Handel

IFH-Studie zu Innenstädten: Hannover auf dem Prüfstand

Was sind die Erfolgsfaktoren für zeitgemäße attraktive Innenstädte vor dem Hintergrund von Urbanisierung, Digitalisierung und Strukturwandel? Dieser Frage ist das IFH Köln 2024 bereits zum sechsten Mal mit der nach eigenen Angaben größten, in zweijährlichem Rhythmus durchgeführten, Passanten-Befragung in Europa mit rund 69.000 Interviews in 107 deutschen Innenstädten zu den Themen Attraktivität, Angebot und Besuchsmotiven von Stadtzentren nachgegangen. Zur kostenfreien Kurzversion der Studie:
Auch die Landeshauptstadt Hannover hat sich schon zum fünften Mal an der Studie des IFH Köln zu der Bewertung und zu den erforderlichen „To dos“ bei den Erfolgsfaktoren attraktiver Innenstädte beteiligt. Befragt wurden in Hannover laut Pressemitteilung der Landeshauptstadt rund 2.000 Personen. Die Befragung umfasst mehrere Themenbereiche wie zum Beispiel die Analyse der Struktur der Besucherinnen und Besucher, das Einkaufsverhalten und die Erreichbarkeit des Standortes. Abgefragt wurden Anforderungen und Wünsche der Besuchenden sowie die Bewertung der innerstädtischen Angebote. Daraus lassen sich Maßnahmen zur Attraktivitätssteigerung ableiten, aber auch ungenutzte Potenziale aufdecken.

Gesamtbewertung im Abwärtstrend
Mit einer durchschnittlichen Schulnote von 2,8 liegt die City unter dem Durchschnitt (Note 2,5) der anderen befragten Städte mit mehr als 500.000 Einwohnerinnen und Einwohnern. In dieser Größenklasse " waren 12 Städte beteiligt, unter anderem Köln, Düsseldorf, Leipzig und Frankfurt. Bemerkenswert: Die Gesamtnote fällt an den Befragungstagen unterschiedlich aus: Während sie am Donnerstag bei 2,9 liegt, fällt sie am Sonnabend mit 2,7 um 0,2 Prozentpunkte besser aus.
Bleibt die bundesweite Gesamtdurchschnittsnote zur Innenstadtattraktivität seit den Befragungen 2020 und 2022 mit der Schulnote Zwei minus (2,5) unverändert, so ist sie für Hannover in den vergangenen Befragungen zurückgegangen – von 2,4 (2018) über 2,6 (2022) auf nun 2,8.
Im Vergleich mit anderen Städten ihrer Größenklasse kann die Landeshauptstadt vor allem mit dem Gastronomieangebot punkten: hier bekommt sie die Note 1,7 (Vergleichsstädte: 2,0). Freizeit und Kultur sowie Dienstleistungen erhalten jeweils eine Note zwischen 1,9 und 2,1. Der Handel wird mit 2,5 etwas ungünstiger als im Durchschnitt der Vergleichsstädte (2,2) bewertet.

Wer besucht die Innenstadt?
Im Jahr 2024 ist der Anteil der Besucherinnen und Besucher aus dem Umland konstant geblieben (2024: 31,2 %; 2022: 31%). Damit liegt Hannover unter dem Ortsgrößenschnitt mit 38,5 Prozent. Im Gegensatz zu der Ortsgrößenklasse besuchen Personen aus dem Umland Hannover häufiger wochentags (35,4% am Donnerstag) als am Wochenende (27% am Sonnabend).
Ebenfalls im Trend der Ortsgrößenklasse liegt die Verteilung der Besucherinnen und Besucher nach Geschlecht: 54,3 Prozent der Befragten im Ortsgrößendurchschnitt sind weiblich, in Hannover sind es 53,4 Prozent.
Das Durchschnittsalter der Befragten liegt mit 43,5 Jahren leicht über dem Ortsgrößendurchschnitt von 42,4 Jahren. Im Vergleich zur Befragung im Jahr 2022 hat sich das Alter der Besuchenden im Durchschnitt um knapp 1,5 Jahre verjüngt.

Besuchsanlass: Shopping und Gastronomie klar vorn
Wie schon in den vorherigen Jahren ist weiterhin und steigend das Einkaufen mit rund 63,4% der Hauptgrund der Befragten, die Innenstadt zu besuchen. Dieser Trend zieht sich durch alle Altersgruppen.
Punkten kann Hannover nach wie vor und weiter ansteigend mit seiner Gastronomie. Diese ist für 52,8% der Befragten Anlass des Besuches (2022: 51,3%; 2020: 39,5%). Damit liegt Hannover deutlich über dem Durchschnitt von etwa 46 Prozent der Vergleichsstädte, was wiederum ein Beleg für das gute Angebot in der Innenstadt ist.
Freizeit und Kultur fällt mit 11,8 Prozent deutlich hinter das Shopping und den Besuch von Cafés und Restaurants als Besuchsanlass zurück. Damit liegt der Wert auf dem Niveau aus 2022. Hervorgehoben wird in der Pressemitteilung, dass weit mehr Besucherinnen und Besucher als im vergleichbaren Ortsgrößendurchschnitt Hannover aus den Anlässen Dienstleistungsangebot und Behördengang/Besuch von Ärztinnen und Ärzten aufsuchen. Die Anlässe Verweilen/ Sightseeing (2024: 13,8 %; 2022: knapp 18 %) sowie Wohnen werden im Vergleich zum Ortsgrößendurchschnitt nur selten genannt.

