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Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz

Das Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten zur Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen in Lieferketten wurde am 22. Juli 2022 im Bundesgesetzblatt veröffentlich. Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LKSG) tritt am 1. Januar 2023 in Kraft.

Worum geht´s?

Ziel ist, weltweit für humanere Arbeitsbedingungen (inkl. Gesundheitsschäden durch Umweltverschmutzung) zu sorgen. Das Gesetz nimmt Bezug auf VN-Leitprinzipien von 2011, die 2016 in einen „Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte“ (NAP) gemündet sind. Das beinhaltet u.a. eine freiwillige Selbstverpflichtung der Wirtschaft zur Einhaltung der Menschenrechte innerhalb der Lieferkette. Ein Faktenpapier von BMAS und BMZ verweist auf ein NAP-Monitoring der Bundesregierung, wonach weniger als 20 Prozent der Unternehmen über 500 Beschäftigte ihrer menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht nachkommen. Freiwillige Selbstverpflichtung reiche deshalb nicht aus.
In dem Gesetz werden deutschen Unternehmen sowie ausländischen Unternehmen mit Töchtern in Deutschland umfangreiche Sorgfaltspflichten auferlegt. Direkt betroffen sind nach derzeitigem Stand ab 2023 Unternehmen über 3.000 Beschäftigte, ab 2024 Unternehmen über 1.000 Beschäftigte. Arbeitsplätze, die pro Jahr über sechs Monate mit Leiharbeitern (müssen nicht immer dieselben Personen sein) besetzt werden, zählen mit. Unabhängig vom gesetzlichen Schwellenwert werden in der Praxis aber viele kleinere Zulieferer oder Abnehmer ebenfalls betroffen sein.

Viele Pflichten für Unternehmen

Es soll ausdrücklich die gesamte Lieferkette weltweit erfasst werden, von der Gewinnung der Rohstoffe bis zur Lieferung an Endkunden. Unternehmen werden verpflichtet, Risiken zu ermitteln, zu analysieren und zu dokumentieren. Bei Problemen sollen sie weltweit Maßnahmen ergreifen und deren Wirksamkeit überprüfen. Dass gilt nicht nur für den eigenen Betrieb, sondern auch für das Handeln von Vertragspartnern (unmittelbare und mittelbare Zulieferer). Im Zweifel soll der Abbruch der Beziehungen die letzte Konsequenz sein.
Die Überwachung übernimmt eine staatliche Kontrollbehörde (BAFA, man plant mit 65 Vollzeitstellen). Eine zivilrechtliche Haftung ist zwar nicht geplant. Dafür werden Verstöße aber als Ordnungswidrigkeit behandelt und mit empfindlichen Sanktionen geahndet. Das können sein Bußgelder bis zu 800.000,00 Euro (Firmen über 400 Mio. Euro Umsatz sogar bis zu zwei Prozent des Jahresumsatzes) und/oder der Ausschluss von öffentlichen Ausschreibungen (bis zur „nachgewiesenen Selbstreinigung“, max. drei Jahre).
Nach Auffassung der Bundesregierung sollen Unternehmen auch dann ihrer Verantwortung für die Achtung der Menschenrechte nachkommen, wenn sich die Staaten selbst nicht daran halten! In der Einführung des Gesetzentwurfes heißt es wörtlich: „Die Verantwortung….besteht unabhängig von der Fähigkeit oder Bereitschaft der Staaten, ihrer Pflicht zum Schutz der Menschenrechte nachzukommen.“
Parallel arbeitet auch die EU an dem Thema. Der zuständige Ministerrat im Dezember und im Januar 2021 der Rechtsausschuss des EP machen sich für einheitliche Vorgaben in der gesamten EU stark. Die Regelungen sollen auch kleinere Firmen ab 250 Beschäftigte umfassen. Bei Verfehlungen wird mit zivilrechtlicher Haftung und Geldbußen gedroht bis hin zum Verbot der Geschäftstätigkeit. Das EP-Plenum hat dazu im März Eckpunkte auf den Weg gegeben. Die EU-Kommission will noch vor der Sommerpause einen konkreten Entwurf vorlegen, der dann durch das Europäische Parlament muss.

