Wirtschaftspolitische Positionen für den Einzelhandel

Zum stationären Handel zählen im Kammerbezirk der IHK Karlsruhe u.a. über 9.500 Einzelhandelsbetriebe. Um diese für die Region wichtige Branche zu stärken, legt die IHK Karlsruhe mit den folgenden Positionen die aus ihrer Sicht wichtigsten Vorschläge vor.

Kommunale Einzelhandelskonzepte erstellen

Bau- und Planungsrecht ausschöpfen

Der intensive Wettbewerb im Handel hat Auswirkungen auf die Zukunftsfähigkeit der Städte und Gemeinden in Baden-Württemberg. Nicht integrierte Standorte an den Stadträndern konkurrieren mit gewachsenen Innenstadtlagen und entziehen ihnen Kaufkraft. Die Ansiedlung von Einzelhandelsvorhaben soll nach dem zentralörtlichen Gliederungssystem des Landes Baden-Württemberg, das im Landesentwicklungsplan niedergelegt worden ist, erfolgen. Die IHKs befürworten die Einhaltung des Zentrale-Orte-Systems, insbesondere für die Steuerung von großflächigen Einzelhandelsvorhaben (inklusive Factory-Outlet-Centern). Danach sind großflächige Einzelhandelsbetriebe mit innenstadtrelevanten Sortimenten den jeweiligen Siedlungsschwerpunkten zuzuordnen. Nicht alle Kommunen definieren ihre zentralen Versorgungsbereiche und stellen integrierte Stadtentwicklungskonzepte auf, um für die Funktionsvielfalt der Stadt auch als Wirtschaftsraum zu sorgen. Bau- und Planungsrecht werden nicht ausgeschöpft. Meist fehlen auch strategische Überlegungen zur Sicherung bzw. Attraktivitätssteigerung von Zentren.
Die baden-württembergischen IHKs fordern von den Kommunen die Erstellung von Einzelhandelskonzepten, die oft auch als Märktekonzepte bezeichnet werden, damit großflächige Handelsansiedlungsvorhaben gezielt gesteuert werden können. In der Folge müssen die Bebauungspläne dieser Kommunen entsprechend der Festlegungen im Einzelhandelskonzept zeitnah angepasst werden. Zentrale Versorgungsbereiche können bereits im Flächennutzungsplan ausgewiesen werden und bieten so die Grundlage für eine strategische Handelsansiedlungspolitik.

Chancen des Online-Handels nutzen 

Unterstützung des Landes notwendig

Die Online-Anbieter gewinnen kontinuierlich Marktanteile. Das Internet bietet eine riesige Sortimentstiefe und -breite, mit welcher der stationäre Handel konkurrieren muss. Immer mehr Einzelhandelsbetriebe, die bislang überwiegend als stationäre Händler agieren, nutzen die Chancen, die die Digitalisierung bietet. Die digitale Mindestanforderung an den Handel lautet, dass jeder Händler über einen optimierten Internetauftritt verfügen muss. Aufgrund der enormen Dynamik und der stetig wachsenden Möglichkeiten, die das Internet bietet, besteht dabei insbesondere im mittelständisch geprägten Einzelhandel ein hoher Beratungsbedarf.
Die baden-württembergischen IHKs appellieren vor dem Hintergrund der o.g. Entwicklungen an die Landesregierung, die Handelsbetriebe im Rahmen ihrer Digitalisierungsoffensive auch zukünftig z.B. durch die Ausgabe von Digitalgutscheinen zu unterstützen.

Städtebauförderung zur Entwicklung der Innenstädte sichern

Die Städtebauförderung ist nach wie vor das zentrale Instrument zur städtebaulichen Weiterentwicklung in Baden-Württemberg. 2016 erhielten die Städte und Gemeinden des Landes für Vorhaben der städtebaulichen Erneuerung fast 204 Millionen Euro.
Die baden-württembergischen IHKs sprechen sich dafür aus dieses wichtige Infrastrukturprogramm auch in den kommenden Jahren mit ausreichenden Mitteln von Bund und Land auszustatten. Die Projektfonds-Förderung sollte so ausgestaltet werden, dass auch klassische Stadtmarketing-Projekte in diese Förderung einbezogen werden können.

Stadtmarketing-Initiativen fördern

Nach Erhebungen der baden-württembergischen IHKs gibt es in 176 Städten des Landes Stadtmarketing-Organisationen, das heißt, dort wurde ein City- bzw. Stadtmanager eingestellt, der das örtliche Stadtmarketing vorantreiben kann. Aber auch in vielen Stadtverwaltungen wurden entsprechende Stabsstellen geschaffen. Im Wettbewerb müssen die Städte ihre Stärken, wie zum Beispiel den vielfältigen Angebotsmix weiter entwickeln und in die Aufenthaltsqualität investieren. Dafür sind Stadtmarketing-Initiativen nötiger denn je.
Die baden-württembergischen IHKs regen an, dass die Städte und Gemeinden gemeinsam mit den Gewerbetreibenden die Stadtmarketing-Aktivitäten intensivieren. Darunter verstehen die IHKs nicht ein Mehr an Events und nur kurzfristig wirkenden Projekten und Maßnahmen. Vielmehr sollten die individuellen Stärken der Stadt im Rahmen eines ganzheitlichen Konzeptes entwickelt werden und in einen Maßnahmenplan münden.

