Bildung, Bildung, Bildung – und die Steuerbelastung senken

Ob es zu steuerlichen Veränderungen kommt, es in der Bildungspolitik vorangeht, ob die Digitalisierung der Verwaltung vorangetrieben wird oder die Verkehrsinfrastruktur verbessert wird, sind drängende Fragen im Hinblick auf die Landtagswahlen am 8. Oktober. IHK-Präsident Rainer Schwarz und -Hauptgeschäftsführer Matthias Leder geben Antworten darauf, was die Wirtschaft in der nächsten Legislaturperiode voranbringen kann. 
Herr Schwarz, wo sehen Sie den größten wirtschaftspolitischen Handlungsbedarf der neuen Landesregierung?
Rainer Schwarz: Der Fachkräftemangel ist schon jetzt dramatisch – und droht sich leider sogar weiter zu verschärfen. Betriebe finden nicht genug Nachwuchs, auch Stellen für Fachkräfte sind zu lange unbesetzt. Damit Jugendliche den Weg einer dualen Ausbildung wählen, ist es nicht nur immens wichtig, dass Berufsschulstandorte erhalten bleiben und Auszubildende bei den Fahrtkosten und der Unterbringung am Schulstandort finanziell stärker unterstützt werden – da hoffen wir auf ein gutes Zusammenspiel zwischen dem Land und den Schulträgern in den Kommunen. Entscheidend für die Qualität der dualen Ausbildung sind auch kompetente und motivierte Lehrerinnen und Lehrer, gern auch als Seiteneinsteiger aus der beruflichen Praxis. Zudem brauchen wir eine hervorragende digitale Ausstattung und den Einsatz digitaler Lernmethoden. Wenn man so das Image der dualen Ausbildung verbessern könnte, wird die duale Karriere deutlich interessanter für Schulabgänger. Und auch in den allgemeinbildenden Schulen gibt es Verbesserungsbedarf. Zu viele Schulabgänger sind nicht genügend vorbereitet auf den Übergang in die Ausbildungswelt. Dies zeigt sehr deutlich die hohe Anzahl von Studienabbrüchen. 
zwei Herren im Anzug
Rainer Schwarz, Präsident, und Matthias Leder, IHK-Hauptgeschäftsführer (v.l. ) © I. Diedolph
Herr Leder, welche Rückmeldungen erhalten Sie von den Unternehmen zur Bildungspolitik?
Matthias Leder: Die Betriebe haben ihre Unterstützungsleistungen bei der Ausbildung junger Menschen deutlich intensiviert, intensivieren müssen. Denn viele sehen sich gezwungen, die jungen Leute zunächst gezielt für die Ausbildung fit zu machen. Ein Grund hierfür ist das leider immer weiter sinkende Bildungsniveau der Schulabgänger. Bei der Vermittlung der Grundkompetenzen Lesen, Schreiben und Rechnen hapert es, das kann aber doch nicht weiter auf die Betriebe abgewälzt werden. Diese Dinge müssen wieder deutlich stärker in der schulischen Bildung in den Vordergrund gerückt werden. Sonst wird der Einstieg in die duale Ausbildung viel zu schwer für die jungen Menschen. Wer in der Bildungspolitik spart, spart am falschen Fleck – das muss auch der zukünftigen Landesregierung bewusst sein.
Was sollte die neue Landesregierung tun, um die steuerlichen Rahmenbedingungen für Unternehmen in Hessen zu verbessern?
Leder: Die Steuerbelastung für Unternehmen muss insgesamt sinken. Dafür muss die Landesregierung ihren Einfluss über den Bundesrat nutzen. Verluste sollten sich steuerlich spiegelbildlich zu den Gewinnen auswirken und ein Verlustrücktrag über den gesamten Lebenszyklus eines Unternehmens möglich sein, mindestens jedoch auf fünf Jahre. Eine leistungsgerechte Besteuerung erfordert auch, dass der Verlustrücktrag nicht nur in der Einkommen- und Körperschaftsteuer gilt, sondern auch für die Gewerbesteuer. Bei der Gewerbesteuer sollen außerdem die Hinzurechnungen von Mieten und Pachten abgeschafft werden. Noch besser wäre allerdings ein Ende der Gewerbesteuer.
