Nachhaltige Lieferketten

Beim nachhaltigen Lieferkettenmanagement geht es um einen ganzheitlichen und systemischen Blick auf alle Stufen der Lieferkette – vom Direktlieferanten in der Region bis zur Rohstoffgewinnung in Asien oder Afrika. Das nachhaltige Lieferkettenmanagement ebnet den Weg, negative Umweltauswirkungen und Menschenrechtsverletzungen zu vermeiden und zu einer nachhaltigen Entwicklung beizutragen.
Das ist oft nicht einfach: Denn der Überblick über die gesamte Wertschöpfungskette bis zur Rohstoffgewinnung ist für Unternehmen herausfordernd, besonders für jene, die in Entwicklungs- und Schwellenländern produzieren oder von dort importieren. Oft sind die gesetzlichen Rahmenbedingungen hinsichtlich Arbeitsbedingungen, Sozialstandards und Umweltbestimmungen in diesen Ländern niedriger als in Industrieländern.

Nationaler Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte (NAP)

Am 10. Dezember 2018 feierte die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen (VN) ihr 70-jähriges Jubiläum. Während die VN zunächst vor allem die Nationalstaaten in der Pflicht sah, die Menschenrechte zu ‎schützen, schrieben sie 2011 mit den VN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechten ‎ausdrücklich auch Unternehmen Verantwortung im Sinne einer „menschenrechtlichen ‎Sorgfalt“ zu. ‎
Die Bundesregierung konkretisiert ihre Erwartungen an staatliche Institutionen und Unternehmen 2016 im sogenannten „Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte“ (NAP). Unternehmen sollen Prozesse menschenrechtlicher Sorgfalt umsetzen und so z.B. eine Grundsatzerklärung zur Achtung der Menschenrechte verabschieden, eine Risikoanalyse für das eigene Geschäftsmodell durchführen und Maßnahmen zur Abwendung potenzieller und tatsächlicher negativer Auswirkungen umsetzen.
Das Deutsche Global Compact Netzwerk unterstützt Unternehmen bei der Wahrnehmung ihrer menschenrechtlichen Sorgfalt durch Hilfestellungen zu Prozessschritten, Zugang zu Self-Assessment-Tools und Argumentationshilfen auf dem Portal www.mr-sorgfalt.de.

Lieferketten- / Sorgfaltspflichtengesetz

Deutschland

Der Bundestag hat im Juni 2021 das Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten – „Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG)“ oder kurz auch „Lieferkettengesetz“ – verabschiedet. Ziel ist es, Menschenrechte und Umwelt in der globalen Wirtschaft besser zu schützen. Dafür tragen auch Unternehmen in Deutschland Verantwortung. Sie müssen dafür Sorge tragen, dass in ihren Lieferketten die Menschenrechte und Umweltstandards eingehalten werden.
Wer ist betroffen?
  • Das Gesetz ist zum 1. Januar 2023 in Kraft getreten und verpflichtet zunächst Unternehmen mit in der Regel mehr als 3.000 Arbeitnehmern und Sitz in Deutschland.
  • Zum 1. Januar 2024 soll der Anwendungskreis dann auf alle Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern erweitert werden. Ins Ausland entsandte Mitarbeiter sowie Leiharbeiter, die mindestens sechs Monate in dem Betrieb beschäftigt sind, werden dabei eingerechnet.
Weitere Informationen zum Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz finden Sie hier.

Europäische Union

Die EU-Staaten haben sich nach längerem Ringen nun auf ein etwas abgeschwächtes EU-Lieferkettengesetz (Corporate Sustainability Due Diligence Directive – CSDDD) geeinigt. Deutschland hat sich der Stimme enthalten.
Wer ist direkt betroffen?
  • Nach einer Übergangsfrist von drei Jahren sind zunächst Firmen mit mehr als 5.000 Beschäftigte und mehr als 1,5 Milliarden Umsatz weltweit betroffen, nach vier Jahren sinkt die Grenze dann auf 4.000 Mitarbeitende und 900 Millionen Umsatz.
  • Nach einer Übergangsfrist von fünf Jahren gilt das Gesetz auch für Unternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigte und mehr als 450 Millionen Euro Umsatz.
Der Risikosektoren-Ansatz wurde aufgegeben.
  • Indirekt sind alle Lieferanten und Geschäftspartner der direkt betroffenen Unternehmen durch eine “vertragliche Kaskade” (“Contractual Cascading”) betroffen.
    Lieferanten müssen ihren direkt dem Gesetz unterliegenden Kunden vertraglich zusichern, sich nach den Verhaltenskodex des Kunden zu richten und wenn notwendig, einen vorbeugenden Aktionsplan oder einen Abhilfeplan aufstellen.
Hier finden Sie den nun verabschiedeten Vorschlag.
Weiterhin hat die EU-Kommission ihren Entwurf für eine Entwaldungsfreie-Produkte-Verordnung zusammengestellt.

