Die unkalkulierbare US-Außenwirtschaftspolitik bietet Chancen

Weltkonjunktur: Maßnahmen wie pauschale Zölle auf Importe und verschärfte Handelsbedingungen haben die transatlantischen Beziehungen und die globalen Lieferketten deutlich verändert. Unternehmen kalkulieren ihre Investitionen in den USA zurückhaltender und blicken zunehmend auf alternative Märkte und Produktionsstandorte.
VON BÁRBARA DOS SANTOS
15 Prozent statt 30 Prozent Basiszollsatz auf europäische Produkte – das ist das Ergebnis der Zollverhandlungen zwischen der Europäischen Union und den USA von Ende Juli. Davon ausgenommen bleiben Stahl- und Aluminiumimporte, für die weiterhin ein Zollsatz von 50 Prozent gilt. Schadensbegrenzung? Bleibt abzuwarten. Denn was der Deal zum Beispiel für die deutsche Wirtschaft exakt bedeutet, wird sich erst in den kommenden Monaten herauskristallisieren.
Dennoch ist die Zeit der Unsicherheit vorerst vorbei und Unternehmen können ab sofort wieder besser planen, wenn auch mit schlechteren Rahmenbedingungen. Denn die Belastung für die Industrie bleibt massiv – vor allem für mittelständische Unternehmen ohne US-Standorte. Schlüsselbranchen wie Maschinenbau, Fahrzeugtechnik und Pharma stehen weiter unter Druck. Wichtig für die Planungssicherheit sind nun rasche Detailvereinbarungen.
Die US-Zollpolitik bleibt jedoch weiterhin schwer kalkulierbar und macht es jedem besonnenen Beobachter nicht leicht, den Überblick zu behalten. Da dadurch zumeist Verunsicherung und Angst entsteht, kommt häufig zu kurz, dass die veränderte Weltlage langfristig auch positive Aspekte politischer und wirtschaftlicher Art haben könnte.

Investitionsentscheidungen neu bewerten

Der Fokus richtet sich auf die Auswirkungen der „America First”- Strategie für die Weltwirtschaft. Neue Importabgaben auf Industrieerzeugnisse wie Maschinen, Automobile, Chemikalien oder Pharmaprodukte haben bereits zu einer spürbaren Eintrübung der Geschäftserwartungen geführt. Rund 60 Prozent der exportierenden Unternehmen berichten von belasteten Handelsbeziehungen sowie von Investitionsentscheidungen, die wegen der Unsicherheit neu bewertet werden.
Zunehmende Exportrisiken und höhere Zölle auf Vorprodukte belasten auch mittelhessische Schlüsselbranchen wie Chemie, Automobil, Maschinenbau, Verpackungstechnik und Halbleiterhersteller. Die Zollpolitik der USA unter Trump verunsichert die Unternehmen. Investitionen in den USA werden zurückhaltender geplant, während alternative Märkte und Produktionsstandorte an Bedeutung gewinnen. Deutschland, insbesondere nach dem Regierungswechsel, erscheint dabei als stabile Alternative. Der Kulturkampf in den USA verstärkt haben die wirtschaftlichen Entwicklungen bereits Spuren hinterlassen: Das Wirtschaftswachstum schwächt sich ab, die Inflation bleibt erhöht und die Zinslandschaft ist angespannt. Steigende Kosten für amerikanische Staatsschulden und eine geringere Konsumnachfrage wirken sich direkt auf die internationalen Absatzmärkte aus. Auch die Volatilität an den Finanzmärkten nimmt zu.

Mehr Diversifizierung ist gefragt

Für Mittelhessen bedeutet dies, dass die Diversifizierung von Absatzmärkten und Lieferketten entscheidend ist. Europäische Initiativen zur Ankurbelung neuer Freihandelsabkommen, beispielsweise mit Mercosur oder Indien, bieten hier konkrete Chancen für eine stärkere internationale Vernetzung und eine größere wirtschaftliche Unabhängigkeit vom US-Markt. Um im verschärften internationalen Wettbewerb zu bestehen, sind Investitionen in Forschung, Digitalisierung und Innovationskraft unerlässlich, da sie zusätzliche Wachstumspotenziale erschließen. Das wachsende Interesse internationaler Fachkräfte und Investoren an europäischen Standorten kann durch gezielte Rekrutierung von Spitzenpersonal in mittel- und langfristiger Perspektive positive Impulse geben. Es gilt, diese Chancen für die Region aktiv zu nutzen.

"Ein Großteil unserer Kunden ist in den USA ansässig. Wir haben seit März immer wieder Probleme mit Anlieferungen von Ersatzteilen in die USA. Langfristig befürchten wir, dass die Kunden Mittel und Wege finden werden, sich die Teile an anderer Stelle zu beschaffen, da der Mehraufwand (zeitlich und finanziell) auf Dauer nicht leistbar ist.“
Christina Jirschim, Zollbeauftragte bei Merz Verpackungsmaschinen GmbH in Lich
Stand: 25.09.2025