CBAM — der CO2-Grenzausgleichsmechanismus

Im Mai 2023 wurde die EU-Verordnung zur Schaffung eines CO₂-Grenzausgleichssystems (CBAM) erlassen. Demnach müssen ab dem Jahr 2026 Importeure für die Einfuhr bestimmter Waren der Warengruppen Eisen und Stahl, Aluminium, Zement, Wasserstoff, Strom und Düngemittel zum Ausgleich der bei der Herstellung der Waren freigesetzten Treibhausgase von den EU-Mitgliedsstaaten CBAM-Zertifikate erwerben.
Bereits seit dem 1. Oktober 2023 gelten für alle Einfuhren von CBAM-Waren umfangreiche Berichtspflichten. Der Bericht für das letzte Quartal 2023 musste im Januar 2024 bei der EU-Kommission eingereicht werden. Erleichterungen für kleine und mittelständische Unternehmen oder für KMU, die besonders viele unterschiedliche CBAM-Waren einführen, sind nicht vorgesehen. Die im September 2023 veröffentlichte CBAM-Durchführungsverordnung führt detailreich aus, wie die „grauen“ Emissionen ermittelt werden sollen und wie die Berichtspflichten zu erfüllen sind.
Wie funktioniert der CBAM?
Das zentrale Klimaschutzinstrument der EU bildet bereits seit 2005 der Europäische Emissionshandel (EU-ETS). Dieser bepreist in der EU emittierte Treibhausgase. Um eine Verlagerung der Produktion aus der EU in Länder mit niedrig ausgeprägten Umwelt- und Klimaschutzregelungen zu verhindern (Carbon Leakage) wird der CO₂-Grenzausgleichsmechanismus (CBAM) als Teil des „Fit für 55“-Paketes eingeführt. Der CBAM besteuert schrittweise ab 2026 bestimmte emissionsintensive Waren aus Drittländern bei der Einfuhr in die EU. Dies wird durch die Verpflichtung zum Erwerb sogenannter CBAM-Zertifikate umgesetzt. Wurde bereits ein CO₂-Preis im Ursprungsland entrichtet, können die Kosten auf das CBAM-Zertifikat angerechnet werden, um eine Doppelbelastung zu vermeiden.
Welche Waren sind betroffen?
Der CBAM betrifft den Import in die EU der in Anhang I der erwähnten EU-Verordnung aufgeführten Waren. Maßgeblich ist die dort genannte Warennummer/Zolltarifnummer/Kombinierte Nomenklatur.
Betroffen sind:
• Eisen und Stahl Kapitel 72 mit Ausnahme einzelner Waren der Position 7202, nämlich: 7202 2X, 7202 30, 7202 50, 7202 70-7202 9980 sowie der Position 7204 (Schrott).
• Waren aus Eisen und Stahl Kapitel 73: Erfasst sind die Positionen 7301–7311, 7318, 7326. Ausgenommen sind 7312–7317 sowie 7319–7325.
• Aluminium und Waren daraus Kapitel 76: Erfasst sind 7601, 7603–7614, 7616. Ausgenommen sind folglich 7602 und 7615.
• Eisenerz 2601 1200
• Wasserstoff 2804 1000
• Elektrizität 2716
• Zement: 2507 0080, 2523
• Ammoniak 2814, Kaliumnitrat 2834 2100, Düngemittel 3102 und 3105
Die Kapitel 72, 73 und 76 umfassen auch Produkte wie Schrauben und ähnliche Artikel aus Eisen oder Stahl (Position 7318 und 7326) oder Aluminium. Die betroffenen Waren sind mit ihrer Position oder ihrer Kombinierten Nomenklatur erfasst.
Entscheidend dafür, ob eine Ware unter den CBAM fällt, ist die beim Import verwendete Warennummer/Zolltarifnummer. Falls diese in Anhang I der CBAM-Verordnung genannt ist, fällt die Ware unter die Regelung. Wenn die Warennummer nicht genannt ist, dann fällt die Ware nicht unter den CBAM. Es ist wahrscheinlich, dass diese Liste ab 2026 ausgeweitet wird.
Welche Waren sind ausgenommen?
Vom sachlichen Anwendungsbereich ausgenommen sind lediglich:
• Kleinmengen: Der Gesamtwert der CBAM-Waren in der Sendung übersteigt nicht 150 Euro. Der Sendungswert selbst ist unerheblich.
• Waren für den persönlichen Gebrauch im Gepäck von Reisenden
• Waren mit Ursprung in der Schweiz, Liechtenstein, Norwegen und Island. Es gibt bislang keine weiteren Länder oder Ursprungswaren, die befreit sind.