Schwarz: Hessen sollte sich im Bundesrat dafür einsetzen, dass die bürokratisch aufwendige und ungleich belastende Gewerbesteuer durch eine Erhöhung der Teilhabe der Kommunen an der Einkommensteuer ersetzt wird. Es darf auch keine Stromsteuer geben. Ferner muss der Länderfinanzausgleich mehr Anreize zum sparsamen Wirtschaften setzen. Auf Landesebene muss die Grunderwerbsteuer gesenkt werden. Sie hat einen nachteiligen Effekt auf das Angebot von Immobilien und Wohnraum und damit letztlich auf die Verfügbarkeit von Arbeitskräften. Sie belastet Wohnungsgesellschaften wie auch den privaten Wohnungsbau und führt zu einem Rückgang von Investitionen. Bei der Grundsteuer muss das Versprechen der Aufkommensneutralität überwacht und eingehalten werden. 
Alle sprechen derzeit über bürokratische Belastungen. Welche Möglichkeiten sehen Sie für die Landesregierung, die Steuerbürokratie für die Unternehmen zu erleichtern?
Leder: Die meisten bürokratischen Pflichten des Steuerrechts beruhen in der Tat auf Bundes- oder EU-Regelungen. Die Landesregierung kann jedoch dafür sorgen, dass die Finanzverwaltung nicht Gegner, sondern Partner der Unternehmen ist. Die meisten Unternehmen möchten sich doch selbstverständlich gesetzeskonform verhalten, scheitern aber häufig an der hohen Komplexität des Steuerrechts und an unklaren Vorgaben. In Zeiten der elektronischen Steuererklärung sollten die Aufbewahrungsfristen deutlich verkürzt werden, das wäre ein echter Beitrag zur Entlastung von Bürokratie. Aufgabe der Finanzverwaltung sollte es sein, für die Unternehmen schnelle Rechtssicherheit, Planbarkeit und damit Verlässlichkeit zu schaffen. Hierzu sind ein serviceorientierter und partnerschaftlicher Umgang, zeitnahe und straffe Betriebsprüfungen sowie eine unkomplizierte, großzügige Handhabung der verbindlichen Auskunft über die steuerliche Beurteilung von geplanten Sachverhalten erforderlich.
Das Mobilitätsdrehkreuz Hessen leidet immer stärker unter einer maroden Infrastruktur. Das zeigt sich unter anderem in gesperrten Autobahnbrücken oder einem unzuverlässigen Schienenverkehr. Wie sollte die Landesregierung gegensteuern?
Leder: Wichtig ist in erster Linie die längst überfällige Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren. Nur so können Unternehmen zuverlässig planen. Eilbedürftige Infrastruktur sollte über Arbeitsgruppen – zu Neudeutsch Task Forces – schneller vorangetrieben werden. Eine so wichtige Verkehrsachse wie Hessen an der deutschen und europäischen Schnittstelle zwischen Nord und Süd und Ost und West braucht aber nicht nur Einzelmaßnahmen, sondern ein ganzheitliches Logistikkonzept mit einer länderübergreifenden Perspektive. Der Flächenbedarf für den kombinierten Verkehr sollte darin besondere Berücksichtigung finden. Konkret bedeutet das die Sicherung und Entwicklung strategischer Flächen für mögliche Investoren.
Schwarz: Ein Totalausfall wie die Sperrung der A45 durch die baufällige Rahmede-Talbrücke bei Lüdenscheid darf sich nicht wiederholen. Denn die Sperrung wird ja noch über Jahre zu weitreichenden Störungen und Belastungen gerade für mittelhessische Unternehmen führen. Speditionen müssen beispielsweise Touren anpassen und mehr Fahrzeuge und Fahrer einsetzen, um Lenk- und Ruhezeiten bei längeren Transportzeiten einzuhalten. Die mittelhessischen IHKs haben infolgedessen eine Resolution verabschiedet, um auf Beschleunigung zu drängen. Diese Brücke ist geradezu zum Symbol geworden für die überlangen Verfahren in Deutschland.

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Die hessischen Industrie- und Handelskammern haben ihre Forderungen zur Landtagswahl im „Forderungspapier Landtagswahl 2023“ aufgelistet. Im Fokus stehen die Themenblöcke Fachkräftesicherung, Stärkung der Mobilität, Flächen für die Wirtschaft, Stärkung des Wirtschaftsstandortes und die Unterstützung der hessischen Wirtschaft auf dem Weg zur Klimaneutralität.
Stand: 25.03.2024