B 1 Nr. 85
B 1 Nr. 85 §§ 93 HGB, §§ 1031 Abs. 1 und 2 ZPO - Schiedsklausel im "Purchase Contract" eines "Agenten". Makler-Schlußnote und kaufmännisches Bestätigungsschreiben: Widerspruchslose Übermittlung – wirksame Schiedsvereinbarung?
1. Durch Übermittlung eines von einem ‚Agenten‘ unterschriebenen, als ‚Purchase Contract‘ überschriebenen Dokuments an beide Parteien kann auch ohne deren Unterschrift nach den Usancen des Kaffeehandels eine Schiedsvereinbarung zustande kommen, wenn der ‚Agent‘ die Stellung eines Handelsmaklers i.S.v. § 93 HGB hat.
2. Diese Stellung hat er nicht, wenn er durch ein ‚Representation Agreement‘ mit einer Partei verbunden und berechtigt ist, in deren Namen Abschlüsse zu tätigen.
3. Das Dokument kann gleichwohl durch widerspruchslose Übermittlung eine Schiedsvereinbarung begründen, wenn es ein ‚kaufmännisches Bestätigungsschreiben‘ ist. Das setzt u.a. voraus, dass es in seinem Text eindeutig auf eine zuvor getroffene Absprache Bezug nimmt und für den Vertragspartner erkennbar dazu bestimmt ist, den Inhalt eines vorangegangenen (fern-)mündlichen Gesprächs konkret festzulegen.
Schiedsgericht des Deutschen Kaffee-Verbandes e.V. bei der Handelskammer Hamburg
Schiedsspruch vom 19.5.2009 RKS B 1 Nr. 85
Aus den Gründen:
Das Schiedsgericht ist nicht zuständig. Schiedsvereinbarungen in der Form des § 1031 Abs. 1 1. oder 2. Alternative oder § 1031 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor (wird ausgeführt).
1.Das mit dem Briefkopf des Agenten versehene und mit "Purchase Contract" überschriebene Dokument enthält neben der Unterschrift des Agenten auch eine Unterschriftenzeile für die Schiedsklägerin und die Schiedsbeklagte. In der Unterschriftenzeile für die Schiedsklägerin findet sich eine Unterschrift, in der Unterschriftenzeile für die Schiedsbeklagte dagegen nicht. Die Schiedsklägerin trug in der mündlichen Verhandlung vor, dass die Schiedsbeklagte derartige Dokumente gegengezeichnet zurücksenden sollte.
Sofern der Agent die Stellung eines Handelsmaklers im Sinne von § 93 HGB hätte, wäre nach den Usancen des Kaffeehandels die wirksame Begründung einer Schiedsvereinbarung durch Übermittlung eines solchen Kontraktdokuments an beide Parteien denkbar. Durch Makler (Broker) ausgefertigte und unterschriebene Kontrakte genießen im Kaffeegeschäft einen hohen Vertrauensschutz. Die Kontrakte werden durch den Makler auf Grund der Vorgaben fixiert, die er von den Vertragsparteien erhält. Der Vertragsschluss zwischen den Parteien kommt durch Zugang der entsprechenden Erklärungen bei ihm zustande (Baumbach/Hopt HGB 33. Aufl. § 93 Rz. 42). Diese Vorgaben werden häufig auch telefonisch oder im direkten Kontakt mündlich erteilt. Bei Versehen oder sonstigen Unkorrektheiten des Maklers ist nach Verständnis der Branche ein ausdrücklicher und unverzüglicher Widerspruch der betroffenen Partei gegen das Kontraktdokument erforderlich. Schweigen gilt als Zustimmung i.S.d. § 1031 Abs. 2 ZPO. Die Vereinbarung des ECC, damit auch der Schiedsgerichtsbarkeit, und die Festlegung des Schiedsorts sind übliche Bestandteile der Vertragsfestlegungen im Kaffeegeschäft. Die Gegenzeichnung solcher Kontrakte ist zwar häufig auf den Dokumenten vorgesehen, aber nur zu deklaratorischen Zwecken, etwa für die eigene Aktenführung des Maklers. Das entspricht dem deutschen Handelsrecht. So dienen die Unterschriften der Parteien unter die Schlussnote eines Handelsmaklers gem. § 94 Abs. 2 HGB nur der Beweissicherung(Baumbach/Hopt aaO. § 94 Rz. 2 m.w.N. und Rz. 5).
