Soziale Medien - Weit mehr als Kommunikation

HMA-Sitzung bei NOWEDA: Eine effektive Nutzung sozialer Medien, die Einführung der kommunalen Verpackungssteuer in Gießen sowie die aktuelle Lage des deutschen Einzelhandels standen auf der Agenda der Sitzung des Handels- und Mittelstandsausschusses (HMA) Ende Mai.
VON PETRA A. ZIELINSKI
Die großzügigen Räumlichkeiten der Noweda eG in Langgöns boten den Mitgliedern des HMA-Ausschusses mit ihrem Vorsitzenden Jochen Ruths viel Platz für einen intensiven Austausch zu brandaktuellen Themen. Den Anfang machte Mario Leo, Inhaber, Gründer und Geschäftsführer von Result Sports & Result Consulting. „Seit 2008 beschäftige ich mich ausschließlich mit Medien und Sport“, erklärte Leo, der eigentlich Fußballprofi werden wollte. Der Experte berichtete nicht nur über seine tägliche Arbeit und zeigte dabei interessante Fakten auf, sondern gab den Mitgliedern des Handels- und Mittelstandausschusses wichtige Tipps im Umgang mit sozialen Medien. „Das Smartphone ist unser täglicher Begleiter. Der durchschnittliche Deutsche nutzt es zwei Stunden und 23 Minuten pro Tag als Informations- und Nachrichtenquelle, aber auch zur Unterhaltung und Entspannung.“ Dieser Trend sei durch Corona stark begünstigt worden. Auch der Bereich Sport profitiere erheblich von der Entwicklung. So hätten Fußballvereine wie Bayern München beispielsweise 176 Millionen Follower.

Soziale Medien als erste Informationsquelle

Die meisten Portale würden sich auf den „riesigen Plattformen“ Meta, zu der unter anderem Facebook, Instagram und WhatsApp gehörten, Alphabet mit You Tube und Google sowie Amazon mit seinem Marktplatz, Apple oder Microsoft tummeln. Zwar werde Google Maps nicht als soziales Netzwerk empfunden, gäbe aber dennoch Wertungen über auf dem Weg liegende Sehenswürdigkeiten, Hotels oder Restaurants ab. Ergänzt werde das „digitale Universum“ durch Anbieter wie Netflix oder Tiktok. „Unsere erste Informationsquelle sind mittlerweile die sozialen Medien“, unterstrich der Experte. Allein auf Instagram würden pro Sekunde 50.000 Beiträge gepostet. Bei Tiktok entschieden die Nutzer nach nur vier Sekunden, ob ein Beitrag einen „Daumen hoch“ verdient habe. „Plattformen arbeiten algorithmisch, sie verfolgen, was uns gefällt, um zu bestimmen, welche Inhalte sie uns künftig zeigen können.“ Auf diese Weise könnten Streamingdienste gezielt Filme vorschlagen und Einzelhändler individuell ausgewählte Werbung zeigen.
„Wir müssen aber von dem Gedanken wegkommen, dass soziale Medien nur unterhalten“, betonte Mario Leo. Denn durch deren Nutzung würden nicht nur Privat- und Berufsleben, sondern auch die Bereiche Kommunikation, Vertrieb und Marketing verschmelzen. Result Sports beobachte und analysiere derzeit 28 soziale Plattformen. „Basierend darauf können wir klare Entscheidungen treffen, die auch Vorhersagen zulassen.“
Während beispielsweise HMA-Mitgliedsbetriebe wie die Apothekergenossenschaft 13 Beiträge pro Monat, FFH 127 Beiträge pro Monat und Mode Ruths 15 Beiträge pro Monat poste, seien es beispielsweise beim englischen Fußballverein Manchester City 57 pro Tag. Das führe unweigerlich zu einer Reizüberflutung.