• Waren mit Ursprung in der EU, die in die EU zurückkommen (Rückwaren).
Der Ursprung der eingeführten Waren muss künftig bekannt sein.
Welche Pflichten hat der Einführer?
Jeder Einführer von CBAM-Waren ist zur Abgabe eines CBAM-Berichts verpflichtet. Einführer ist die Person, die die Zollanmeldung zur Überlassung von Waren zum zollrechtlich freien Verkehr abgibt, beziehungsweise bei indirekter Vertretung die Person, „auf deren Rechnung“ die Zollanmeldung abgegeben wird.
Darüber hinaus entstehen Berichtspflichten auch dann, wenn CBAM-Waren zunächst in ein Verfahren der aktiven Veredelung überführt werden und die daraus hergestellten Veredelungserzeugnisse später eingeführt werden.
Die Durchführungsverordnung legt die Berichtspflichten für Importeure detailliert dar. Wenn Importeure den Berichtspflichten nicht nachkommen, keine oder fehlerhafte Berichte abgeben, drohen Sanktionen. Aktuell fehlt es hierfür an der erforderlichen nationalen Rechtsgrundlage.
Wie ist der Zeitplan?
Die Einführung des CBAM erfolgt schrittweise seit dem 1. Oktober 2023 mit einer Übergangsfrist bis zum 31. Dezember 2025. Der Übergangszeitraum dient vor allem dazu, Daten und Erfahrungen zu sammeln, um die Abläufe für die Implementierungsphase tatsächlich praxistauglich gestalten zu können. Finanzielle Ausgleichszahlungen entstehen in dieser Phase noch nicht. In der Importzollanmeldung selbst müssen keine Angaben zum CBAM gemacht werden. Es ist vorgesehen, dass der Importeur von seiner CBAM-Meldepflicht durch den Zollbescheid informiert wird.
Die Pflicht während des Übergangszeitraums besteht aus folgenden Punkten:
• Registrierung im vorläufigen CBAM-Register
• Berechnung/Dokumentation der Emissionen
• Erstellung des Quartalsberichts
Wie erfolgen Zugang und Registrierung?
Die CBAM-Quartalsberichte müssen in das vorläufige CBAM-Register hochgeladen beziehungsweise im Register erstellt werden. Der Zugang zum CBAM-Übergangsregister soll in Zukunft über folgenden Link möglich sein: https://cbam.ec.europa.eu/declarant. Daten können nach der Authentifizierung über das Zoll-Portal eingegeben oder über die von der EU-Kommission bereitgestellten Dateiformate hochgeladen werden.
Für die Einrichtung des Zugangs der Wirtschaftsbeteiligten ist die „national zuständige Behörde“ verantwortlich – Deutschland hat allerdings bisher keine national zuständige Behörde benannt. Der Zugang zum Übergangsregister ist deutschen Wirtschaftsteilnehmern folglich aktuell nicht möglich.
Wie werden die Emissionen ermittelt?
Der Importeur muss die direkten und indirekten Emissionen, die im Produktionsprozess der importierten Güter entstanden sind, ermitteln beziehungsweise dokumentieren. Dies ist nur mit den entsprechenden Daten des ausländischen Herstellers möglich. Damit diesen verständlich gemacht werden kann, welche Daten der Importeur benötigt, hat die EU-Kommission Beispieldokumente auf ihrer Webseite vorbereitet, darunter Leitlinien für Anlagenbetreiber in Drittländern sowie eine Excel-Vorlage zur Abfrage der erforderlichen Daten innerhalb der Lieferkette.
In Anhang IV der Durchführungsverordnung ist der Inhalt der empfohlenen Mitteilung von Anlagenbetreibern an berichtspflichtige Anmelder enthalten. Das sind die Daten, die vom ausländischen Lieferanten/Hersteller benötigt werden.
Dazu gehören neben genauen Angaben zum Produktionsort folgende Informationen:
1. Produktionsverfahren
2. spezifische graue direkte Emissionen, Angaben zur Methodik
3. indirekte graue Emissionen
4. Sektorspezifische Angaben
Für die ersten drei Quartalsberichte (Zeitraum bis 30. Juni 2024) sind Schätzungen beziehungsweise Standardwerte zulässig. Diese Standardwerte (default values transitional period) wurden Ende Dezember 2023 veröffentlicht und sind auch im CBAM-Meldeportal enthalten.
Welche Daten muss der Quartalsbericht enthalten?
