Unternehmerschaft und Politik diskutieren „Mammutaufgabe“

Halle (Saale), 30. Juni 2022. Zu einem besonderen Jahresempfang trafen sich auf Einladung der Industrie- und Handelskammer Halle-Dessau (IHK) Vertreter aus Politik, Wirtschaft, Verwaltung, Kultur und Ehrenamt im Kulturhaus Leuna. IHK-Präsident Prof. Dr. Steffen Keitel begrüßte die rund 300 Gäste mit dem Hinweis, nicht eine heitere Feier stehe diesmal im Vordergrund, sondern konkrete Sacharbeit: Es gehe um die Mammutaufgabe, eine verlässliche und bezahlbare Energieversorgung für die eng verflochtene mitteldeutsche Industrie sicherzustellen – trotz Klimawandel, Krieg und Wirtschaftssanktionen. Der IHK-Präsident warb für einen neuen Realismus: „Die Energiewende wird nur gelingen, wenn wir sie effizient regeln und nicht nach der Devise ‚koste es, was es wolle‘. Dieses Vorhaben kann nur mit leistungsfähigen Unternehmen funktionieren und nicht ohne sie. Die Energieabhängigkeit gerade unserer mitteldeutschen Region wird aktuell überdeutlich.“ 
Die aktuelle Krise sei nur in gemeinsamer Kraftanstrengung zu meistern, betonte Gastredner Michael Kellner (Bündnis 90/Die Grünen). Der Staatssekretär beim Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz beschrieb in seinem Redebeitrag, wie die Bundesregierung gegenwärtig versuche, die deutsche Abhängigkeit von russischem Gas über andere Bezugsquellen zu beseitigen. Kellner beschwor die anwesenden Unternehmerinnen und Unternehmen, Gas und Energie zu sparen, wo das möglich sei. In diesem Zusammenhang plädierte der Staatssekretär für einen beschleunigten Ausbau von Solar- und Windenergieerzeugung, die sich zunehmend zu einem „Standortvorteil“ der neuen Bundesländer entwickelten. Er argumentierte, dass so auch ein Ausstieg aus der Kohleverstromung schon im Jahr 2030 möglich sei. In diesem Punkt widersprach ihm Sven Schulze (CDU). Der Minister für Wirtschaft, Tourismus, Landwirtschaft und Forsten des Landes Sachsen-Anhalt sieht gerade in der aktuellen Krise einen triftigen Grund, am vereinbarten Ausstieg 2038 festzuhalten. 
Einig waren sich Unternehmerschaft und Politik darin, dass „grüner“ – umweltfreundlich erzeugter – Wasserstoff der heimischen Wirtschaft durchaus beachtliche Chancen eröffne. Ein Expertengespräch mit Vertretern energieintensiver Industrieunternehmen der Region gemeinsam mit Kellner und dem sachsen-anhaltischen Energieminister Prof. Dr. Armin Willingmann (SPD) unmittelbar vor dem IHK-Empfang zeigte, dass Mitteldeutschland auf gutem Weg zu einer Art Musterregion für diese neue Technologie ist. IHK-Präsident Prof. Keitel betonte, die Unternehmerschaft sei zum Beschreiten neuer Wege bereit: „Um unsere Industrie beim ‚grünen‘ Wasserstoff wettbewerbsfähig zu halten, brauchen wir eine geeignete Infrastruktur, nicht zuletzt Leitungsinfrastruktur. Insbesondere hier ist der Staat gefordert“, hob Prof. Keitel hervor. Die Energiewende habe in der Region handfeste Auswirkungen auf Wirtschaftsstruktur und Beschäftigung. Es seien politische Fakten geschaffen worden, die sich direkt auf die industrielle Wertschöpfung unserer Region auswirken. „Deshalb ist es richtig, dass der Staat Unterstützung gibt, um den politisch induzierten Strukturwandel erfolgreich gestalten zu können“, so der IHK-Präsident. Staatssekretär Kellner sagte zu, dass die Politik für gute Rahmenbedingungen sorgen werde: Investitionsförderung und beschleunigte Planung und Genehmigung. 
Prof. Keitel umriss die weiteren Erwartungen der Unternehmen an die Politik und formulierte zwei Aufgaben: die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen zu sichern und den Staat auf seine wesentlichen Kernaufgaben zu konzentrieren. „Um wieder stark und krisenfest zu werden, brauchen wir dringend eine ambitionierte Reformagenda.“ Belastungen für die Unternehmen müssten reduziert und die staatlichen Ausgaben fokussiert werden. Es brauche den Mut für einen ehrlichen Kassensturz bei den Sozialausgaben. Prof. Keitel betonte: „Generationengerechtigkeit ist nicht nur ein Thema der Klimapolitik. Ebenso müssen wir unseren Staat wieder zukunftsfähig machen!“ 
Die IHK wird mit der Politik im kritischen Dialog bleiben. Die Vollversammlung, gewählte Vertretung der regionalen Unternehmerschaft, wird die Gespräche Anfang Juli aufarbeiten.