Verkehrsmittel: Wahl und Bewertung
Mit 57,5 Prozent bleibt die Nutzung des ÖPNV durch die Befragten nahezu konstant bei leichtem Minus (2022: 58,5%). Damit liegt Hannover über dem Schnitt der anderen befragten Großstädte (53,3%). Beim motorisierten Individualverkehr ist mit 24,7 Prozent (2022: 26,3%; 2018: 27,7 %) ein leichter Rückgang zu erkennen. Zugelegt haben der Radverkehr (2024: 12,4; 2022: 10,2%) sowie marginal der Fußverkehr (2024: 5,3 %; 2022: 5%). Im Ortsgrößenvergleich liegt Hannover über dem Durchschnitt (12,4% zu 8,8%).
Die Befragten bewerteten das Parkraumangebot mit einer 3,3. Damit liegt Hannover weiterhin auf dem Niveau von 2020 und 2022 mit leichten Veränderungen. Die Parkmöglichkeiten werden von allen Befragten (Alter, Geschlecht, Wohnort) nahezu identisch bewertet. Die größte Abweichung ergibt sich bei der Bewertung der Fußgängerinnen und Fußgänger mit der Note von 2,9 zu den Nutzerinnen und Nutzern des ÖPNV mit einer Note von 3,4.
Sowohl die Fußgängerinnen- und Fußgängerfreundlichkeit als auch die Fahrradfreundlichkeit erhalten mit insgesamt 2,2 und 2,6 gute Noten und bleiben auf dem Niveau der Befragung im Jahr 2022. Die Autofreundlichkeit wird insgesamt mit einer 2,9 bewertet (besser als 2022 und besser als im Ortsgrößendurchschnitt). Die Erreichbarkeit mit Bus & Bahn nimmt im Vergleich zu (2024: 1,6; 2022: 1,8).

Besuchshäufigkeit lässt deutlich nach
Im Vergleich zu 2022 lässt sich feststellen, dass die Befragten die Innenstadt seltener täglich, wöchentlich und monatlich besuchen. Häufiger kommen sie quartalsweise oder noch seltener. Dies ist auch im Ortsgrößendurchschnitt feststellbar. Auffällig aber: 2022 gaben die Befragten noch an, dass sie zu 38,5 Prozent wöchentlich (2024: 31,1%) und zu 38,8 Prozent monatlich (2024: 29,8%) die Innenstadt besuchen. Hier werden deutliche Besuchsrückgänge kommuniziert.

Onlineverhalten: Trendumkehr?
Gaben im Jahr 2020 27,2 Prozent der Befragten an, verstärkt online einzukaufen und die Innenstadt weniger zu besuchen, waren es in der Umfrage 2022 bereits 44,9 Prozent. In der aktuellen Befragung 2024 sank dieser Wert jedoch wieder auf 42 Prozent. Der Ortsgrößendurchschnitt von 30,8 Prozent beträgt, liegt dagegen deutlich niedriger. Der Teil derer, die angaben, nicht online einzukaufen, erhöht sich von 16,6 Prozent (2022) auf 19,7 Prozent (2024). Zum Vergleich: Der Durchschnitt der Städte in der Ortsgrößenklasse liegt bei 17,1 Prozent.

Einzelhandelsbranchen in der Bewertung: Hannover kann punkten
Bei einer Gesamtbewertung des Einzelhandels von 2,5 werden die Sortimente teilweise deutlich positiver bewertet: Insbesondere bei den Kategorien Körperpflege/Kosmetik/Drogerie (1,8), Bücher (2) und Lebensmittel (2,2) kann das hannoversche Innenstadtangebot bei den Passantinnen und Passanten punkten. Auch mit „gut“ bewertet werden die Kategorien Schuhe/Lederwaren (2,3), Uhren/Schmuck (2,3), Unterhaltungselektronik (2,3) und Bekleidung (2,4). Damit liegt Hannover auf gleichbleibendem Niveau zum Vorjahr und über dem Ortsgrößendurchschnitt. Etwas ungünstiger fallen die Bewertungen bei den Kategorien Sport/Spiel/Hobby/Basteln und Büro/Schreibwaren mit jeweils 2,7 sowie Wohnen/Einrichten/Dekorieren mit 2,9 aus.