Konsequenzen für Unternehmen:

Lieferketten kaum zu kontrollieren

Firmen haben teils eine Vielzahl an Lieferanten, vor allem bei komplexen Produkten. In der gesamten Wertschöpfungskette kennen 75 Prozent der Firmen laut Umfrage einiger Rheinlands-IHKs nicht alle Vorlieferanten, noch nicht einmal die „unmittelbaren“. Das sind solche, die notwendige Leistungen zur Herstellung eines Produktes beitragen. Die gesetzliche Verpflichtung erstreckt sich darüber hinaus auch auf „mittelbare“ Zulieferer (weitere Zulieferer, nicht näher definiert). Übrigens sind auch Finanzdienstleister betroffen, wenn ihre Kredite z.B. zu Produktionsprozessen führen.
Die weltweiten Einflussmöglichkeiten deutscher Firmen sind unterschiedlich, teils aber gar nicht gegeben. KMU haben oft nicht die Marktmacht oder die internationale Präsenz, auf Produzenten und Zulieferer entsprechenden Druck auszuüben oder sie lückenlos zu kontrollieren.

Viele Betroffene

Das Gesetz tangiert ab 2024 unmittelbar Firmen über 1.000 Beschäftigte. Darüber hinaus werden aber viele kleinere Unternehmen ebenfalls betroffen sein. Gesetzliche Anforderungen werden erfahrungsgemäß in Form von Regressklauseln oder Code of Conducts innerhalb der Lieferketten weiter gereicht. Das BMAS weiß um diese Abhängigkeiten, erwähnt sie aber nur kurz in seiner Eingangserläuterung und geht darauf nicht weiter ein (“...Eine Qualifizierung ist nicht möglich”)
Die Entwicklung Südwestfalens ist eng mit der Weltwirtschaft verknüpft. Über 50 Prozent des Umsatzes des Verarbeitenden Gewerbes werden mit dem Export erzielt.

Unüberschaubare und problematische Rechtslage

Unternehmen sollen sich bei der Abschätzung des Risikos und der Definition von „Menschenrechten“ an 13 internationalen Abkommen orientieren, auf die im Entwurf verwiesen wird. Neben der Kenntnis und Befolgung der Rechtstexte wird auch erwartet, dass sich die Unternehmen an der „langjährigen Auslegung der (internationalen) zuständigen Gremien“ orientieren - ein unzumutbarer und unrealistischer Aufwand. Außerdem bleiben wesentliche Elemente der Unternehmenspflichten unbestimmt (Bsp.: Berichtsprüfung § 13, Risikokontrolle § 14) und sollen erst später in einer „Rechtsverordnung“ geregelt werden. Das schafft keine Rechtssicherheit.

Zweierlei Maß:

Der deutsche Gesetzgeber erwartet von Unternehmen, dass sie Ermittlungsarbeit leisten, Einfluss ausüben und sich ggf. aus kritischen Regionen zurückziehen. Gleichzeitig behält sich die Politik das Recht vor, dieselben Regionen/Regime zu stützen, die Menschenrechtsverletzungen tolerieren oder selbst zu verantworten haben. Zwei Beispiele: Wie soll ein Unternehmen mit der Unterdrückung der Uiguren in der chinesischen Provinz Xinjiang umgehen, wenn die Politik gleichzeitig mit dem chinesischen Regime kooperiert? Wie sollen ein KMU Einfluss auf die Kinderarbeit in Kongo-Minen beim Kobaltabbau (für Akkus wichtig) durch internationale Multis ausüben, während gleichzeitig Deutschland den Kongo als weltweit viertwichtigster Geber mit Entwicklungshilfe unterstützt?

Hohe Belastung:

Viele Unternehmen kämpfen derzeit mit den Folgen der Corona-Pandemie und mit einem immer schneller voranschreitenden Strukturwandel, der Digitalisierung und auch mit ambitionierten Klimazielen. Zusätzliche Vorgaben und Berichtspflichten sind mit hohem Aufwand und Kosten verbunden; das BMAS schätzt die einmaligen Kosten für die deutsche Wirtschaft auf 110 Mio. Euro, die jährlichen Zusatzkosten für Bürokratie werden mit 43,5 Mio. Euro veranschlagt. Das sei mit der Entlastung der Wirtschaft durch das Dritte Bürokratieentlastungsgesetz vom 22. November 2019 kompensiert. Wie diese Behauptung bewiesen wird bleibt offen. Die tatsächlichen Belastungen für die Unternehmen dürften ohnehin viel höher liegen.

