Konjunktur & Statistik
Die Reallohnverluste der Verbraucherinnen und Verbraucher und die damit erzwungene Sparsamkeit prägen weiterhin die Lage im Einzelhandel. Die oftmals gezahlten „Inflationsprämien“ sind im Handel noch nicht angekommen. Der immerhin leicht nachlassende Preisauftrieb hat die Konsumneigung auf niedrigem Niveau leicht erhöht. Möbelhäuser und Baumärkte klagen gleichermaßen über schwache Umsätze, bei Lebensmitteln und Bekleidung war die Entwicklung im zweiten Quartal erkennbar besser. Die Perspektiven des Einzelhandels bleiben trüb. Nicht anders läuft es im Großhandel. Erst eine nachhaltige Belebung des privaten Konsums und der Investitionen werden die (realen) Umsätze wieder erhöhen können.
Niedersachsen
Wettbewerbsfähigkeit in Gefahr
Das Konjunkturklima der niedersächsischen Wirtschaft hat sich im zweiten Quartal 2023 deutlich eingetrübt, die Geschäftslage bleibt noch zufriedenstellend. Die Erwartungen der Unternehmen bleiben aber aufgrund des zurückhaltenden Konsums und stockender Investitionen ungünstig. „Die Unternehmen in Niedersachsen haben weniger Aufträge. Besonders betroffen sind die energieintensiven Industrien. Dort lohnen sich Neuinvestitionen wegen fehlender Wettbewerbsfähigkeit kaum noch, die Branchen fallen zurück“, so Maike Bielfeldt, Hauptgeschäftsführerin der IHK Niedersachsen. Die trüben Wachstumsperspektiven drücken den IHK-Konjunkturklimaindikator für das zweite Quartal um neun auf 85 Punkte (Vorquartal: 94 Pkt.). Das ist das Ergebnis der Konjunkturumfrage der niedersächsischen Industrie- und Handelskammern mit knapp 1.800 Unternehmensantworten.
Die Zeit der wilden Preissprünge ist zwar vorbei, vielerorts geben sogar die Preise nicht nur für Energie und Rohstoffe, sondern auch für Ge- und Verbrauchsgüter nach. Trotzdem gehören die „alten“ Preise der Vergangenheit an. Höhere Energiekosten, teurere Rohstoffe und Vorprodukte sowie gestiegene Arbeitskosten hinterlassen überall Spuren. Trotz dieser Widrigkeiten bleibt der Fachkräftemangel für mehr als zwei Drittel der Unternehmen (68 %) das Geschäftsrisiko Nummer eins. Auf den Plätzen zwei bis vier der Risiken folgen jeweils mit 58 Prozent aktuell die Energie- und Rohstoffpreise, die Inlandsnachfrage und die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen (vor allem Bürokratie). Die aktuelle Geschäftslage wird zur Jahresmitte etwas schwächer beurteilt, 25 Prozent (Vorquartal: 26 %) der Unternehmen sehen die Lage als gut an, 53 Prozent (Vq. 57 %) sind zufrieden und 21 Prozent (Vq. 17 %) beurteilen ihre Lage als schlecht. Die Erwartungen an die kommenden Monate haben sich aufgrund der Wachstumsschwäche eingetrübt und bleiben ungünstig: 9 Prozent der Unternehmen (Vq. 13 %) rechnen mit einer günstigeren Geschäftsentwicklung, 51 Prozent (Vq. 55 %) erwarten gleichbleibende Geschäfte und 40 Prozent (Vq. 33 %) rechnen mit einer ungünstigen Entwicklung.
Die Geschäftsentwicklung der Industrie hat sich merklich eingetrübt. Die Auftragseingänge bleiben deutlich rückläufig, die Auftragslage ist in den meisten Betrieben aber weiterhin ausrei-chend. Im Fahrzeugbau und bei Zulieferern wird der Auftragsbestand langsam abgearbeitet, gleichzeitig macht sich in einigen Bereichen aber auch die Nachfrageschwäche bemerkbar. Die energieintensive Industrie (Chemie, Metallerzeugung, Glas, Baustoffe, Papier) ist mit den anhaltend hohen Energiekosten preislich nicht mehr international wettbewerbsfähig. Statt dringend notwendiger Entlastungen, zeichnen sich für energieintensive Unternehmen mit der im kommenden Bundeshaushalt nicht geplanten Verlängerung des Spitzenausgleichs wachsende Belastungen und eine zusätzliche Verschärfung der Situation ab. Einige Betriebe haben die Produktion gedrosselt. Bundesweit liegt die Produktion 2023 in diesen Branchen (Jan.-Mai) 13 Prozent unter dem Vorjahresniveau. Alle Umfrage-Indikatoren, insbesondere die Investitions- und Beschäftigungsplanungen, zeigen die brenzlige Entwicklung. Eine Verlagerung dieser Produktionskapazitäten ins Ausland würde aufgrund der Verflechtungen weitreichende Folgen auch für die Investitionsgüterindustrie haben.