Bewertung von Aufenthaltsqualität, Ambiente, Flair und Erlebnis
Insgesamt bewegt sich Hannover bei der Bewertung von unter anderem Gebäuden, Flair, Wegen, Plätzen, Familienfreundlichkeit oder Sehenswürdigkeiten im Rahmen der Bewertung in den Vergleichsstädten. Grünflächen werden etwas positiver als im Schnitt der anderen Großstädte bewertet. Benotet werden alle Kriterien mit einer Note um 3.

Die „To dos“ aus Sicht der Befragten
Etwas gegen den Leerstand tun – Fußgängerzone und Plätze aufwerten – Umgestaltung zu einer grüneren Innenstadt: Diesen Dreiklang an Maßnahmen wünschen sich zwischen zwei Drittel und mehr als der Hälfte der Befragten für eine attraktivere Innenstadt.

Individuelle "Hannover-Fragen"
Bei der Befragung wurden noch zwei individuelle Fragen gestellt, die nur in Hannover gestellt wurden:
  • Frage 1: „Haben Sie den sogenannten „Aufhof“ (Zwischennutzung des „Kaufhof“ an der Marktkirche von Juni ´23 bis Juli ´24) besucht?“
    46,5 Prozent der Befragten antworteten, dass sie den Aufhof (wenn auch nur zur Banksy-Ausstellung) besucht hätten. 36,9 Prozent haben den Aufhof nicht besucht, kannten ihn aber und nur 16,7 Prozent kannten den Aufhof nicht. Wobei sich bei der Frage nach dem Besuch und auch der Bekanntheit starke Unterschiede nach dem Wohnort und auch hinsichtlich des Alters der Befragten zeigen.
  • Frage 2: „Welche Funktion wünschen Sie sich für die Innenstadt der Zukunft?“ (bei der Beantwortung waren zwei Nennungen aus den folgenden Vorschlägen möglich: Handel, Gastronomie, Kultur, Wohnen, Gemeinwohl und Sport)
    Mit 45,6 Prozent wünschen sich die meisten Befragten mehr Handel in der Stadt, gefolgt von Kultur mit 37,6 Prozent und Gemeinwohl mit 31,4 Prozent. Große Unterschiede zeigen sich teilweise bei den Wünschen ausgewertet nach dem Verkehrsmittel, mit dem Hannover besucht wurde. So gaben nur 28,1 Prozent der Befragten, die zu Fuß unterwegs waren, an, dass sie sich mehr Handel wünschen. Bei den Radfahrenden sind es 33,9 Prozent. Diese Antworten unterscheiden sich deutlich von denjenigen der Befragten, die mit dem motorisierten Individualverkehr (46,2 %) oder mit dem ÖPNV (49,6 %) in die Stadt kamen. Je näher die Menschen an der Innenstadt wohnen, desto mehr Aufenthaltsqualität wünschen sie sich. Je weiter weg sie wohnen, desto mehr schätzen bzw. wünschen sie sich den „Event“-Charakter der Innenstadt.
Oberbürgermeister Belit Onay: "Auch wenn es hinsichtlich der Zufriedenheit der City eine leichte Verschlechterung gab, gibt es auch viel Licht. Etwa mit Blick auf das tolle gastronomische Angebot, die Erreichbarkeit, den Zuwachs beim Fahrradverkehr, der Nutzung des ÖPNV oder auch die Einkaufsmöglichkeiten. Klar ist, dass es insbesondere im nichtkommerziellen Bereich Verbesserungen geben muss, etwa bei der Aufenthaltsqualität. Die Innenstadt kann aber trotz Online-Konkurrenz bestehen und hat eine Zukunft."
Wirtschafts- und Umweltdezernentin Anja Ritschel: "Die Ergebnisse bestätigen die Resilienz der Innenstadt, zeigen aber auch die Potentiale auf. Die Stadtverwaltung hat sich bereits auf den Weg gemacht, die Innenstadt zu stärken. Beispielsweise wird das neue Innenstadtmanagement, welches sich gerade im Aufbau befindet, neue Impulse für die City entwickeln und alle Akteur*innen der City unterstützen. Und durch Maßnahmen wie den Umbau der Prinzenstraße wird die Aufenthaltsqualität in der Innenstadt kontinuierlich verbessert. Hier werden wir weiter ansetzen."

Zur Untersuchung:
Die Studie „Vitale Innenstädte 2024“, die im Shop des IFH KÖLN verfügbar ist, fasst die Ergebnisse auf bundesweiter Ebene zusammen. Ergänzt wird sie durch einen Handlungsleitfaden zur Vitalisierung von Innenstädten, abgeleiteten sieben Regeln für die örtliche Innenstadtvitalisierung und rund 50 Maßnahmensteckbriefen als Inspiration für die aktive Gestaltung örtlicher Vitalisierung. Die Studie enthält damit eine Toolbox für datengestütztes und zielgerichtetes Zentrenmanagement.
Hinweis: Die detaillierten Untersuchungsergebnisse liegen exklusiv bei der Landeshauptstadt Hannover und sind dort bei Interesse anzufragen.

Stand: 19.05.2025