Streicheleinheiten für die Seele

Mit Anpackermentalität und Bauchgefühl haben Ingrid und Joachim Tauschel aus einer Drogerie eine Erfolgsgeschichte gemacht. In ihrer Parfümerie in der Großen Ulrichtraße in Halle setzen sie auf erlesene Düfte und persönliche Beratung.
Es war Anfang der 1980er Jahre, als Ingrid Tauschel mit ihrem Mann Joachim den langgehegten Wunsch nach Selbstständigkeit in die Tat umsetzte. Der ursprüngliche Plan, ein Café in Halle zu eröffnen, scheiterte zwar an den DDR-Behörden, doch das Paar ließ sich davon nicht entmutigen. Auf der Suche nach einer Alternative stießen die beiden auf die „Hallensia-Drogerie“ in der Großen Ulrichstraße, die der Betreiber aus Altersgründen aufgeben wollte. „Branchenkenntnisse hatten wir keine“, erzählt Ingrid Tauschel. „Da haben wir uns eben einfach nochmal auf die Schulbank gesetzt.“
Diese Mentaliät des Anpackens war es, die den Tauschels schon bei den ersten Schritten ins Unternehmerdasein half. „Als uns nach mehr als einem Jahr endlich die Gewerbegenehmigung erteilt wurde und ich vom Vorbesitzer drei Monate lang intensiv eingearbeitet worden war, haben wir gleich einen Umbau vorgenommen“, erinnert sich die Unternehmerin. „Ladenregale gab es aber nur für Firmen zu kaufen, die schon fünf Jahre bilanzierten. Also haben wir uns eben erstmal welche geliehen.“
Die für das eigene Drogeriegeschäft benötigten Dinge – allem voran natürlich Ware – zu besorgen, sei ohnedies die größte Schwierigkeit gewesen. Ingrid Tauschel: „Das gute Netzwerk meines Mannes, der zuvor im Interhotel tätig war, half dabei enorm.“

Marktwirtschaft bringt neue Herausforderungen

Die Marktwirtschaft bescherte den Tauschels ganz neue Herausforderungen. „Ware gab es zwar nun in Hülle und Fülle – aber im Verkauf, der in der Mangelwirtschaft praktisch wie von selbst lief, musste man plötzlich neue Wege gehen“, erzählt Ingrid Tauschel. Anfang der 1990er Jahre begann dann das Drogeriesterben, weil die großen Ketten in den Markt drängten. Um dem eigenen Unternehmen dieses Schicksal zu ersparen, haben die Tauschels beschlossen, ihr Sortiment in Richtung Parfümerie auszuweiten.
Ein erneuter tiefgreifender Umbau im Jahr 1992 ging damit einher – 2019 war der dafür aufgenommene Kredit endlich abgezahlt – und ein weiterer unternehmerischer Glücksgriff, wie Ingrid Tauschel sagt: „Ich habe einen wundervollen Steuerberater kennengelernt, der mir buchhalterisch und betriebswirtschaftlich den Rücken freihält, so dass ich mich voll auf das Ladengeschäft fokussieren kann.“ Das war im Grunde auch unerlässlich, weil die Entwicklung nicht stehenblieb. Das Sortiment wurde um hochwertige Pflegeprodukte erweitert, seit 1999 bieten zwei ausgebildete Kosmetikerinnen zudem Behandlungen in einem eigens geschaffenen Séparée an.
„Aus einem Bauchgefühl heraus“ haben Tauschels schon vor 25 Jahren damit begonnen, bei Parfüms nicht mehr so sehr auf die Mainstream-Marken, sondern auf – durchaus hochpreisige – Nischenprodukte zu setzen. „Viele haben mich damals für verrückt erklärt, Parfüms für über 100 Mark pro Fläschchen verkaufen zu wollen. Als direkt neben uns die Filiale einer Drogeriemarktkette mit großer Parfümerie-Abteilung aufmachte, haben wir erstmal die Luft angehalten – um dann festzustellen, dass wir das gut verkraften“, berichtet Ingrid Tauschel.

Die exklusive Nische funktioniert

Das Konzept, auf exklusive, nicht überall erhältliche Düfte sowie eine höchst persönliche Beratung und Bedienung zu setzen, sei aufgegangen und habe die Parfümerie sowohl gegen ruinöse Preiskämpfe als auch gegen die Bedrohung durch den Online-Handel weitgehend immun gemacht. „Die Basis unseres Geschäfts sind unsere mehrere Tausend Stammkunden“, sagt Ingrid Tauschel – und das sei auch während des Corona-Lockdowns von großem Wert gewesen: „Wir haben telefonisch Kontakt zu unseren Kundinnen und Kunden gehalten und ihnen ihre Wunschprodukte nach Hause geliefert.“
Nach zweimonatiger Zwangspause sind die Umsätze im Großen und Ganzen wieder auf gewohntem Niveau. „Manche Kunden gönnen sich sogar noch ein Extra obendrauf – als seelische ,Streicheleinheit’ für einen wegen Corona ausgefallenen Urlaub etwa.“ Was sich die heute 69-Jähige für die Zukunft ihrer „Hallensia-Parfümerie“ wünscht? „Dass das Unternehmen auch unter der Regie unserer Tochter Diana, die als Nachfolgerin schon in den Startlöchern steht, vor allem eines bleibt: gesund.“
„Wir setzen auf Nische statt auf Mainstream“ (Ingrid Tauschel)
Hallensia-Parfümerie Tauschel
Gegründet:

1890
Standort:
Halle (Saale)
Mitarbeiter:
11 (davon 2 Auszubildende)
www.parfuemerie-tauschel.de
Andreas Löffler