Spätestens einen Monat nach Quartalsende muss eine Meldung im vorläufigen CBAM-Register (durch den Importeur oder einen Vertreter) erfolgen, die diese Angaben enthält:
• Gesamtmenge jeder Warenart, ausgedrückt in Megawattstunden bei Elektrizität und in Tonnen bei anderen Waren, angegeben für jede Anlage, die die Waren im Ursprungsland herstellt
• tatsächlich eingebettete Gesamtemissionen, ausgedrückt in Tonnen CO₂e-Emissionen pro Megawattstunde Elektrizität oder für andere Waren in Tonnen CO₂e-Emissionen pro Tonne jeder Warenart, berechnet nach der in Anhang III beziehungsweise in der Durchführungsverordnung beschriebenen Methode, sowie die gesamten indirekten Emissionen
• Alternative: Verwendung von Standard[1]werten bis zum 30. Juni 2024
• Daten des ausländischen Lieferanten (gemäß Anhang IV der Durchführungsverordnung)
• sofern vorhanden, der CO₂-Preis, der in einem Ursprungsland für die in den eingeführten Gütern enthaltenen Emissionen zu zahlen ist, unter Berücksichtigung einschlägiger Rabatte oder sonstiger Formen des Ausgleichs. Diese Meldepflichten gelten nicht für die Einfuhr von Veredelungserzeugnissen aus dem Verfahren der passiven Veredelung (Artikel 259 UZK) sowie Rückwaren im Sinne von Artikel 203 UZK.
Falls keine Importe in einem Quartal stattgefunden haben, muss auch keine Meldung abgegeben werden, auch keine Nullmeldung.
Gibt es besondere Herausforderung bei komplexen Waren?
Gemäß dem Gesamtansatz der Emissionsbestimmung (Anhang III, A.1) müssen bei komplexen Waren neben den „grauen“ Emissionen des letzten Herstellungsprozesses auch die „grauen“ Emissionen der Herstellungsprozesse der Vorprodukte ermittelt werden. Ob eine Ware komplex ist, muss für jede Ware ermittelt werden (Anhang II Abschnitt 3 CBAM-Bericht). Dort ist dargestellt, welche Produktionswege für eine bestimmte zusammengefasste Warenkategorie maßgeblich sind. Werden beim Produktionsweg einer Ware relevante Vorläuferstoffe genannt, handelt es sich um eine komplexe Ware.
 Die Daten zu den „grauen“ Emissionen der Vorprodukte einer Ware wird der Importeur nur dann liefern können, wenn er den Anlagenbetreiber im Drittland davon überzeugen kann, seinerseits bei seinen Zulieferern die entsprechenden Daten zu beschaffen. Hintergrund der Regelungen zu den komplexen Waren ist das Ziel der Gleichbehandlung von in der EU hergestellten Waren, die dem EU-Emissionshandelssystem unterliegen, mit importierten Waren.
Und wenn keine Daten und Standardwerte verfügbar sind?
Die Frage, ob Importeure Vereinfachungen nutzen können, um den Aufwand der Berichterstattung auf ein verhältnismäßiges Maß zu begrenzen, stellt sich.
Für die ersten drei Berichtszeiträume (1. Oktober 2023 bis 30. Juni 2024) ist es den Einführern gestattet, die CBAM-Berichte allein auf Basis von Standardwerten vorzunehmen, wenn die tatsächlichen Emissionsdaten nicht vollständig vorliegen (Artikel 4 Abs. 3). Diese Standardwerte wurden von der EU-Kommission bereits veröffentlicht. Artikel 4 Abs. 3 kann so ausgelegt werden, dass eine Berichterstattung allein auf der Basis von Standardwerten auch nach dem 31. Juli 2024 möglich bleibt.
Bei komplexen Gütern steht dem Einführer eine weitere Vereinfachung zur Verfügung. Nach Artikel 5 CBAM dürfen bis zu 20 Prozent der gesamten „grauen“ Emissionen einer komplexen Ware auf Schätzwerten des Anlagenbetreibers basieren. Dies kann sinnvoll sein, wenn für ein untergeordnetes Vorprodukt Emissionsdaten fehlen. Diese Bestimmung steht unabhängig neben den Regelungen zur Verwendung von Standard werten und beide Vereinfachungen können kombiniert werden.
Fazit
Wegen der hier aufgezeigten Komplexität der Datenbeschaffung und des administrativen Aufwands ist allen Einführern zu empfehlen, frühzeitig auf die Erhebung der tatsächlichen Emissionswerte hinzuarbeiten. Die Zeit bis zur vollständigen Implementierung am 1. Januar 2026 ist knapp.

VON SELINA KIPP UND TIM MÜLLER

Kontakt
Tim Müller Tel.: 0641/7954-3505 E-Mail: tim.mueller@giessen-friedberg.ihk.de
Stand: 08.05.2024