Ziele definieren

Umso wichtiger sei es, sich eine Strategie zu überlegen. „Was möchte ich mit meinem Auftritt in welchem Zeitraum bewirken?“ müsse die erste Frage lauten. Erst danach gelte es, sich um Ressourcen, Kanäle, Daten und Inhalte zu kümmern. Die Inhalte müssten sich dabei immer der Zielgruppe anpassen. Eine entscheidende Rolle spiele auch die Uhrzeit, zu der ein Beitrag gepostet werde. „Zur Hauptarbeitszeit, zwischen 9 und 17 Uhr, ist das Interesse der Nutzer eher gebremst“, gab Leo zu bedenken. Und: „Nicht alle Inhalte erzielen die gleiche Wirkung bei den unterschiedlichen Plattformen.“ Während Facebook die Altersgruppe von 30 bis 65 plus anspräche, seien die Nutzer von Instagram in der Regel zwischen 15 und 40 Jahre alt.
Auch auf die Risiken der Nutzung sozialer Medien ging der Experte ein: Meinungen könnten hier schnell zu Fakten werden, falsche Botschaften bekämen eine große Reichweite und Reizüberflutung führe zu mehr Gleichgültigkeit, da die Verhältnismäßigkeit verloren gehe. Hier gelte es, eine Wertegemeinschaft zu implementieren. Um mit den Herausforderungen, die die Nutzung sozialer Medien mit sich bringt, richtig umgehen zu können, forderte Mario Leo, digitales Lernen in Schulen zu implementieren. Hierbei stieß er auf breite Zustimmung im Plenum.

Bürokratiemonster Verpackungssteuer

Mit der kommunalen Verpackungssteuer – dem „neuen Bürokratiemonster“ – setzte sich Elke Dietrich, Fachanwältin für Steuerrecht bei der IHK Gießen-Friedberg, in ihrer Präsentation auseinander. Die Stadt Gießen möchte dem Beispiel von Tübingen folgen und eine Steuer auf bestimmte Einwegverpackungen einführen. Grund hierfür sei offiziell der Wunsch, Müll im öffentlichen Raum zu reduzieren. Eine gewisse Rolle spiele aber vermutlich auch die „allgemein dramatische Verschlechterung der Finanzlage der Kommunen“, die in der Explosion der Sozialausgaben begründet sei. Betroffen von der Steuer seien nach Angaben der Expertin alle Verpackungen, die voraussichtlich im Stadtgebiet verbleiben. Als Beispiele nannte Elke Dietrich unter anderem Einweggetränkeverpackungen wie Kaffee- oder Teebecher, Einwegteller, -schalen, -schüsseln, -boxen oder Hilfsmittel wie Besteck oder Trinkhalme. Ein nach Hause gelieferter Pizzakarton werde nicht mit Verpackungssteuer belegt, der einer vor Ort verzehrten Pizza schon.

Großer Aufwand, kleiner Nutzen

„Der Steuertatbestand muss typisierend darauf abstellen, dass die Verpackung im Gemeindegebiet verbraucht wird“, erläuterte Elke Dietrich. Diese Formulierung des Bundesverfassungsgerichtes weise erhebliche Abgrenzungsprobleme auf. „Wir haben hier großen Aufwand für die Unternehmen und die Verwaltung“, unterstrich die Expertin. Darüber hinaus sei einer Studie der Universität Tübingen zufolge ein Rückgang des Müllaufkommens nach Einführung der Steuer in der baden-württembergischen Stadt nicht festzustellen
Während sich Wiesbaden und Darmstadt ebenfalls am Tübinger Vorbild orientierten, zweifele Frankfurt an der Wirksamkeit der Steuer. Bayern habe sogar ein Verbot für kommunale Verpackungssteuern erlassen.
Eine bessere Lösung stelle die seit 1. Januar 2023 bestehende Mehrwegsangebotspflicht dar, die vorschreibe, dass Unternehmen in der Regel eine Mehrwegalternative für Speisen und Getränke zum Mitnehmen anbieten müssen. Dass dieses Angebot von den Verbrauchern bisher kaum genutzt werde, liege nicht zuletzt an fehlendem Wissen der Kunden und den höheren Kosten für die Mehrwegverpackungen. Die IHK Gießen-Friedberg spreche sich klar für die Position „Ja zum Umweltschutz, nein zur Verpackungssteuer“ aus. Ziel solle eine Verbesserung des städtischen Reinigungskonzeptes und die Schaffung eines bundeseinheitlichen, unkomplizierten Mehrwegsystems für Getränke und Take-away-Speisen mit vielen Rücknahmestellen sein.

