschland aufrechtzuerhalten:
  • Rentenversicherung
    Ist der Auslandsaufenthalt zeitlich begrenzt, kann der Arbeitgeber die sogenannte Pflichtversicherung für seinen Arbeitnehmer abschließen (§ 4 SGB VI). Hierzu muss er einen Antrag an die Deutsche Rentenversicherung Bund (www.deutsche-rentenversicherung.de) richten. Besteht keine zeitliche Begrenzung, gibt es nur die Möglichkeit der freiwilligen Versicherung, bei der die Beitragshöhe individuell festgelegt werden kann (§ 7 SGB VI). 
  • Krankenversicherung
    Auch hier ist eine freiwillige Versicherung möglich (§ 9 SGB V). 
  • Pflegeversicherung
    Die Weiterversicherung in der sozialen Pflegeversicherung setzt einen Antrag voraus, der spätestens einen Monat nach dem Ausscheiden aus der Versicherungspflicht zu stellen ist (§ 26 SGB XI). 
  • Unfall-/Arbeitslosenversicherung In beiden Fällen besteht keine Möglichkeit der freiwilligen Versicherung in der gesetzlichen Versicherung. Einige Berufsgenossenschaften bieten jedoch einen Auslandsunfallversicherungsschutz an. 

Besonderheiten bei Entsendung innerhalb der EU/EWR

Voraussetzungen
Innerhalb der EU bzw. des europäischen Wirtschaftsraumes (EWR) gelten speziellere Bestimmungen. Nach der seit dem 1. Mai 2010 geltenden EU-Verordnung VO (EG) 883/2004 unterliegt der entsandte Arbeitnehmer allen Zweigen der deutschen Sozialversicherung (Kranken-, Pflege-, Arbeitslosen-, Renten- und Unfallversicherung), wenn:
  • der entsandte Arbeitnehmer EU-Bürger ist,
  • ein Beschäftigungsverhältnis mit einem in Deutschland ansässigen Unternehmen besteht,
  • es sich um eine Entsendung handelt, d.h. eine tatsächliche Bewegung aus Deutschland heraus und
  • die Entsendungsdauer auf höchstens 24 Monate befristet ist (Verlängerung nicht möglich).
Die bis zum 30. April 2010 geltende EU-Verordnung VO (EWG) 1408/71 gilt weiterhin im Verhältnis zu Island, Liechtenstein, Norwegen, Grönland und zur Schweiz. Hier gilt eine maximale Entsendungsdauer von 12 Monaten, wobei eine Verlängerung möglich ist.
Formalitäten
Um das Verfahren zu vereinfachen, haben die EU/EWR-Mitgliedstaaten die Verwendung einheitlicher Vordrucke vereinbart. Eine Übersetzung ist daher nicht erforderlich. 
Entsendeausweis (Formular A 1)
Der Arbeitgeber oder der Arbeitnehmer muss bei der gesetzlichen Krankenkasse (privat krankenversicherte Personen bei der Deutschen Rentenversicherung Bund) einen Entsendeausweis beantragen, der als Nachweis für die Fortgeltung des deutschen Rechts und der deutschen Versicherungspflicht gilt. Die Bescheinigung sollte so rechtzeitig beantragt werden, dass sie bei Aufnahme der Tätigkeit im Ausland bereits vorliegt.
Hinweis: Rechtlich gesehen ist das Formular A 1 bei jeder Entsendung, d. h. auch schon bei einer eintägigen Beschäftigung im Ausland, zu beantragen und mitzuführen. In der Praxis wird jedoch bei kurzfristig anberaumten Dienstreisen wegen der Bearbeitungszeit des Antrags häufig darauf verzichtet. Im Bedarfsfall kann das Formular A 1 auch noch nachträglich erteilt werden.
Im Verhältnis zu den Staaten, bei denen weiterhin die EU-Verordnung VO (EWG) 1408/71 Anwendung findet, existieren weiterhin die Formulare 101 (Entsendeausweis) und 102 (Verlängerungsantrag).

Europäische Krankenversicherungskarte

Die europäische Krankenversicherungskarte berechtigt den Versicherten (und ihn begleitende Familienangehörige, die beim Arbeitgeber familienversichert sind) Leistungen im Ausland in Anspruch zu nehmen.

