Staffelstab übergeben

Nach seinen Olympiasiegen 1976 und 1980 arbeitet Waldemar Cierpinski als Lauftrainer beim SC Chemie Halle und eröffnet 1990 ein Sporthaus in der Saalestadt. Seit 2018 führt Sohn Falk das Geschäft.
Wie viele Väter am 1. August 1980 dem Rat Florian Oertels folgten, ihre Neuankömmlinge „Waldemar“ zu nennen, ist nicht bekannt. Unbestritten jedoch ist, dass an diesem Tag Sportgeschichte geschrieben wurde: Waldemar Cierpinski, der Marathonläufer aus Halle, wurde in Moskau zum zweiten Mal Olympiasieger.

Ein neuer Marathonlauf beginnt

Sein ganzes Leben lang hat Waldemar Cierpinski sich dem Sport verschrieben: Nach der aktiven Laufbahn wurde er Sportlehrer und war als Lauftrainer beim Sportclub Chemie Halle beschäftigt. Als die DDR Ende der 80er Jahre ihre Sportförderung auf den Prüfstand stellte, war Cierpinski klar, dass er sich nach einer neuen Herausforderung umschauen muss. „Ich hätte als Lehrer arbeiten können“, sagt er. „Aber ich habe mich für die Selbstständigkeit entschieden.“ 1990 gründet er das „Sporthaus Cierpinski“, einen kleinen Laden in der Großen Ulrichstraße 17 in Halle (Saale) – ohne kaufmännische Erfahrung, wie er sagt. Er investiert tausend D-Mark in die Ausstattung und hat sechs Monate Zeit, die Ware der Firma Asics zu bezahlen. Es funktioniert, der Name Cierpinski zieht Kunden an. Schon bald eröffnet Waldemar Cierpinski Filialen außerhalb der Saalestadt – 1992 in Quedlinburg, 1994 in Eisleben und 2000 in Köthen.

Größtes Einzelhandelsgeschäft für Sportartikel im Osten

Der Umzug des halleschen Sporthauses in das Stadtcenter Rolltreppe ist ein mutiger Schritt. Die Verkaufsfläche auf drei Etagen ist sechsmal so groß wie bisher. Waldemar Cierpinski nimmt Kredite auf und investiert eine Million D-Mark – in den Ausbau der Räume, in die Ladenausstattung, in neue Ware. Im Herbst 2000 kann er das „größte Einzelhandelsgeschäft für Sportartikel“ in den neuen Bundesländern eröffnen. Neben Laufschuhen und -bekleidung verkauft Cierpinski hier Equipment für Fuß-, Hand- und Basketball, Badesport, Fitness und Heimtraining, Wandern und Ski. Im neuen Geschäft wird Waldemar Cierpinski von der gesamten sportlichen Familie unterstützt. Ehefrau Maritta, einst erfolgreiche Mittelstreckenläuferin, managt die Buchhaltung. Sohn Falk, 2005 Deutscher Meister im Duathlon, bekommt während seines BWL-Studiums Einblick in die Geschäftsabläufe. André, der älteste Sohn, steht als IT-Fachmann und Geschäftsführer der Mitteldeutschen Marathon GmbH mit Rat und Tat zur Seite. Und Martin, der jüngste Spross, wurde im Sporthaus ausgebildet und hat bis vor zwei Jahren hier als Verkäufer gearbeitet.

Konsolidierung und Staffelübergabe

Mit dem neuen Jahrtausend beginnt eine Phase der Konsolidierung für die Cierpinski Sport GmbH. Weil der Olympiasieger nicht überall vor Ort sein kann und sich auf das große Haus konzentrieren will, werden die Filialen nach und nach geschlossen. Eisleben wird von einem Lauffreund weitergeführt, in Köthen ist nach mehreren Einbrüchen 2002 Schluss, und Quedlinburg schließt im April 2019, weil kein Fachpersonal zu finden ist. Auch das hallesche Geschäft muss Federn lassen: Anfang der 2000er Jahre endet der Heimtrainer- Boom, alles stürzt sich auf Nordic Walking. Die Fläche, auf der die Geräte stehen, kostet Geld – also verhandelt Cierpinski mit dem Vermieter. Heute konzentriert sich das Sporthaus auf nur noch eine Etage mit 800 Quadratmetern.
„Als Sportler muss man jeden Tag für den Erfolg kämpfen.“
Falk Cierpinski
2018 hat Waldemar Cierpinski, der heute 70 Jahre alt ist, den Staffelstab an Sohn Falk übergeben. Zu diesem Zeitpunkt ahnt niemand, vor welche Aufgabe der neue Chef nur zwei Jahre später gestellt wird: Aufgrund der Corona-Pandemie muss das Sporthaus im Frühjahr 2020 schließen und erleidet sechsstellige Umsatzverluste. „Wir haben uns etwas einfallen lassen: Laufschuhberatung im Netz“, sagt Falk Cierpinski. Der Kunde lädt ein Video hoch, das seinen Gang und Bilder des alten Modells zeigt. Mit diesen Informationen wird am Telefon ein Beratungsgespräch geführt und die Ware dann an den Kunden geliefert. „Wir haben viel Solidarität erfahren, auch von einigen, die nicht unbedingt neue Schuhe brauchten“, sagt der 42-Jährige. Die Delle sei spürbar, aber langsam normalisiere sich das Geschäft. „Als Sportler muss man kämpfen und jeden Tag für den Erfolg trainieren.“
Cierpinski Sport GmbH
Gegründet:

1990 als Sporthaus Cierpinski GbR
Standort:
Halle (Saale)
Mitarbeiter:
10
Umsatz:
1 Million Euro (2019)
www.cierpinski-sport.de
Marlene Köhler