Gestaltung von nachhaltigen Lieferketten

Leitsätze und Leitlinien
Unternehmen, die im Ausland produzieren oder aus dem Ausland importieren, können in die Vertragsbedingungen mit ihren Zulieferern Umweltstandards, Arbeitsnormen (etwa ein Mindestalter und bezahlten Urlaub) sowie Gesundheits- und Sicherheitsvorschriften (etwa Mutterschutz und ärztliche Versorgung bei Betriebsunfällen) aufnehmen. Als Orientierungshilfe können beispielsweise die Leitsätze der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) für multinationale Unternehmen dienen oder die internationalen Arbeits- und Sozialstandards der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO), einer Sonderorganisation der Vereinten Nationen.
Auch die EU-Kommission und der Europäische Auswärtige Dienst haben Leitlinien für die Sorgfaltspflichten in der Lieferkette veröffentlicht. Die Leitlinien sollen Unternehmen dabei unterstützen, im Einklang mit internationalen Standards dem Risiko der Zwangsarbeit in der Wertschöpfungskette zu begegnen. Sie helfen bei der Ermittlung, Verhütung, Minderung und Bewältigung der Risiken von Zwangsarbeit.
Die “Guidance on due diligence for EU companies to address the risk of forced labour in their operations and supply chains” finden Sie hier.

Viele Unternehmen verfügen über einen Verhaltenskodex („Code of Conduct“), der die Werte des Unternehmens und erwünschte Verhaltensweisen festhält. Ein solcher Kodex bietet die Möglichkeit, die Hauptlieferanten in die bestehenden Verhaltensrichtlinien mit einzubeziehen.
Länderspezifische Informationen und Umsetzungshilfen
Für die Umsetzung des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes bieten GTAI, DIHK und das Auswärtige Amt ein gemeinsames Unterstützungsangebot zu ausgewählten Ländern.
Die Umsetzungshilfen unterstützen bei der Ermittlung und Vermeidung menschenrechtlicher Risiken in der Lieferkette, sowie bieten Informationen zu gesetzlichen Grundlagen, Präventions- und Abhilfemaßnahmen im Sinne des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes. Als Länder stehen unter anderem China, Indien und die Türkei im Fokus. 
Hier gelangen Sie zum Überblick der GTAI.

Darüber hinaus können sich Unternehmen bei der Auswahl von Zulieferer über die Korruptionsgefahr im jeweiligen Land informieren. Beispielsweise informiert der Corruption Perception Index (CPI) von Transparency International über die Korruption im öffentlichen Sektor der einzelnen Staaten. 
Das Responsible Sourcing Tool informiert auch über länderspezifische Risiken und ist eine gute Informationsquelle für Unternehmen.
Eine Praxis-Filmreihe greift die fünf Kernelemente menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten auf. Die Kurzfilme porträtieren Unternehmen, die bei der Achtung von Menschenrechten in Lieferketten vorangehen und Nachhaltigkeit in ihre betriebliche Praxis integriert haben. Sie zeigen, wie eine erfolgreiche Umsetzung der fünf Kernelemente gelingen kann. Die Filmreihe sowie weitere Informationen finden Sie auf der Internetseite des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales.