Wo erhalten Sie die Formulare?

Das Formular A1 stellt die jeweilige deutsche gesetzliche Krankenversicherung im Bedarfsfall aus. Informationen zum Antragsvordruck für den Arbeitgeber auf Ausstellung des Formulars A 1 findet sich auf den Internetseiten der Deutschen Verbindungsstelle Krankenversicherung - Ausland (DVKA).  Ist der Arbeitnehmer nicht Pflicht- oder freiwilliges Mitglied einer deutschen gesetzlichen Krankenversicherung, so stellt das Formular die Deutsche Rentenversicherung Bund aus. Die Adressen der Behörden im Ausland erfahren Sie ebenfalls über:
Deutsche Verbindungsstelle Krankenversicherung – Ausland DVKA
Pennefeldsweg 12c
53177 Bonn
Tel: 0228 / 9530 – 0
Fax: 0228 / 9530 – 600
www.dvka.de
Die europäische Krankenversicherungskarte, erhält der Arbeitnehmer von seiner Krankenkasse.

Sozialversicherungsabkommen

Darüber hinaus hat Deutschland mit einigen Ländern Sozialversicherungsabkommen abgeschlossen. Diese Abkommen sehen vor, dass aus Deutschland entsandte Arbeitnehmer nicht der ausländischen, sondern nur der deutschen Sozialversicherung unterliegen. Hier sollte man sich genau informieren, da die Reichweite der Abkommen unterschiedlich ist und zum Teil nur die Renten- oder Krankenversicherung betrifft. Staaten mit denen Deutschland ein Sozialversicherungsabkommen getroffen hat, finden Sie im Internet unter: https://www.dvka.de/de/arbeitgeber_arbeitnehmer/merkblaetter_arbeiten_in/merkblaetter_arbeiten_in.html

Steuerrecht

Neben dem Arbeits- und Sozialversicherungsrecht betreffen grenzüberschreitende Entsendungen von Arbeitnehmern insbesondere auch Problembereiche des Steuerrechtes. Aus steuerrechtlicher Sicht stellen sich im Wesentlichen die Fragen, ob der Arbeitslohn weiterhin im Inland steuerpflichtig ist und wenn das der Fall ist, wie die im Ausland erhobene Steuer bei der deutschen Einkommensteuer berücksichtigt wird.

