DIHK-Stellungnahme des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundeswirtschaftsministerium zum Gutachten „Industriepolitik in Europa“
Der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) warnt in seinem neuen Gutachten „Industriepolitik in Europa“, vorgelegt am 27. August 2025, vor einer zu breit angelegten und politisch motivierten Industriepolitik. Statt Subventionen und Produktionsvorgaben spricht sich der Beirat für Deregulierung, wettbewerbliche Mechanismen und den Emissionshandel als zentrales Steuerungsinstrument aus.
Kernaussagen des Gutachtens: Marktkonform statt Subventionen
Der Beirat erkennt an, dass industriepolitische Eingriffe in einer sozialen Marktwirtschaft gerechtfertigt sein können – etwa bei Marktversagen, Innovationslücken oder geopolitischen Risiken. Gleichzeitig fordert er aber eine enge Zieldefinition und eine strikte Marktkonformität der Maßnahmen. Fördermittel sollten wettbewerblich vergeben, Eingriffe verhältnismäßig geprüft und bestehende Emissionshandelssysteme (ETS/ETS2) konsequent als zentrales Klimaschutzinstrument genutzt werden.
Besonders kritisch sieht das Gutachten pauschale Produktionsziele wie das im Netto-Null-Industriegesetz (NZIA) festgelegte Vorhaben, bis 2030 40 % der benötigten grünen Technologien in Europa zu produzieren. Dies sei weder klimapolitisch noch sicherheitspolitisch ausreichend begründbar und könne die Transformation unnötig verteuern.
Fokus auf Wachstum – auch bei Zielkonflikten
Als beste Industriepolitik in der aktuellen Lage empfiehlt der Beirat die Rücknahme übermäßiger Regulierung und eine konsequente Entbürokratisierung. In Zielkonflikten – etwa mit dem Datenschutz oder ESG-Kriterien – sei es erforderlich, wirtschaftliches Wachstum politisch höher zu gewichten. Strategische Sektorpolitik auf Basis politisch definierter „Zukunftsindustrien“ lehnt der Beirat ab, da dies zu willkürlicher Förderung und verzerrten Anreizen führen könne.
Zur gezielten Stärkung von Resilienz empfiehlt das Gutachten die Schaffung eines „European Supply Security Office“, das objektive Kriterien für staatliche Eingriffe in besonders verletzliche Sektoren entwickeln soll.
Fazit: Zwischen Wachstumsorientierung und strategischer Steuerung
Das Gutachten plädiert für eine Industriepolitik mit Augenmaß: Eingriffe ja – aber nur dann, wenn sie marktkonform, verhältnismäßig und klar begründet sind. Vor allem aber müsse wirtschaftliches Wachstum wieder zum politischen Leitprinzip werden. Die kontroverse Debatte zeigt jedoch: Zwischen ordnungspolitischer Zurückhaltung und geopolitisch motivierter Industriepolitik bleibt der richtige Kurs in Europa umkämpft.
Quelle: DIHK