Fit für die Ausbildung

Was erwartet die Wirtschaft von Schulabgänger:innen?

Die ausbildenden Unternehmen stellen zu Recht Ansprüche an die Schulabgänger:innen. Berufsausbildung muss auf einer soliden schulischen Basis aufbauen können. Ausbilder und Berufsschullehrkräfte können bei der Vermittlung von Wissen und Einstellungen nicht von vorne anfangen. Die Wirtschaft erwartet daher, dass am Ende der Schulausbildung die Grundlagen für eine stabile Persönlichkeit, für Gemeinschaftsfähigkeit, für Lern- und Leistungsbereitschaft gelegt sind und dass grundlegende Kenntnisse in allen Schulfächern erworben wurden.
Zwar kann die Schule nicht für gesellschaftliche Fehlentwicklungen und Erziehungsversäumnisse in den Elternhäusern verantwortlich gemacht werden, aber sie muss diesen so weit wie möglich entgegenwirken.
Leistungen der Schule stehen seit langem in der Kritik. Es wird ihr Versagen in der Wissensvermittlung und fehlender Mut zur Erziehung vorgeworfen. Was die Schule leisten kann und soll, wird kontrovers diskutiert. Dennoch gibt es Mindeststandards des Wissens, der Persönlichkeitsentwicklung und der Gemeinschaftsfähigkeit, auf die sich die Verantwortlichen und Betroffenen verständigen müssen und können. Die Antwort auf die Frage, was Schule aus Sicht der Wirtschaft zu leisten hat, wird hier beantwortet.
Was sollen also die Jugendlichen aus der Schule mitbringen?
Unternehmen stellen Persönlichkeitswerte, Motivationsfaktoren und grundsätzliche Werteinstellungen in den Vordergrund. Berufliche Sachzwänge und die Arbeit in den Unternehmen erfordern bestimmte arbeitsethische Grundeinstellungen. Die so oft als Sekundärtugenden diskreditierten Verhaltensmuster gewinnen beim Umgang mit moderner Technik an Gewicht. Natürlich wird auch Basiswissen in allen Lernbereichen vorausgesetzt.