Steuerpflicht

Natürliche Personen sind in Deutschland unbeschränkt einkommensteuerpflichtig, wenn sie im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben.
Im Rahmen von Arbeitnehmerentsendungen wird es in diesem Zusammenhang für die Frage der Steuerpflicht des Arbeitslohns in der Regel auf den Wohnsitz des Arbeitnehmers ankommen. Ist dieser weiterhin in Deutschland, bleibt er nach dem genannten Grundsatz mit seinem Arbeitslohn in Deutschland steuerpflichtig.
Bei ins Ausland entsendeten Arbeitnehmern ist ein inländischer Wohnsitz zu vermuten, wenn die Wohnung im Inland beibehalten wird und deren Benutzung jederzeit möglich ist. Dies kann auch dann der Fall sein, wenn sie während des Auslandsaufenthalts kurzfristig (bis zu sechs Monaten) zwischenvermietet wird, um sie nach der Rückkehr wieder zu benutzen. Wird dagegen die Wohnung definitiv gekündigt oder verkauft, wird der Wohnsitz regelmäßig aufgegeben. Bei Eheleuten gilt, dass ein Ehegatte - sofern die Ehegatten nicht dauernd getrennt leben - dieser seinen Wohnsitz prinzipiell dort hat, wo seine Familie lebt.
Beispiele: Ein lediger Arbeitnehmer verkauft/kündigt seine Wohnung und geht für zwei Jahre ins Ausland. Seine Möbel stellt er bei Freunden unter.
Folge: Der Arbeitnehmer hat während dieser Zeit keinen Wohnsitz in Deutschland. Ein Arbeitnehmer geht beruflich für längere Zeit ins Ausland. Seine Familie bleibt in Deutschland wohnen.
Folge: Der Arbeitnehmer behält seinen Wohnsitz in Deutschland bei.
Hinweis: Hat der Steuerpflichtige aufgrund der Auslandstätigkeit weder seinen Wohnsitz noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland, ist er mit seinen in Deutschland erzielten Einkünften nur beschränkt steuerpflichtig. Es unterliegen in diesem Fall nur diejenigen Einkünfte der inländischen Besteuerung, die im Inland erwirtschaftet werden (Quellenstaatsprinzip). Dazu zählen zum Beispiel Einkünfte aus Kapitalvermögen oder aus Vermietung und Verpachtung einer in Deutschland gelegenen Wohnung.
Achtung: Führt der Arbeitgeber zu Unrecht keine Lohnsteuer ab, so haftet er auf die fehlende Summe. Dieses Problem wird insbesondere dann relevant, wenn eine Entsendung an eine ausländische Konzerntochter geschieht und die Absprachen zwischen den einzelnen Konzernunternehmen bzw. der jeweiligen Lohnabteilungen mangelhaft sind.
Unbeschränkt Steuerpflichtige unterliegen mit ihren gesamten inländischen und ausländischen Einkünften in Deutschland der Einkommensteuer. Man nennt diesen Grundsatz das Welteinkommensprinzip. Bei Auslandstätigkeiten tritt bei der Besteuerung der Vergütungen allerdings regelmäßig, als weiterer Berechtigter, der Fiskus des Tätigkeitsstaates hinzu. Um in diesen Fällen eine Doppelbesteuerung zu vermeiden, sieht das deutsche Einkommensteuerrecht verschiedene Möglichkeiten vor, die sich danach unterscheiden, ob mit dem Staat, in den der Arbeitnehmer entsandt wird, ein sogenanntes Doppelbesteuerungsabkommen besteht oder nicht.

Steuerfreistellung bei Staaten mit Doppelbesteuerungsabkommen

Zur Vermeidung der Doppelbesteuerung hat die Bundesrepublik Deutschland mit einer Vielzahl von Staaten Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, sogenannte Doppelbesteuerungsabkommen, abgeschlossen.
Nach den in den Doppelbesteuerungsabkommen enthaltenen Regelungen zu den Arbeitnehmereinkünften wird das Besteuerungsrecht in der Regel dem Staat zugewiesen, in dem der Arbeitnehmer seine Tätigkeit ausübt. Die entsprechenden Einkünfte werden in Deutschland von der Einkommensteuer regelmäßig freigestellt. Sie beeinflussen aber die Höhe des Steuersatzes, mit dem die inländischen Einkunftsanteile, wie zum Beispiel Kapitalerträge oder Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, besteuert werden.
Hinweis: Die gegenwärtig bestehenden Doppelbesteuerungsabkommen finden Sie auf den Seiten des Bundesfinanzministeriums.