Nahversorgung stärken

Nahversorgung ist aus Sicht der baden-württembergischen IHK-Organisation ein Grundelement funktionierender und attraktiver Wirtschaftsräume. Mit Nahversorgung ist nicht nur die Versorgung mit Lebensmitteln gemeint, sondern auch mit vielen anderen Dingen des täglichen Bedarfs. Darüber hinaus spielen die personenbezogenen Dienstleistungen eine zunehmend wichtige Rolle. In ländlichen Gebieten wird es zunehmend schwierig, die Nahversorgung sicherzustellen. Städte und Gemeinden können häufig nicht mehr alle wünschenswerten Angebote und Einrichtungen alleine vorhalten. Durch die Verbesserung der Kooperation benachbarter Kommunen kann die Grundversorgung auch auf dem Land gesichert werden.
Die baden-württembergischen IHKs empfehlen Kommunen zur Sicherung der Grund- und Nahversorgung eine strategische Herangehensweise. Dies beginnt bei der baurechtlichen Steuerung des Einzelhandels inklusive des großflächigen Lebensmitteleinzelhandels und beinhaltet darüber hinaus Elemente der Wirtschaftsförderung. Die Bündelung verschiedener Funktionen im ländlichen Raum stellt einen Lösungsansatz dar.

Erreichbarkeit der Innenstädte für Kunden und Lieferanten sicherstellen

Die Erreichbarkeit von Innenstädten und Ortskernen für den Individualverkehr, für den ÖPNV sowie den Wirtschaftsverkehr ist für die Funktionsfähigkeit der Handelsstandorte entscheidend. Für die Attraktivität der Innenstädte und Ortskerne ist aber auch ein ausreichendes und kostengünstiges Parkraumangebot vonnöten.
Die baden-württembergischen IHKs setzen sich für eine umfassende und problemlose Erreichbarkeit der Innenstädte und Ortskerne ein. Eine einseitige Ausrichtung auf den Radverkehr und den ÖPNV ist nicht zielführend. Die zunehmend strengen Anforderungen der EU an die Luftqualität zum Gesundheitsschutz der Bevölkerung dürfen nicht dazu führen, dass sich die Erreichbarkeit der Städte verschlechtert. Deshalb sollte zum Beispiel der zügige Ausbau von Mobilitätsstationen mit ÖPNV-Anschluss forciert werden. Intelligente Verkehrsmanagement- und Parkleitsysteme erleichtern den Kunden und Touristen die Erreichbarkeit der Zentren und verringern unnötigen Parksuchverkehr.

Handels- und Tourismusvermarktung bündeln

Nach Erhebungen des Deutschen wirtschaftswissenschaftlichen Instituts für Fremdenverkehr an der Universität München (dwif e. V.) haben 376 Millionen Tagestouristen im Jahre 2015 etwa 5,8 Milliarden Euro in die Kassen der stationären Einzelhandelsbetriebe in Baden-Württemberg fließen lassen. Dazu kommen Ausgaben in Höhe von 1,4 Milliarden Euro, die von Übernachtungsgästen getätigt werden. In der Summe werden somit rund 7,2 Milliarden Euro durch Touristen im baden-württembergischen Einzelhandel ausgegeben. Ohne diesen Umsatz wäre das Handels- und Dienstleistungsangebot in vielen vom Tourismus geprägten Regionen nicht so umfassend und vielseitig, wie es sich heute darstellt. Davon profitiert auch die einheimische Bevölkerung. Der Inlandsurlaub wird auch in den kommenden Jahren in Deutschland weiter zunehmen. Entsprechend kann der örtliche Handel von dieser Entwicklung profitieren.
Die baden-württembergischen IHKs empfehlen, die örtliche Kooperation der Handels- und Tourismusunternehmen zu intensivieren, um die Umsatzanteile der Touristen im Einzelhandel erhöhen zu können. Immer häufiger werden von den Städten zur Hebung von Synergien die Bereiche Wirtschaftsförderung, Stadt- oder City-Marketing sowie die meist kommunale Tourist-Information unter einem organisatorischen Dach vereint. Diese Entwicklung begrüßen die baden-württembergischen IHKs.