Wettbewerbsnachteil:

Deutschland will in der EU ein Zeichen setzen und mit einem nationalen Alleingang den Schutz der Menschenrechte voran bringen. Das könnte deutsche Unternehmen gegenüber europäischen und internationalen Konkurrenten benachteiligen.
30. Juli 2021

Die Deutsche Handelskammer in China bietet im Zusammenhang mit dem Deutschen Sorgfaltspflichtengesetz eine Auswahl an möglichen "Code of Conducts" als download an:
German Chamber Template for a “Code of Conduct for Sustainable Supply Chains in China” (ahk.de)

KMU-Kompass zur Sorgfaltsprüfung in den Lieferketten

Ob Zulieferer, Einzelhändler oder Produktionsbetrieb: Globale Liefer- und Wertschöpfungsketten zählen auch für deutsche KMU und Mittelständler zum Alltag. Doch woher können Sie wissen, unter welchen Arbeitsbedingungen Rohstoffe abgebaut wurden? Oder wie es um Themen wie Abwasser- und Umweltschutz oder Chemikalienmanagement steht – gerade in der tieferen Lieferkette in Entwicklungsländern?
Der  KMU Kompass hilft dabei: Das kostenfreie Info-Portal unterstützt Unternehmen, konkret und praxisnah. Das erleichtert, gezielte Maßnahmen zu ergreifen und der Sorgfaltspflicht nachzukommen.
Ein Angebot vom Helpdesk Wirtschaft & Menschenrechte und der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ).
17. November 2021

Auswertung der Sonderumfrage der Going International zum Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz

Unternehmen mit mehr als 3.000 Beschäftigten sind ab 2023 vom Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) betroffen, Unternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten ab 2024. Da direkt betroffene Unternehmen bei der Risikoanalyse auf die Unterstützung ihrer Zulieferer angewiesen sind, die durch die Beantwortung von Fragebögen die für die Risikoanalyse nötigen Informationen beisteuern, müssen auch kleinere Unternehmen ihre Lieferkette genau kennen.
Ziel der Sonderumfrage, an der sich rund 2600 auslandsaktive Unternehmen beteiligten, ist es, ein aktuelles Lagebild zu den Vorbereitungsaktivitäten der unmittelbar wie mittelbar betroffenen Unternehmen und ihren Herausforderungen zu erhalten.

Länderspezifische Umsetzungshilfen
Gemeinsames Angebot von Germany Trade & Invest, Deutscher Industrie- und Handelskammer (DIHK) und Auswärtigem Amt

Die länderspezifischen Umsetzungshilfen zu ausgewählten Ländern, darunter China, Indien, Türkei und Mexiko, unterstützen bei der Ermittlung und Vermeidung menschenrechtlicher Risiken in der Lieferkette. Daneben werden länderspezifische Informationen zu gesetzlichen Grundlagen, Präventions- und Abhilfemaßnahmen angeboten.
Unternehmen werden mit dem Angebot unterstützt, ihre Verpflichtung zur Ermittlung, Gewichtung und Priorisierung der Risiken umzusetzen, entsprechend der Handreichung zur Umsetzung von Risikoanalysen nach den Vorgaben des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA).
Auch kleine und mittlere Unternehmen (KMU), die nicht den gesetzlichen Sorgfaltspflichten des LkSG unterliegen, können trotzdem mit den Anforderungen des Gesetzes in Berührung kommen. Dies ist dann der Fall, wenn ein KMU als Zulieferer von Waren und Dienstleistungen für ein anderes Unternehmen fungiert, das LkSG-pflichtig ist.
Zu den Länderspezifischen Umsetzungshilfen gelangen Sie hier: https://www.gtai.de/de/trade/specials/lksg

Informationen des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA)

Auf der Webseite des BAFA finden Sie einen Überblick zu den unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten ebenso wir zur Berichtspflicht, der Risikoanalyse und zu den Beschwerdeverfahren im Unternehmen.

Zwischenzeitlich ist der Fragebogen für die Berichtspflicht im Rahmen des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes überarbeitet worden. Bei der neuen Version handelt es sich nun um eine elektronische Eingabemaske. Diese ist unter https://elan1.bafa.bund.de/bafa-portal/lksg zu finden und kann zunächst als Test ausgefüllt werden, um sich vorab über das Format zu informieren. Weiterhin gilt, dass die Vorlage der Berichte erst zum Juni 2024 überprüft werden. Vgl. hier. Nach bisherigen Informationen wurde der Inhalt nicht verändert, nur das Fragenformat wurde von Multiple-Choice in offenere Fragen umgeändert.
11.04.2023