183-Tage-Regelung

Eine wichtige Ausnahme von diesem Grundsatz stellt die sogenannte 183-Tage-Regelung dar. Diese Regelung hat zur Folge, dass die Einkünfte dann abweichend von dem vorstehend in den Doppelbesteuerungsabkommen enthaltenen Grundsatz nicht im Land des Tätigkeitsorts, sondern im Wohnsitzstaat des Arbeitnehmers besteuert werden, wenn
  • der Arbeitnehmer sich nicht länger als 183 Tage im Jahr im Tätigkeitsstaat im Ausland aufhält und
  • die Vergütung nicht von oder für einen Arbeitgeber gezahlt wird, der im Tätigkeitsstaat ansässig ist und
  • auch nicht von einer Betriebsstätte getragen wird, die der Arbeitgeber im Tätigkeitsstaat hat.
  • Ankunfts- und Abreisetag
  • Alle Tage der Anwesenheit vor, während und unmittelbar nach der Tätigkeit, z. B. Samstage, Sonntage, Feiertage
  • Tage der Anwesenheit während Arbeitsunterbrechungen, z. B. Streik, Aussperrung Urlaubstage, die unmittelbar vor, während und unmittelbar nach der Tätigkeit im Tätigkeitsstaat verbracht werden
Beispiel 1:
A ist für seinen deutschen Arbeitgeber in Österreich tätig. Mit Österreich besteht ein Doppelbesteuerungsabkommen. Eine Betriebsstätte des Arbeitgebers in Österreich besteht nicht.
A ist vom 1. Januar bis 15. Juni 2006 in Österreich tätig.
Direkt im Anschluss hieran verbringt er dort bis 15. Juli 2006 seinen Urlaub.
A ist vom 1. Oktober 2005 bis 31. Mai 2006 in Österreich tätig.
Lösung: 183-Tage-Regel unterschritten. Österreich hat kein Besteuerungsrecht. Österreich hat Besteuerungsrecht, weil sich A länger als 183 Tage in Österreich aufgehalten hat. Österreich hat kein Besteuerungsrecht, da die 183-Tage-Frist für jedes Jahr gesondert zu ermitteln ist.
Für die Ermittlung der jeweiligen Fristen ist aufgrund von Besonderheiten in einzelnen Doppelbesteuerungsabkommen und Vertragsstaaten auf die jeweilige konkrete Regelung und das in einigen Staaten abweichende Steuerjahr zu achten.
Für die Höhe des bei Überschreitung der 183-Tage-Frist freizustellenden Arbeitslohns gilt, dass Arbeitslohn, der der Tätigkeit im Ausland direkt zuzuordnen ist, in vollem Umfang in Deutschland freizustellen ist. Arbeitslohn, der der Tätigkeit im Ausland nicht direkt zugeordnet werden kann (vor allem einmalige Sonderzahlungen, die für die gesamte Arbeitstätigkeit im In- und Ausland geleistet werden, z. B. Gratifikationen, Prämien oder Weihnachtsgeld), ist im Verhältnis der im Ausland geleisteten Arbeitstage zu den übrigen Arbeitstagen aufzuteilen.
Beispiel 2:
Der in Deutschland ansässige A arbeitet 3/4 seiner im Jahr erbrachten Arbeitstage in Österreich und 1/4 in Deutschland. Er erhält Weihnachtsgeld.
Lösung: Der im Rahmen seiner Tätigkeit in Österreich verdiente Arbeitslohn ist in Deutschland frei zu stellen. Österreich hat diesbezüglich das Besteuerungsrecht. Das Weihnachtsgeld wird zu 3/4 der Tätigkeit in Österreich zugerechnet und zu 1/4 der in Deutschland.

Verfahrenshinweise für das Lohnsteuerabzugsverfahren

Lohnsteuerabzugsverfahren
Für das Lohnsteuerabzugsverfahren sind die Regelungen des Doppelbesteuerungsabkommens zu beachten: Ist nach den Regelungen des jeweiligen Doppelbesteuerungsabkommens die Steuerbefreiung von einem Antrag abhängig, darf der Lohnsteuerabzug nur dann unterbleiben, wenn eine Bescheinigung des Finanzamtes der Betriebsstätte vorliegt, die bestätigt, dass der Arbeitslohn nicht der deutschen Lohnsteuer unterliegt (Freistellungsbescheinigung). Die Freistellungsbescheinigung ist vom Arbeitnehmer oder in dessen Auftrag vom Arbeitgeber beim zuständigen Finanzamt der Betriebsstätte des Arbeitgebers auf amtlichem Vordruck zu beantragen. Das Finanzamt muss in der Freistellungsbescheinigung die Geltungsdauer angeben. Die Geltung wird auf höchstens drei Jahre begrenzt. Die Bescheinigung ist vom Arbeitgeber als Beleg zum Lohnkonto aufzubewahren. Ist die Steuerfreistellung nach den Regelungen des Doppelbesteuerungsabkommens antragsunabhängig, hat das Finanzamt der Betriebsstätte gleichwohl auf Antrag eine Freistellungsbescheinigung zu erteilen. Zur Vermeidung von Haftungsrisiken des Arbeitgebers ist auch in diesen Fällen ein entsprechender Antrag zu empfehlen.

