Wirtschaft, Kultur und Leben im Wandel
Innenstädte: Die Digitalisierung, ein verändertes Konsumverhalten und der demografische Wandel fordern neue Konzepte für deutsche Innenstädte. Dirk Binding, Bereichsleiter Digitale Wirtschaft, Infrastruktur, Regionalpolitik bei der DIHK, betont die Notwendigkeit einer integrierten Stadtentwicklung, die Resilienz und digitale Lösungen in den Fokus rückt.
Innenstädte zukunftsfähig gestalten
VON LEON ALTHENN
Deutsche Innenstädte erleben einen tiefgreifenden Wandel. Leerstände, der Rückgang des lokalen Einzelhandels und veränderte Anforderungen im Bereich Mobilität prägen das Bild vieler Stadtzentren. Die Corona-Pandemie hat diese Entwicklungen weiter beschleunigt. Der Handlungsbedarf von Politik und Wirtschaft ist gewachsen und häufig haben die Maßnahmen mit den Entwicklungen nicht Schritt halten können. Dirk Binding, Bereichsleiter Digitale Wirtschaft, Infrastruktur, Regionalpolitik bei der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), betont die Bedeutung einer integrierten Stadtentwicklung. Er sieht die Notwendigkeit, Digitalisierung, Mobilität und regionale Wirtschaftspolitik miteinander zu verknüpfen. Dadurch sollen Innenstädte zukunftsfähig gestaltet werden können. „Die Entwicklung resilienter Innenstädte erfordert eine enge Kooperation aller Akteure. Business Improvement Districts (BIDs) ermöglichen es zum Beispiel, flexibel auf Veränderungen zu reagieren und innovative Lösungen voranzubringen“, so Binding.
Die Digitalisierung bietet Innenstädten dabei neue Möglichkeiten, ihre Attraktivität zu steigern. Digitale Angebote wie kostenfreies WLAN, digitale Informationssysteme und intelligente Verkehrssteuerung können das Besuchserlebnis verbessern und wieder mehr Besucher in deutsche Innenstädte locken. Binding unterstreicht, dass digitale Infrastruktur ein entscheidender Standortfaktor sei, der sowohl für Bürger als auch für Unternehmen eine große Rolle spiele. Die Digitalisierung solle daher nicht als Gefahr für die lokale Wirtschaft gesehen werden. Vielmehr sei es wichtig, dass sich lokale Unternehmen der Vorteile digitaler Lösungen bedienen und somit wettbewerbsfähig bleiben. Dadurch könne die Digitalisierung zum Motor der innerstädtischen Entwicklung werden.
Multifunktionale Nutzungskonzepte
Ein zentraler Aspekt zukunftsfähiger Innenstädte ist die multifunktionale Nutzung. Stadtzentren sollen nicht nur Orte des Einkaufens sein, sondern auch Raum für Wohnen, Arbeiten, Kultur und Freizeit bieten. Die Studie „Vitale Innenstädte2024“ des IFH Köln zeigt, dass eine Kombination aus Handel, Gastronomie sowie Kultur- und Freizeitangeboten die Aufenthaltsqualität erhöht und dabei diverse Zielgruppen adressiert.
Auch veränderte Mobilitätsbedürfnisse machen eine Anpassung der Konzepte für innerstädtischen Verkehr notwendig. Carsharing, Fahrradverleihsysteme und eine gute Anbindung an den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) sind wichtige Elemente, um die Erreichbarkeit der Innenstadt zu gewährleisten. Insbesondere in Großstädten, in denen die Parkplatzsituation ohnehin schon herausfordernd ist, ist ein gutes ÖPNV-Netz nicht nur wünschenswert, sondern essenziell. Binding sieht in der Förderung nachhaltiger Mobilitätsangebote einen Schlüssel zur Steigerung der Attraktivität von Stadtzentren: „Die Zukunft der Innenstadt entscheidet sich auch auf der Straße – und zwar dort, wo neue Mobilitätsangebote unkompliziert, vernetzt und nachhaltig zugänglich gemacht werden. Nur so bleibt das Zentrum ein attraktiver Ort für alle Generationen.“ Wichtig sei, dass die Innenstädte für alle Verkehrsträger und alle Verkehrsarten erreichbar seien, führt er weiter aus.
Blick nach Brüssel
Auch wenn Stadtentwicklung primär vor Ort gestaltet wird, gibt die EU doch den politischen Rahmen dafür vor. Förderprgramme, Klimaziele, digitale Infrastruktur oder Verkehrsplanung – viele lokal relevante Impulse für die Entwicklung von Innenstädten stammen aus Brüssel. Die EU-Vorgaben wirken für die deutschen Unternehmen jedoch meist abstrakt und werden häufig als Bürde im alltäglichen Geschäft wahrgenommen. Die DIHK mit ihrer Vertretung in Brüssel fungiert damit gewissermaßen als Brücke zwischen der EU-Politik und den 79 regionalen IHKs, die wiederum Ansprechpartner für die lokalen Unternehmen sind. Eine ausgewogene Kommunikation zwischen den verschiedenen Ebenen auf wirtschaftlicher und politischer Ebene sei dabei der Schlüssel, um gegenseitiges Verständnis zu schaffen und den europäischen Gedanken konstruktiv voranzubringen, sagt Binding. „Nur wenn die Bedürfnisse vor Ort in europäische Entscheidungsprozesse einfließen, können wir sicherstellen, dass europäische Fördermittel sinnvoll wirken und bürokratische Hürden nicht zum Hemmnis lokaler Lösungen werden“, bringt er es auf den Punkt.
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Daniel Kaiser
Stand: 04.09.2025