I. Fachliche Kompetenzen

Elementares Grundwissen in den wichtigsten Lern- und Lebensbereichen
  1. Die deutsche Sprache in Wort und Schrift
    Als Mindeststandard setzen die Betriebe die Fähigkeit voraus, dass die Schulabgänger:innen einfache Sachverhalte mündlich und schriftlich klar formulieren und aufnehmen können. Die Jugendlichen sollen einfache Texte in Rechtschreibung und Grammatik fehlerfrei schreiben können und die Fähigkeit besitzen, verschiedene Sprachebenen, wie Szenenjargon, Umgangssprache, Fachsprache und gehobene Sprache zu unterscheiden.
  2. Einfache Rechentechniken
    Die vier Grundrechenarten, rechnen mit Dezimalen und Brüchen, Umgang mit Maßeinheiten, Dreisatz, Prozentrechnen, Flächen-, Volumen- und Massenberechnungen und fundamentale Grundlagen der Geometrie müssen bei Schulabgänger:innen als bekannt vorausgesetzt werden. Hinzu kommen sollte die Fähigkeit, einfache Textaufgaben zu begreifen, die wichtigsten Formeln anzuwenden und mit Taschenrechnern mathematisch überlegt umzugehen.
  3. Grundlegende naturwissenschaftliche Kenntnisse
    Grundkenntnisse in Physik, Chemie, Biologie und Informatik, aus denen Verständnis für die moderne Technik und eine positive Grundeinstellung entwickelt werden können, müssen schulform- und alters-gerecht verfügbar sein.
  4. Grundkenntnisse wirtschaftlicher Zusammenhänge
    Die Schule muss grundlegende Informationen über das Funktionieren des marktwirtschaftlichen Systems und die Rolle der wesentlichen Akteure der deutschen Gesellschaftsordnung, wie politische Parteien, Parlament, Verwaltung, Unternehmen und Tarifpartner vermitteln. Die Schüler:innen sollten durch Betriebspraktika einen ersten Einblick in die Wirtschafts- und Arbeitswelt erhalten haben.
  5. Grundkenntnisse in Englisch
    Die Auszubildenden benötigen heute Grundkenntnisse in Englisch, die sie befähigen, sich über einfache Gegebenheiten und Situationen - auch beruflicher Art - zu verständigen. Kenntnisse in einer anderen Fremdsprache - wie Französisch oder Spanisch - sind wünschenswert.
  6. Grundkenntnisse im IT-Bereich
    Moderne Lebens- und Arbeitswelten sind ohne Informations- und Kommunikationstechnik nicht denkbar. Junge Menschen müssen frühzeitig ein Verständnis für neue Technologien und deren Beherrschung entwickeln. In der Schule müssen bereits die Grundlagen für die Anwendung und den Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien gelegt werden. Die Lehrkräfte müssen die Schüler:innen zu einem reflektierten Umgang mit den neuen Medien anleiten.
  7. Geschichts- und Kulturkenntnisse
    Jugendliche Berufsanfänger benötigen Grundkenntnisse über deutsche und europäische Geschichte, über gesellschaftliche und politische Rahmenbedingungen, ethische Anforderungen und religiöse Formen und Inhalte unserer Kultur. Kenntnisse und Akzeptanz dieser kulturellen Grundlagen sind Basis für die persönlichen und sozialen Kompetenzen, wie Leistungsbereitschaft, Kommunikations- und Konfliktfähigkeit und solidarisches Verhalten gegenüber Mitmenschen und Minderheiten.

II. Persönliche Kompetenzen

Grundhaltungen und Werteinstellungen der Jugendlichen müssen den Anforderungen im Unternehmen gerecht werden
  1. Zuverlässigkeit - Sorgfalt - Gewissenhaftigkeit
    Zuverlässigkeit ist eine Grundvoraussetzung für erfolgreiches Zusammenarbeiten im Unternehmen und die Erreichung von Zielen. Die betrieblichen Aufgaben, die sich auch aus Anforderungen der Kunden ergeben, erfordern Genauigkeit und Ernst bei der Sache. Werte wie Selbstdisziplin, Ordnungssinn, Pünktlichkeit sind im Betrieb unabdingbar.
  2. Lern- und Leistungsbereitschaft
    Entscheidend für erfolgreiche Ausbildung ist eine Einstellung, die sich am guten Ergebnis und am Erfolg orientiert. Arbeit und Ausbildung, der eigene Beruf, müssen positiv als integrierende Bestandteile des eigenen Lebens gesehen werden und nicht nur als notwendiges Übel. Die Jugendlichen sollen von der Schule Neugier und Lust auf Neues mitbringen.
  3. Ausdauer - Durchhaltevermögen - Belastbarkeit
    Angehende Auszubildende benötigen die Fähigkeit, auch da durchzuhalten, wo Arbeit/ Ausbildung als Belastung oder als unangenehm empfunden wird. Eine gewisse Frustrationstoleranz müssen die Jugendlichen aus Schule und Elternhaus mitbringen. Sie sollten gelernt haben, nicht bei jedem Misserfolgserlebnis oder vorläufigem Ausbleiben des Erfolgs aufzugeben.
  4. Konzentrationsfähigkeit
    Langzeitbeobachtungen von Jugendlichen haben gezeigt, dass die Konzentrationsfähigkeit in den letzten Jahrzehnten abgenommen hat - teilweise in einem Besorgnis erregendem Ausmaß. Die Fähigkeit, sich auf eine bestimmte Aufgabe zu konzentrieren und diese Konzentration länger als 5-10 Minuten aufrecht zu erhalten, muss bereits in der Schule eingeübt und anerzogen worden sein. Anders ist ein Bestehen im Berufsleben nicht möglich.
  5. Verantwortungsbereitschaft und Selbständigkeit
    Die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen und selbständig zu arbeiten, wächst zwar im Laufe der Berufsausbildung und der betrieblichen Arbeit, die Ansätze hierfür müssen jedoch bereits vorhanden sein. Es geht um die Fähigkeit, für etwas einzustehen, auch wenn es einmal misslingt. Arbeit, Unangenehmes, Lästiges und Verantwortung sollen nicht auf andere abgeschoben werden.
  6. Fähigkeit zu Kritik und Selbstkritik
    Kritikfähigkeit bedeutet nicht das pausenlose diskutieren über alles und jedes, sondern die Fähigkeit, Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden. Vorausgesetzt werden muss die Fähigkeit, eine Diskussion mit Argumenten Für und Wider aus der Natur der Sache heraus zu führen. Genauso wichtig ist die Fähigkeit, eigene Fehler einzusehen und zu Korrekturen bereit zu sein.
  7. Kreativität und Flexibilität
    Notwendig ist die Fähigkeit, im Ansatz auch eigene Ideen zu den alltäglichen betrieblichen Aufgaben und der Organisation des eigenen Arbeitsplatzes hervorzubringen und sich in neue Aufgabenbereiche einzuarbeiten.