Veranlagungsverfahren

Im Veranlagungsverfahren wird dann geprüft, ob die Voraussetzungen für die Freistellung des Arbeitslohns tatsächlich erfüllt sind (vgl. § 50d Abs. 8 EStG). Das gilt auch dann, wenn entsprechende Freistellungsbescheinigungen durch das Finanzamt der Betriebsstätte erteilt worden sind.
Bei unbeschränkt steuerpflichtigen Arbeitnehmern wird der im Ausland erzielte Arbeitslohn, ungeachtet der jeweiligen Doppelbesteuerungsabkommen, nämlich nur dann freigestellt, wenn der Arbeitnehmer den Nachweis erbringt, dass
  • entweder für die Einkünfte im Ausland Steuern bezahlt wurden oder
  • der ausländische Staat auf sein Besteuerungsrecht ausdrücklich verzichtet. 

Steueranrechnung bei Staaten ohne Doppelbesteuerungsabkommen

Im Verhältnis zu Staaten, mit denen kein Doppelbesteuerungsabkommen besteht, kann der Steuerpflichtige die im Ausland festgesetzte, entrichtete und keinem Ermäßigungsanspruch unterliegende Steuer grundsätzlich auf die deutsche Einkommensteuer anrechnen.
Die Anrechnung ausländischer Steuern ist nicht im Lohnsteuerabzugsverfahren, sondern nur im Rahmen der Veranlagung des Arbeitnehmers möglich. Der Arbeitnehmer muss gegebenenfalls zur Anrechnung ausländischer Steuern eine Veranlagung beantragen. 
Hinweis: Hier ist ein nützlicher Fragenkatalog (auf „Fragen“ klicken) bereitgestellt, der nach Beantwortung die Lösung zur Frage nach der deutschen Steuerpflicht anbietet. Für den Inhalt dieser Informationen können wir allerdings keine Haftung übernehmen.

Schutz- und Fürsorgepflichten des Arbeitgebers

Bei der Entsendung des Arbeitnehmers ins Ausland unterliegt der Arbeitgeber weiterhin den arbeitsrechtlichen Schutz- und Fürsorgepflichten des deutschen Rechts (§§ 611, 241 Abs. 2 BGB), da gemäß Art. 8 Abs. 2 Rom I-VO auf das Arbeitsverhältnis in aller Regel deutsches Recht Anwendung findet (siehe oben).

Fürsorgepflichten vor Beginn des Auslandseinsatzes

Der Arbeitgeber hat dem Arbeitnehmer gemäß § 2 Abs. 2 NachwG eine Niederschrift über die für das Arbeitsverhältnis geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen, sowie die Pflichtangaben des § 2 Abs. 1 NachwG auszuhändigen. 
Auch muss ein Arbeitgeber die gesundheitliche Eignung des Arbeitnehmers überprüfen, sofern die Lebensumstände am Einsatzort erheblich von den europäischen Bedingungen abweichen; darüber hinaus hat er bei solchen Auslandsentsendungen für Impfschutz zu sorgen. In entsprechenden Ländern ist auch eine medizinische Beratung des Arbeitnehmers angezeigt. Beschäftigte, die in kritische Regionen reisen, sind bestmöglich aufzuklären und zu sensibilisieren. Der Arbeitgeber hat über etwaige Gefährdungen durch bekannte bzw. drohende politisch-gesellschaftliche Unruhen aufzuklären. Vorab sind Reisewarnungen des zuständigen Bundesministeriums abzufragen. Über die ausländische Rechtslage (insbesondere in Bezug auf Straftaten und Ordnungswidrigkeiten) ist der Arbeitnehmer zu informieren, sofern sich für ihn bedeutsame Besonderheiten ergeben. 
Eine weitere Aufgabe des Arbeitgebers ist die Unterstützung des Arbeitnehmers bei den Reiseformalitäten und Umzugskosten.

Weiterführende Informationen im Internet

In folgenden Internetangeboten finden Sie neben allgemeinen Informationen zur Auslandsentsendung auch viele länderspezifische Hinweise sowie die verschiedenen Verbindungsstellen für Auslandsentsendungen:
Stand: August 2017
Diese IHK-Information wurde mit der gebotenen Sorgfalt bearbeitet. Eine Gewähr für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Erläuterungen kann jedoch nicht übernommen werden.