2.Der Agent hat jedoch jedenfalls gegenüber der Schiedskl. nicht die Stellung eines Maklers. Der Vertrag mit der Schiedskl. ist "Representation Agreement" überschrieben. "Representation" lässt sich mit "Vertretung" übersetzen. Auch das ständige Vertragsverhältnis entspricht nicht dem Bild des § 93 HGB. Der Agent war ferner berechtigt, Abschlüsse im Namen der Schiedskl. zu bestätigen ("The scope of work is … to confirm contracts on behalf of ….). Da also der Agent Vertreter der Schiedskl. ist, kann das "Purchase Agreement" keine Schlussnote eines Handelsmaklers sein.
3.Das Dokument kann in diesem Fall nur dann durch widerspruchslose Übermittlung eine Schiedsvereinbarung begründen, wenn es sich um ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben handelt. Anders als bei der Schlussnote eines Handelsmaklers ist bei einem kaufmännischen Bestätigungsschreiben eine Gegenzeichnung des Empfängers nicht im Gesetz angelegt. Daher kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an (Baumbach/Hopt aaO. § 346 Rz. 21; Palandt BGB 68. Aufl. § 147 Rz. 13 m. Verweis auf BGH).
Lt. OLG Hamburg (24.1.2003 RKS A 4 b Nr. 33) können Dokumente im Kaffeehandel, die als "contract” bezeichnet werden und mit einer Gegenzeichnungszeile versehen sind, ausreichend i.S.d. § 1031 Abs. 2 ZPO sein. Wie das Schiedsgericht des Deutschen Kaffee-Verbandes in seiner Entscheidung vom 24.11.2006 bestätigt, ist es im Kaffeehandel durchaus üblich, dass kaufmännische Bestätigungsschreiben die Bitte um Gegenzeichnung und Rücksendung enthalten. Allerdings müssen solche Dokumente lt. OLG Hamburg (RKS A 4 b Nr. 33) in ihrem Text eindeutig auf eine vorher getroffene Absprache Bezug nehmen und für den Vertragspartner erkennbar dazu bestimmt sein, den Inhalt eines vorher mündlich oder fernmündlich vereinbarten Geschäfts (lediglich) in den Einzelheiten festzulegen. Im Fall des OLG enthielt das Dokument die Formulierung "We have pleasure to confirm to you the details of our purchase made from yourselves this day”.
Das o.g. als "Purchase Contract” überschriebene Dokument enthält keine derartige Formulierung und ist daher nicht geeignet, im Sinne des § 1031 Abs. 2 ZPO eine Schiedsgerichtsvereinbarung zu begründen.
Das Schiedsgericht weist darauf hin, dass sich diese formstrenge Prüfung ausschließlich auf seine Zuständigkeit, also auf die Wahl des Rechtswegs, bezieht. (Nur) hierfür sind von Gesetzgeber und Rechtsprechung die oben genannten Regeln formuliert, an die das Schiedsgericht gebunden ist. Selbstverständlich können Verträge im Kaffeehandel mit voller materieller Wirksamkeit auch formfrei, z.B. mündlich oder telefonisch, abgeschlossen werden. Bei Streitigkeiten sind dann aber die staatlichen Gerichte zuständig. Die oben aufgezeigte Formstrenge bezieht sich auch nicht auf die spätere Durchführung der Verträge, sondern wie gesagt ausschließlich auf die Wahl des Rechtsweges zum Schiedsgericht.