Überprüfen Sie Ihre Lieferketten mit Online-Tools

CSR Risiko-Check

Mit dem CSR Risiko-Check können Unternehmen schnell valide Informationen zu potenziellen CSR-Risiken entlang ihrer Lieferkette erhalten. Der CSR Risiko-Check richtet sich an Unternehmen, die ins Ausland exportieren, aus dem Ausland importieren oder im Ausland Produktionsstätten haben. Das kostenfreie Online-Tool, das gemeinsam von MVO Nederland, UPJ und dem Helpdesk Wirtschaft & Menschenrechte der Bundesregierung umgesetzt wird, ist einfach zu bedienen: Nutzer*innen beantworten je eine Frage zu Produkt und/oder Dienstleistung sowie Ursprungsland oder Gebiet. Daraufhin erhalten sie einen übersichtlichen Bericht darüber, welche internationale CSR-Risiken - zu 22 Themen in vier Kategorien - mit ihren Geschäftsaktivitäten zusammenhängen und welche Möglichkeiten sie haben, diese Risiken zu managen.

KMU Kompass

Ihr Unternehmen möchte Verantwortung für soziale und ökologische Nachhaltigkeit entlang seiner gesamten Liefer- und Wertschöpfungskette übernehmen? Der „KMU Kompass“ ist ein praktisches Online-Tool speziell für kleine und mittlere Unternehmen, das Ihnen hilft, Sorgfaltsprozesse Schritt für Schritt zu implementieren. So können Sie ein robustes Lieferkettenmanagement etablieren – und steigenden Anforderungen durch gesetzliche Vorgaben, aber auch seitens Geschäftspartner*innen, Kund*innen und Mitarbeiter*innen leichter gerecht werden. Die Nutzung ist anonym und kostenfrei.

Praxislotse Wirtschaft & Menschenrechte

NEU seit April 2022 ist der Praxislotse Wirtschaft & Menschenrechte: Der „Praxislotse“ bündelt wichtige Informationen und zahlreiche Fallstudien zu konkreten Menschenrechtsthemen, wie Zwangsarbeit, Kinderarbeit, Diskriminierung, existenzsichernde Löhne und faire Arbeitszeiten. So erfahren Sie beispielsweise, welche Faktoren zu Zwangsarbeit beitragen, wie andere Unternehmen die Vereinigungsfreiheit in ihren Lieferketten stärken und wie Diskriminierung in den eigenen Betrieben bekämpft werden kann.

Beratungsangebot Helpdesk Wirtschaft & Menschenrechte

Der Helpdesk Wirtschaft & Menschenrechte der Bundesregierung bietet Unternehmen eine individuelle, vertrauliche und kostenfreie Erstberatung zum Thema Sorgfaltsprozesse. Beratungstermine können angefragt werden unter HelpdeskWiMR@wirtschaft-entwicklung.de oder unter +49 (0) 30 590 099 430.

Konfliktmineralien

In politisch instabilen Gebieten können mit dem Handel von Mineralien bewaffnete Gruppen finanziert, Zwangsarbeit und andere Menschenrechtsverletzungen gefördert und Korruption und Geldwäsche unterstützt werden. Eine EU-Verordnung über Konfliktmineralien soll sicherstellen, dass verantwortungsvolle internationale Beschaffungsstandards eingehalten werden.
Am 1. Januar 2021 trat die EU-Verordnung über Konfliktmineralien in Kraft ((EU) 2017/821). Das bedeutet, dass ab Januar 2021 für EU-Importeure so genannter Konfliktmineralien (Gold, Zinn, Tantal und Wolfram) weitgehende Sorgfalts- bzw. Prüfpflichten entlang der Lieferkette verbindlich werden, um die Finanzierung von Gewalt und Menschenrechtsverletzungen in Konflikt- oder Hochrisikogebieten einzudämmen.
Betroffenen Unternehmen finden hier Unterstützungsangebote:
  • Die EU-Kommission hat unverbindliche Leitlinien für Unternehmen zur Bestimmung von Konflikt- und Hochrisikogebieten sowie Lieferkettenrisiken (Empfehlung (EU) 2018/1149)veröffentlicht.
  • Am 20. November 2019 hat die EU-Kommission ein Online-Portal (“Due Diligence Ready“) eröffnet, um betroffene Unternehmen (insbesondere KMUs) bei der Erfüllung ihrer Sorgfaltsanforderungen im Rahmen der Beschaffung von Mineralien sowie bei der Einhaltung der EU-Verordnung zu Konfliktmineralien einzuhalten.
    Das Portal soll nach Angaben der EU-Kommission als Hilfe für Unternehmen dienen, um Herkunftsinformationen von Metallen und Mineralien einzuholen und deren verantwortungsvolle Beschaffung zu erleichtern. Konkret umfasst das Portal dazu etwa ein FAQ, eine Toolbox mit praktischen Ressourcen für die Erfüllung der Sorgfaltspflichten, ein Begriffsglossar sowie eine Reihe von Webinaren. Die Mitteilung der EU-Kommission sowie den Zugang zum Online-Portal finden Sie hier.
  • Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe hält auf Ihrer Website Hintergrundinformationen sowie FAQs bereit.
  • Der OECD-Leitfaden für die Erfüllung der Sorgfaltspflicht zur Förderung verantwortungsvoller Lieferketten für Minerale aus Konflikt- und Hochrisikogebieten enthält offiziell unterstützte Empfehlungen, mit denen Firmen Schritt für Schritt zu einem verantwortungsvollen globalen Lieferkettenmanageme nt für alle Mineralien angeleitet werden, damit sie die Menschenrechte achten und durch ihre Entscheidungen und Praktiken beim Einkauf von Mineralien oder Metallen keinen Beitrag zu Konflikten leisten.