Einzelhandelserlass des Landes überarbeiten

Im Einzelhandelserlass des Landes Baden-Württemberg wird das Instrumentarium erläutert, das eine räumliche Steuerung bei der Planung und Genehmigung von großflächigen Einzelhandelsprojekten mit den Mitteln der Raumordnung und der städtebaulichen Planung ermöglicht. Der Einzelhandelserlass des Landes Baden-Württemberg stammt aus dem Jahre 2001 und dient dem Zweck, eine einheitliche Rechtsanwendung in Baden-Württemberg sicherzustellen. Dabei ist der Einzelhandelserlass selbst keine Rechtsnorm, sondern gibt als Verwaltungsvorschrift die Auffassung der zuständigen Ministerien wider. Der Einzelhandelserlass könnte vor allem für diejenigen kommunalen Entscheidungsträger und Stadt- und Gemeinderäte eine gute Informationsmöglichkeit bieten, die über geringe Vorkenntnisse in der Raum- und Landesplanung und der Bauleitplanung verfügen.
Die baden-württembergischen IHKs regen die Überarbeitung des Erlasses an, da seit 2001 etliche gesetzliche Bestimmungen novelliert wurden und wegweisende höchstrichterliche Urteile ergangen sind.

Anreize setzen

Damit das Gesetz zur Stärkung der Quartiersentwicklung durch Privatinitiative (GQP) Baden-Württemberg genutzt wird

Eigentümergetragene Aufwertungen in Geschäftsquartieren können zu einer Attraktivitätssteigerung führen. Darüber hinaus können sie dazu beitragen, die Funktionsfähigkeit sicherzustellen und die Anzahl der Passanten zu erhöhen. Nicht zuletzt kann dies zu einer Stabilisierung bzw. Steigerung der Immobilienwerte führen. Da die Erfahrungen mit diesem relativ neuen städtebaulichen Instrument in anderen Bundesländern (BID) positiv sind, hat sich die Mehrheit der baden-württembergischen IHKs in 2015 für die Einführung des GQP in Baden-Württemberg ausgesprochen.
Die baden-württembergischen IHKs fordern, dass es durch eigentümergetragene Aufwertungsbereiche nicht zur Verlagerung von hoheitlichen Aufgaben in den Kommunen kommen darf. Die Daseinsvorsorge muss nach wie vor den Städten obliegen. Die eigentümergetragene Aufwertung städtischer Quartiere ist dennoch wünschenswert. Kooperationen der Immobilieneigentümer stärken die Identität von Quartieren und können durch geeignete Maßnahmen eine nachhaltige Aufwertung des Quartiers herbeiführen. Durch die finanzielle Förderung von Pilotprojekten könnte das Land die Gründung von Quartiersgemeinschaften unterstützen.

Rechtssicherheit für Verkaufsoffene Sonntage

Verkaufsoffene Sonntage haben in Zeiten des anhaltenden Strukturwandels im Einzelhandel eine besondere Bedeutung. Vor dem Hintergrund eines geänderten Freizeit- und Einkaufsverhaltens und des wachsenden Online-Handels sind verkaufsoffene Sonntage ein wichtiges Instrument des Stadtmarketings. Ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. November 2015 (Az. 8 CN 2.14) hat die diesbezüglichen Hürden für Sonntagsöffnungen jedoch deutlich erhöht. Demnach muss für die Ladenöffnung an Sonntagen eine Veranstaltung mit prägendem Anlass sowie ein räumlicher Bezug zu den geöffneten Verkaufsstätten gegeben sein. Gleichzeitig muss die Veranstaltung mehr Besucher anziehen als die alleinige Sonntagsöffnung der Geschäfte.
Seitens der Akteure wird die Organisation Verkaufsoffener Sonntage stets mit großem zeitlichem und finanziellem Engagement vorangetrieben. Vor diesem Hintergrund stellt die aktuelle (unsichere) Rechtslage ein großes Risiko für die Durchführbarkeit dar. Die IHK Karlsruhe fordert, anlässlich der aktuellen Rechtsprechung zu Sonntagsöffnungen die Überarbeitung des Baden-Württembergischen Ladenöffnungsgesetz (§ 8 Abs. 1) unter Berücksichtigung folgender Punkte:
  1. Die derzeitige Regelung von maximal drei verkaufsoffenen Sonntagen im Jahr ist ein bewährter Kompromiss, der den grundsätzlichen Schutz der Sonn- und Feiertage nicht in Frage stellt. Die IHK Karlsruhe befürwortet hier jedoch eine bundeseinheitliche Regelung.
  2. Verkaufsoffene Sonntage sollten aus Sicht der IHK Karlsruhe unabhängig von prägenden Veranstaltungen, Märkten, Messen etc. möglich sein. Die Möglichkeit einer Sonntagsöffnung ist mit der Anlassanforderung wesentlich eingeschränkt und gleichzeitig mit erheblichem Aufwand und Bürokratie in der Genehmigungspraxis verbunden.