Was bringt eine kommunale Verpackungssteuer?

Steuer: Im Bundestagswahlkampf war Bürokratieabbau eines der zentralen Versprechen der Parteien. Jetzt droht der Wirtschaft von kommunaler Seite neue Bürokratie: die Verpackungssteuer. In Gießen ist sie beschlossene Sache.
VON ELKE DIETRICH
Es fühlt sich an wie eine Verwahrlosung: fast überall an Straßenrändern, Parks und Plätzen liegen achtlos weggeworfene Pappbecher, Plastikdeckel, Pappschalen oder Papiere, die nach einer schnellen Mahlzeit als stille Zeugen der schlechten Manieren ihres letzten Besitzers zurückbleiben. Kein Wunder, dass viele Kommunen nach einer Lösung suchen, die Sauberkeit ihrer öffentlichen Flächen zu verbessern.
Die Stadt Tübingen entschied sich für eine Steuer auf Einwegverpackungen. Seit 2022 muss jedes Unternehmen, das in Tübingen Speisen oder Getränke zum sofortigen Verzehr anbietet, pro Pappbecher oder -teller sowie Einwickelpapier beziehungsweise -folie 50 Cent und pro Besteck 20 Cent berechnen und an die Stadt abführen. Es stellte sich aber die Frage, ob eine Kommune überhaupt berechtigt ist, auf ein bestimmtes Produkt eine eigene Steuer zu erheben, weshalb die Betreiberin eines Tübinger Fastfood-Restaurants geklagt hatte. Am Ende des Weges durch die gerichtlichen Instanzen entschied das Bundesverfassungsgericht im Januar 2025, dass die Stadt Tübingen die Steuer erheben darf. Begründung: Die Steuer gilt nur für Verpackungen, die typischerweise im Stadtgebiet weggeworfen werden.

Viele Städte interessieren sich für das Konzept

Seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts überlegen viele Kommunen, ebenfalls eine Verpackungssteuer einzuführen. Neben der Vermeidung von Müll im öffentlichen Raum dürfte auch die Hoffnung auf zusätzliche Einnahmen ein wichtiges Motiv sein. Rund zwei Drittel der hessischen Kommunen konnten im vergangenen Jahr keinen ausgeglichenen Haushalt vorlegen. Da liegt die Versuchung nahe, neue Geldquellen zu erschließen. In der Stadt Gießen ist die Einführung der Verpackungssteuer bereits seit 2021 beschlossene Sache.
Was auf den ersten Blick nach einer guten Idee klingt, verursacht erst einmal Kosten. Die Unternehmen müssen ihre Mitarbeiter schulen. Nimmt man beispielsweise die Tübinger Satzung, so umfasst diese zwar nur wenige Paragrafen, wird aber durch rund 20 Seiten Auslegungshinweise ergänzt. Hierzu zwei Beispiele: Wer im Drive-in bestellt, zahlt keine Steuer, wer ins Lokal geht, schon. Bestellt man beim Bäcker den Zwiebelkuchen warm, fällt die Steuer an, bleibt er kalt, gibt es keine Steuer.
Unternehmen mit Filialen in verschiedenen Kommunen können von unterschiedlichen Regelungen betroffen sein. Da die Steuer Branchen betrifft, in denen es eine überdurchschnittlich hohe Personalfluktuation und einen hohen Anteil an Aushilfskräften gibt, bedeutet dies einen strukturell erhöhten Schulungs- und Verwaltungsaufwand, der in keinem angemessenen Verhältnis zum Umsatzniveau pro Beschäftigten steht. Außerdem müssen – wie bei jeder Steuerart – Aufzeichnungen gemacht, Steuererklärungen abgegeben, die Unterlagen gesetzeskonform archiviert und die Bescheide geprüft werden.

Hoher Aufwand

Auch aufseiten der Verwaltung wird zusätzliches Personal benötigt für die Prüfung der Steuererklärungen, den Erlass der Bescheide, die Rechtsbehelfsverfahren und die Überwachung und Durchsetzung der Zahlungen. Schließlich sollte auch Personal für wirksame Kontrollen bereitstehen, denn es wäre unfair, wenn diejenigen, die sich nicht an die Regeln halten, einen Wettbewerbsvorteil gegenüber den ehrlichen Unternehmen hätten. Die Stadt Tübingen (rund 92.000 Einwohner) kalkulierte allein für Projektleitung und Sachbearbeitung 1,25 Vollzeitstellen in der Stadtverwaltung. Die rund 200 steuerpflichtigen Betriebe führten 2023 etwa 600.000 Euro Verpackungssteuer an die Stadt ab. Bedenkt man, dass das Ziel der Verpackungssteuer sein soll, den Müll zu vermeiden, die Einnahmen also auf null zu bringen, erscheint sie als Einnahmequelle denkbar ungeeignet. Wäre die Verpackungssteuer erfolgreich, blieben am Ende auf allen Seiten ausschließlich Kosten.

Fraglicher Nutzen

Nicht nur das Verhältnis zwischen Einnahmen und Verwaltungsaufwand der Verpackungssteuer ist ungünstig, auch der Nutzen im Hinblick auf Müllvermeidung und Sauberkeit der öffentlichen Flächen ist fraglich. In einer Studie der Universität Tübingen konnte eine Reduktion der Müllmenge durch die Verpackungssteuer nicht nachgewiesen werden. Dieses Ergebnis überrascht nicht. Schon jetzt hat jeder Kunde das Recht, mitgebrachte Behältnisse befüllen zu lassen oder, soweit er in einem Betrieb mit mehr als 80 Quadratmetern Verkaufsfläche und fünf Mitarbeitern bestellt, anstelle von Einwegverpackungen eine Mehrwegalternative zu verlangen. Jüngste Erfahrungen zeigen aber, dass Verbraucher von dieser Möglichkeit kaum Gebrauch machen. Daran würde auch ein 20 oder 50 Cent höherer Preis nichts ändern. Denn Speisen und Getränke zum Sofortverzehr werden nicht unter dem Gesichtspunkt der größtmöglichen Geldersparnis gekauft, sondern weil es eine bestimmte Annehmlichkeit bietet.
Dies hatte man wohl auch in Tübingen erkannt. Um die Akzeptanz von Mehrwegbehältnissen zu fördern, führte die Stadt schon vor dem Inkrafttreten der Verpackungssteuer großangelegte Informationskampagnen durch und gewährte den Unternehmen finanzielle Unterstützung für die Anschaffung von Mehrweggeschirr und Spülmaschinen. Eine solche Förderung von Mehrwegsystemen wünschen sich auch viele Unternehmen des IHK-Bezirks Gießen-Friedberg, wie eine Umfrage der IHK ergab. Viele der teilnehmenden Unternehmen äußerten den Wunsch nach einem bundeseinheitlichen, funktionalen Mehrwegsystem mit Rücknahmepflicht beziehungsweise öffentlichen Rücknahmeautomaten. Sorge bereitet den Unternehmen laut Umfrageergebnis, dass ein Flickenteppich aus unterschiedlichen Regelungen und Mehrwegsystemen entstehen könnte.
Durch die Diskussion über eine Verpackungssteuer hat die Verschmutzung von Straßen und Plätzen mehr Aufmerksamkeit erhalten. Dies ist zu begrüßen. Die Kommunen sollten jedoch die Pläne zur Einführung einer lokalen Verpackungssteuer überdenken und die freiwerdenden Ressourcen in den Ausbau einer bundeseinheitlichen, praktikablen Mehrweginfrastruktur investieren.
Stand: 04.09.2025