Chancen für deutsche Unternehmen

Perspektiven eröffnen: Bei der Konferenz kamen neben internationalen Unternehmern und Politikern auch Diplomaten zusammen, um die Attraktivität ihrer Länder vorzustellen. Bawa Syed Mubarak, indischer Generalkonsul, und Amin Ahmed Amin Hassan, ägyptischer Generalkonsul, zeigen Chancen für deutsche Unternehmen auf.
Herr Mubarak, Sie haben auf der Konferenz über „Strategische Schritte innerhalb der BRICS-Staaten“ gesprochen. In Ihrer Rede haben Sie erwähnt, dass es mehr als 2.000 deutsche Firmen in Indien gibt. Das stimmt. Ein gutes Beispiel sind Firmen wie Bosch und Siemens, die seit mehr als 100 Jahren in Indien tätig sind. Es ist ein Land, in dem deutsche Firmen florieren. Was sind die wichtigsten Gründe dafür?
Deutsche Unternehmen kommen aus verschiedenen Motiven nach Indien. Ein wichtiger Grund ist, dass sie hier einen großen Markt vorfinden. Wir haben mehr als 1,4 Milliarden Einwohner, davon gehören 350 Millionen Menschen dem Mittelstand an. Außerdem verfügt Indien über sehr viele qualifizierte Arbeitskräfte. Wir haben genug in Bildung investiert und deswegen keinen Mangel an Ingenieuren. Beispielsweise beschäftigt Mercedes in seinem Forschungs- und Entwicklungscenter in Indien 8.000 Arbeitskräfte.
Welche Rolle spielt dabei, dass große Teile Indiens Englisch sprechen können?
Es gibt in Indien 22 anerkannte Sprachen, aber Englisch ist die Sprache, die uns alle verbindet. Das ist ein großer Vorteil, denn dadurch haben wir in den Bereichen Information und Technologie sehr viel vorzuweisen.
In Ihrer Keynote sind Sie darauf eingegangen, dass Deutschland einen Fachkräftemangel hat. In welchem Sektor können indische Arbeitskräfte diese Lücke schließen?
Sehr viele deutsche Firmen sind im Industriesektor aktiv: Automobile, Pharmazeutika, Chemikalien oder Textilien beispielsweise. In diesen Bereichen dominiert Deutschland. Und bei genauer Betrachtung erkennt man, dass überall, wo es Stärken in Deutschland gibt, passende Fähigkeiten in Indien gefunden werden können. Dazu kommt, dass es durch Indiens große Bevölkerung leichter ist, die Produktion zu steigern.
Für welche deutschen Produkte ist die Nachfrage derzeit am höchsten?
Die Nachfrage nach deutschen Produkten ist in Indien generell sehr groß. Allein wenn wir uns Küchenmöbel ansehen: Dort dominiert Deutschland 20 Prozent des indischen Marktes. In vielen Schlüsselsektoren, wie der Bergbauindustrie oder der Robotik, egal ob mit Blick auf Zwischen- oder Endprodukte, überall spielt Deutschland eine große Rolle.
Was gibt es für ein deutsches Unternehmen zu beachten, das den indischen Markt erschließen möchte?
Ganz wichtig ist: Es funktioniert nicht, Produkte in Deutschland herzustellen und dann in Indien zu verkaufen. Die Preise können nur geringer werden, wenn die Produktion lokal in Indien geschieht. Ein gutes Beispiel ist das Unternehmen Schwing Stetter, das von Indien aus in 40 Länder exportiert. In Indien verfügt die Firma über deutlich höhere Kapazitäten als in Deutschland.
Neben qualifizierten Arbeitskräften braucht ein Land eine starke Infrastruktur, um Beschaffung und Versand zu gewährleisten.
Das ist wahr. Aus diesem Grund investieren wir seit Jahren massiv in Transportwege. Allein 2024 kamen 5.300 Kilometer Zugstrecke dazu, was mehr als die gesamte Zugstrecke der Schweiz ist. Viele staatliche Gelder fließen in den Ausbau der Infrastruktur.
Was ist der Beitrag, den Sie als Generalkonsulat für interessierte deutsche Firmen leisten?
Wir geben zuerst einen Überblick und beraten zu den neuesten Vorteilen sowie den besten Regionen, um eine erfolgreiche Strategie zu entwickeln.