Stationärer Handel rückläufig

Die Ergebnisse der dritten ibi-Handelsstudie zum Thema deutscher Einzelhandel stellte abschließend Daniel Kaiser, Referent im IHK-Geschäftsbereich Standortpolitik, vor. 53 IHKs hatten sich an der von IBI Research durchgeführten Studie beteiligt. „Fakt ist, dass der Anteil der Multi-Kanal-Händler seit 2020 stark zugenommen hat“, erklärte Kaiser, während die Zahl der stationären Händler in noch stärkerem Maße gesunken sei. Der Online-Handel habe seine Position behaupten können. Vor allem eine zunehmende Regulierung, aber auch die Markenmacht globaler Marktplätze wie Amazon und ebay sowie der zunehmende Wettbewerb durch Drittstaatenhändler, beispielsweise Temu oder Shein, machten dem stationären Handel zu schaffen.
Die allgemeine Geschäftslage der Unternehmen sei nach Aussage der befragten IHKs durch hohe Energiekosten, sinkende Passantenfrequenz und Fachkräftemangel geprägt. Auch Eigenkapitalrückgänge, Liquiditätsengpässe und steigende Mietpreise wurden genannt. Ein Drittel der Unternehmen habe unter IT-Ausfällen zu leiden. 60 Prozent gaben an, von über hinaus habe die Studie ergeben, dass die Hälfte aller Unternehmen im Laufe der kommenden zehn Jahre eine Unternehmensnachfolge plane.

Bürokratie abbauen

Für die nächsten fünf Jahre werde ein weiter rückläufiger stationärer Handel bei stärker wachsenden Online-Shops und Social Media prognostiziert, so Kaiser. Handlungsempfehlungen seien unter anderem ein konsequentes Vorantreiben der digitalen Transformation, der Ausbau von IT-Sicherheitsmaßnahmen, der Abbau bürokratischer Hürden, eine frühzeitige Nachfolgeplanung sowie eine EU-weite Harmonisierung und der Schutz vor asiatischem Direktvertrieb. Daniel Kaiser rief gemeinsam mit Jochen Ruths dazu auf, sich an der IHK-Umfrage zum Thema Evaluation des Kassengesetzes zu beteiligen.

Die Results Consulting GmbH aus Büdingen ist ein innovatives Beratungsunternehmen, das Vertriebs- und Marketingdienstleistungen im Bereich von Bildung und E-Learning, Sport und Unterhaltung sowie Telekommunikation anbietet. Die fünf Säulen liegen dabei auf Monitoring, Monetarisierung, Strategie, Bildung und sozialer Verantwortung.

Noweda eG – „Lager der Apotheken“
Zu Gast war der Handels- und Mittelstandsausschuss bei der Noweda Apothekergenossenschaft eG. Deren Betriebsleiter Sebastian Retzlaff stellte sein Unternehmen nicht nur in einer interessanten Präsentation vor, sondern ließ die Mitglieder des HMA bei einem gemeinsamen Rundgang auch einen Blick hinter die Kulissen werfen. „Noweda ist ein vollversorgendes pharmazeutisches Großhandelsunternehmen mit 20 Niederlassungen in Deutschland sowie Beteiligungen an Unternehmen in Luxemburg und in der Schweiz.“ Ganz aktuell sei die seit 2007 bestehende Langgönser Niederlassung erweitert worden. „Unser Energiespeicher ist der Boden, 100 Prozent unserer Energie erzielen wir durch Geothermie“, betonte er. Eigentümer und Mitglieder der genossenschaftlich organisierten Noweda eG seien mehr als 9.300 Apothekerinnen und Apotheker. „Mit einem Gesamtumsatz von 9,9 Milliarden Euro ist Noweda eines der großen deutschen Handelsunternehmen. Hauptsitz der Genossenschaft ist Essen“, führte Retzlaff aus. „Wir verstehen uns als enger Partner und Lager der Apotheken“, erklärte er. Noweda stelle seinen Mitglieder-Apotheken und damit den Patienten bundesweit ein Sortiment mit rund 160.000 Arzneimitteln und apothekenüblichen Waren sowie ein umfangreiches Service- und Dienstleistungspaket zur Verfügung. Darüber hinaus stehe Noweda als apothekereigenes Unternehmen an der Seite der inhabergeführten Vor-Ort-Apotheken. „Noweda legt großen Wert auf eine vollständige Versorgung der Region“, unterstrich er. Aus diesem Grund liegt dem Betriebsleiter eine breite Aufstellung und faire Verteilung der Waren am Herzen. Von Langgöns aus würden 460 Apotheken im Umkreis von 60 bis 90 Fahrminuten je nach Bedarf viermal pro Tag beliefert. „Unsere Fahrzeuge sind immer temperaturüberwacht, denn bei falscher Temperatur können Medikamente schnell ihre Wirkung verlieren“, unterstrich Retzlaff. Auch ein Konzept zept für den Notfall hat das Unternehmen. „Wir können 72 Stunden autark arbeiten, unsere Autos sind immer getankt.“
Stand: 04.09.2025