Veranstaltungen

Das Bildungszentrum der IHK Karlsruhe bietet ganz neu einen Online-Lehrgang zum Thema “Nachhaltiges Lieferkettenmanagement (IHK)” an, welcher in drei Modulen Wissen zu den verschärften gesetzlichen Sorgfaltspflichten vermittelt.
Sie werden mit Hilfe des Lehrgangs künftig in der Lage sein, die Lieferketten Ihres Unternehmens zu analysieren. So können Sie konkrete Maßnahmen ableiten, um Nachhaltigkeitsstandards entlang der Wertschöpfungskette anzuwenden und umzusetzen, mit dem Ziel, ein ganzheitliches Nachhaltigkeitsmanagement im Betrieb zu etablieren.
Weitere Informationen zu diesem Online-Seminar und eine Anmeldung sind möglich über diesen Link.

Weiterführende Informationen und Publikationen

DIHK Sonderauswertung zu Lieferketten 2022
Der DIHK hat in einer Sonderauswertung der Konjunkturumfrage zu Jahresbeginn 2022 die Lieferkettenprobleme von Unternehmen analysiert. Schon vor dem russischen Angriff auf die Ukraine und den daraus resultierenden Verwerfungen in internationalen Lieferketten waren die Unternehmen mit Lieferengpässen und Preissteigerungen konfrontiert. Mit den Folgen des Krieges verstärken sich die Probleme. Die Ergebnisse finden Sie hier.

Going International 2022
Mehr als zehn Monate vor seinem Inkrafttreten beschäftigt das im vergangenen Jahr beschlossene Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) die deutsche Wirtschaft bereits erheblich. Das zeigt eine aktuelle Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) unter rund 2.500 international aktiven Unternehmen aller Größenklassen.
Dabei gab zwar die Hälfe der Betriebe an, das Gesetze stelle sie bislang nicht vor Probleme. Die andere Hälfte sieht sich dagegen spürbaren Herausforderungen ausgesetzt: 93 Prozent von ihnen berichten von höherem bürokratischen Aufwand, 78 Prozent von erhöhten Kosten und 64 Prozent von Haftungsrisiken oder Rechtsunsicherheit.
Die Ergebnisse der Auswertung im Rahmen der Going International 2022 finden Sie hier.

World Business Outlook Herbst 2021 – Lieferkettenprobleme
Lieferkettenprobleme, Protektionismus, globale Entkoppelungstendenzen: Der internationale Handel steht vor großen Herausforderungen. Auf Basis aktueller Unternehmensberichte setzt sich der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) für Reformen der Welthandelsorganisation WTO ein. Dazu hat er auch eine Checkliste erstellt.
Des Weiteren hat der DIHK eine Sonderauswertung zur Lieferkettenthematik, die auf Umfrageergebnissen des AHK World Business Outlook vom Herbst 2021 basiert, veröffentlicht. Inzwischen haben mehr als die Hälfte der deutschen Unternehmen im Ausland Probleme in ihren Lieferketten oder der Logistik – ein Anstieg um 14 Prozent im Vergleich zum Frühjahr.
Die Sonderauswertung “Neusortierung von Lieferketten” sowie das Impulspapier zur WTO-Ministerkonferenz finden Sie hier.