Herr Hassan, in der Paneldiskussion zum Thema „Strategische Schritte innerhalb der BRICS-Staaten“ haben Sie angesprochen, dass es viele Erfolgsgeschichten deutscher Unternehmen in Ägypten gibt. Von wie vielen reden wir dabei genau?
Vor allem in den vergangenen Jahren kamen sehr viele deutsche Firmen zu uns. Allein im Jahr 2024 kamen 165 neue deutsche Unternehmen nach Ägypten, die im ersten Halbjahr 1,9 Milliarden US-Dollar investierten. Inzwischen investieren mehr als 1.600 deutsche Unternehmen in den ägyptischen Markt, darunter in erneuerbare Energien und unsere Infrastruktur.
Können deutsche Unternehmen von der natürlichen Infrastruktur in Ägypten profitieren?
Ein großer Vorteil ist, dass Ägypten neben dem Nil auch über den Suez-Kanal verfügt, was den Vertrieb von Gütern in die ganze Welt erleichtert. Neben den vielen Häfen, die wir haben, investiert der ägyptische Staat aber auch seit Jahren in neue Straßen, Züge und Brücken.
In welcher Weise wird ein deutsches Unternehmen, das in Ägypten Geschäfte machen möchte, staatlich unterstützt?
Es gibt einen großen politischen Willen, ausländische Direktinvestitionen zu fördern. Wir ziehen Unternehmen mit geringen Energiepreisen und qualifizierten Arbeitskräften an. Darüber hinaus wurde die „Goldene Lizenz“ eingeführt, die den bürokratischen Aufwand minimiert, weil nur eine Genehmigung benötigt wird, um eine Firma aufzubauen. Ägypten hat zudem mehrere Freihandelsabkommen mit vielen Ländern, die den Zugang zu großen internationalen Märkten ermöglichen – zusätzlich zum umfangreichen ägyptischen Binnenmarkt.
Wie groß ist der deutschsprachige Teil der ägyptischen Bevölkerung?
Rund 400.000 bis 500.000 Ägypter sind deutschsprachig. Es gibt mehr als 30 deutsche Schulen und zwei deutsche Universitäten in unserem Land. Deutsch wird aber auch in einigen anderen öffentlichen Schulen als zweite Sprache gelernt. Ganz grundsätzlich sind wir sehr gut darin, Menschen zu integrieren.
Wenn beispielsweise ein deutscher Unternehmer nach Ägypten kommt?
Ganz genau. Unsere Bevölkerung ist hochqualifiziert dafür und kann sehr gut darauf eingehen.
Wie lange braucht ein deutscher Unternehmer, um in Ägypten zu gründen?
Das kommt auf das jeweilige Projekt an, aber meistens geht es sehr schnell. Auch bei größeren Unternehmungen ist eine Gründung in kurzer Zeit erfolgreich abgeschlossen.
Wie stark sind deutsche Produkte derzeit am ägyptischen Markt nachgefragt?
Das Siegel „Made in Germany“ steht bei uns seit Jahren für eine hohe Qualität. Deutsche Produkte sind dafür bekannt. Vor allem Automobile, Maschinen, Haushaltsgeräte und erneuerbare Energietechnologien werden viel aus Deutschland bezogen.
Im Verlauf der Paneldiskussion haben Sie darum gebeten, dass Investoren sich nicht von negativen Stereotypen über Afrika entmutigen lassen sollten.
Auf jeden Fall. Es gibt immer noch Menschen, die Bedenken wegen der Sicherheit oder des rechtlichen Rahmens haben. Ich sage da immer nur: Kommt zu uns, besucht das Land und schaut es euch vor Ort an. Geht zu den Konsulaten, kontaktiert die Auslandshandelskammer und trefft euch mit Verantwortlichen, um genauere Informationen zu erhalten. Dabei entsteht dann ein ganz anderer Eindruck.
Und wie wichtig ist eine Veranstaltung wie „The World meets in Giessen“ für Sie als Generalkonsul?
Es ist eine großartige Gelegenheit, mit deutschen Unternehmern direkt ins Gespräch zu kommen und ihnen mögliche Investitionen vorzuschlagen. Uns bietet sich hier die Chance, die Teilnehmer von der Attraktivität des ägyptischen Marktes zu überzeugen.
Die Interviews führte Joris Zielinski.
Stand: 01.07.2025