III. Soziale Kompetenzen

Soziale Einstellungen, die eine Zusammenarbeit im Betrieb ermöglichen
  1. Kooperationsbereitschaft - Teamfähigkeit
    In den Betrieben sind Mitarbeiter:innen gefragt, die kooperieren, Informationen und Erfahrungen austauschen und Verbesserungsvorschläge machen können. Zusammenarbeit ist im Betrieb zwingend notwendig. Vor allem die neuen betrieblichen Organisationsformen sind wesentlich auf Kooperation angelegt.
  2. Höflichkeit - Freundlichkeit
    Aggressives, ruppiges, flegelhaftes oder nur unhöfliches Verhalten ist innerbetrieblich leistungshemmend. Nach außen stören derartige Umgangsformen die Beziehungen zu Lieferanten, zur Öffentlichkeit und vor allen Dingen zum Kunden. Die Unternehmen erwarten, dass die Schule der Zerstörung höflicher Umgangsformen entschlossen entgegenwirkt.
  3. Konfliktfähigkeit
    Differenzen bei Meinungen und Haltungen sollen friedlich und konstruktiv verarbeitet werden können, ohne offene oder versteckte Aggression. Das setzt Sprach- und Argumentationsfähigkeit voraus und die Fähigkeit, aufkeimenden Ärger und Aggressionen zu kanalisieren.
  4. Toleranz
    Jugendliche müssen in der Lage sein, auch dauerhaft abweichende Einstellungen, Verhalten und Meinungen eines anderen als gegeben hinzunehmen. Sie sollen aber auch deutlich ablehnen und abgrenzen können, was gegen die Grundwerte unserer Gesellschaft verstößt: Aggressivität, Verletzung humaner Grundwerte, Störung des Betriebsfriedens und nicht zuletzt Leistungsverweigerung.
In diesem Katalog sind elementare Anforderungen der Wirtschaft an die Schulabgänger:innen dargestellt. Vieles darüber hinaus wäre wünschenswert. Höhere Erwartungen zu stellen ist jedoch nicht realistisch. Die Schule muss sich insbesondere bei Schüler:innen, deren Leistungsfähigkeit begrenzt ist, auf die Beseitigung klar erkennbarer Defizite konzentrieren und Basiswissen sowie gesellschaftliche Grundwerte vermitteln. Die Leitziele Emanzipation und Selbstverwirklichung müssen durch Pflicht- und Verantwortungswerte ergänzt werden, die es erst ermöglichen, Leistungen zu erbringen und Verantwortung für andere zu übernehmen.