Die aktuelle Geschäftslage der Bauwirtschaft ist aufgrund des dicken Auftragspolsters noch gut. Der Zinsanstieg hat die erwartete Bremswirkung auf den Wohnungsbau, sowohl im Geschossbau als auch bei den Eigenheimen. Der Tiefbau und der gewerbliche Hochbau sowie das Ausbaugewerbe melden dagegen einen besseren Geschäftsverlauf.
Die Reallohnverluste der Verbraucherinnen und Verbraucher und die damit erzwungene Sparsamkeit prägen weiterhin die Lage im Einzelhandel. Die oftmals gezahlten „Inflationsprämien“ sind im Handel noch nicht angekommen. Der immerhin leicht nachlassende Preisauftrieb hat die Konsumneigung auf niedrigem Niveau leicht erhöht. Möbelhäuser und Baumärkte klagen gleichermaßen über schwache Umsätze, bei Lebensmitteln und Bekleidung war die Entwicklung im zweiten Quartal erkennbar besser. Die Perspektiven des Einzelhandels bleiben trüb. Nicht anders läuft es im Großhandel. Erst eine nachhaltige Belebung des privaten Konsums und der Investitionen werden die (realen) Umsätze wieder erhöhen können.
Das Verkehrsgewerbe berichtet von stagnierenden Geschäften. Eine besondere Bedeutung kommt der Verfügbarkeit von Fachkräften und den Arbeitskosten für die Branche zu. Das „Abwerben“ von Fahrern ist keine Seltenheit, steigende Arbeitskosten infolgedessen unvermeidbar. Gleichzeitig droht mit der erheblichen Mauterhöhung ab Dezember 2023 die nächste schwierige betriebswirtschaftliche Situation für die Unternehmen.
Das Gastgewerbe berichtet für das zweite Quartal von steigenden Umsätzen im Beherbergungsbereich und nachlassenden Restaurantumsätzen. Nachholeffekte sind für das Gastgewerbe nicht mehr zu erwarten. Zentrale Bedeutung haben für die Unternehmen mehr denn je die Verfügbarkeit von Arbeitskräften und die Entwicklung der Arbeitskosten.
Die Geschäfte der Kreditinstitute haben sich mit den gestiegenen Zinssätzen positiv entwickelt. Einlagen- und Kreditgeschäft haben sich „normalisiert“ und laufen zufriedenstellend. Probleme machen die hohen regulatorischen Anforderungen an die Institute. Die Versicherungen verbuchen wieder steigende Zinserträge. Das Kerngeschäft ist auskömmlich, da die Inflationsklauseln höhere Beiträge zulassen.
Die Geschäftslage der Dienstleistungsunternehmen ist unverändert positiv. Obwohl die Erwartungen der Branche eine leicht ungünstige Tendenz haben, zeigen sich die Geschäfte der Dienstleister erstaunlich stabil, auch die Investitions- und Beschäftigungsplanungen bleiben expansiv.
Ausblick
„Die Vielzahl der wirtschaftsrelevanten Gesetze und Verordnungen, vom Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz über Genehmigungsverfahren bis zu PFAS, die von vielen als realitätsfern angesehen werden, werden aus Sicht der Unternehmen zu einer immer größer werdenden bürokratischen Last“, so die Einschätzung der IHKN-Hauptgeschäftsführerin Maike Bielfeldt.
„Wir müssen aufpassen, dass wir die Wirtschaft und insbesondere den Mittelstand in dieser schwierigen Situation der Transformation nicht überfordern. Wir brauchen das Know-how und das finanzielle Potenzial des Mittelstands“, so Bielfeldt.
„Wir müssen aufpassen, dass wir die Wirtschaft und insbesondere den Mittelstand in dieser schwierigen Situation der Transformation nicht überfordern. Wir brauchen das Know-how und das finanzielle Potenzial des Mittelstands“, so Bielfeldt.
Stand: 18.07.2023