Aus Hessen in die Welt

Der Tourismus ist mit über 200.000 Arbeitsstellen eine wichtige Säule der hessischen Wirtschaft. Bei vielen regionalen Betrieben können Reisen gebucht werden – ob individuell oder pauschal, ob per Flugzeug, Bus oder Wohnmobil. Drei Unternehmen berichten über aktuelle Trends in der Reisebranche.
VON JORIS ZIELINSKI
Egal ob Pauschal- oder Familienurlaub, Fernreisen oder Alpentrip, Flüge oder Touren mit dem Kreuzfahrtschiff: Die Flugbörse Reisebüro Gießen bietet Beratungen für jede Reise und jedes Ziel an. „Bei uns sind die Reisen auch individuell zusammenstellbar“, erklärt Geschäftsführer Niklas Göbel. „Wenn jemand beispielsweise 14 Tage lang in den USA Urlaub machen möchte, dann bieten wir an, ein Programm mit Flug, Unterkünften und Ausflügen individuell zusammenzustellen“, versichert er.
Dem Sohn der Inhaberin Ingrid Gröbel, die das Reisebüro seit 1993 führt, wurde das Reisen bereits in die Wiege gelegt. Derzeit übernimmt er die Flugbörse Reisebüro Gießen in zweiter Generation. „Das Unternehmen bleibt in Familienhand und damit persönlich“, unterstreicht Niklas Göbel und verweist darauf, dass es sich bei der Flugbörse um kein zentral gesteuertes Büro einer Kette handelt. „Wenn es zu Problemen wie beispielsweise in der Corona-Pandemie oder bei Streiks kommt, dann gibt es einen Ansprechpartner aus Fleisch und Blut.“

Der Sonne entgegen

„Viele denken, das Buchen einer Reise ist im Internet günstiger“, meint Niklas Göbel. Die Preise würden jedoch vom Veranstalter festgelegt und seien deswegen im Internet oder im Reisebüro gleich teuer. „Wer die Reise im Internet selbst bucht, hat viel Rechercheaufwand, ohne dabei zu sparen“, gibt er zu bedenken und weist darauf hin, dass nicht der Kunde, sondern der Veranstalter das Reisebüro bezahlt.
Derzeit arbeiten fünf Mitarbeiter und ein Auszubildender bei der Flugbörse Reisebüro Gießen. Sie haben selbst schon viele Regionen kennengelernt und geben ihr Wissen gern weiter. „Eine Kollegin hat beispielsweise zwei Kinder und kann deshalb viel von Familienurlauben berichten“, unterstreicht der Reisefachmann.
„Sonnenziele sind nach wie vor am beliebtesten bei den Kunden“, berichtet Niklas Göbel. Dazu zählt er vor allem Italien, Griechenland, Portugal und spanische Inseln wie die Balearen, aber auch Ägypten sowie die Türkei. Bei weiter entfernten Zielen seien verschiedene Destinationen wie die Karibik, der Indische Ozean oder die Malediven neben Ländern wie der Dominikanischen Republik und Mexiko gefragt.

Haus auf vier Rädern

„Reisemobile habe ich in der Corona-Pandemie für mich entdeckt“, erinnert sich Alexander Fries. Der Geschäftsführer des Kfz-Meisterbetriebs Autoservice Fries bietet seit über zwei Jahrzehnten Inspektionen und Reparaturen an. Seit der Pandemie verleiht er darüber hinaus auch Wohnwagen. „Ich reise selbst gern und bin aufgrund der Einschränkungen in der Pandemie viel mit dem Wohnmobil unterwegs gewesen“, verrät Fries. Der Beschluss, künftig selbst Wohnmobilvermieter zu werden, erwies sich als Glücksgriff: „Nach dem Einbruch in der Corona-Zeit hat der Verleih geboomt“, unterstreicht er. Inzwischen habe sich die Nachfrage wieder normalisiert.
In der benachbarten Werkstatt bietet Autoservice Fries ebenfalls das Reparieren und Umrüsten von Wohnmobilen an. Dazu gehören nicht zuletzt das Einbauen von Standheizungen und die Ausstattung mit Lithium-Batterien. Seit einigen Jahren werde die Möglichkeit einer unabhängigen Energieversorgung immer beliebter: „Viele junge Leute möchten im Urlaub autark sein und mieten deswegen Camper mit Solarpanels“, berichtet Fries aus Erfahrung. „Der Trend geht weg vom Massentourismus hin zu eigenen Stellplätzen in der Natur.“ Vor allem junge Camper würden Menschenansammlungen meiden, während ältere Reisende Campingplätzen häufig treu blieben. Ein weiterer Trend ist der Wunsch nach Flexibilität, den die Reisemobile-Vermietung gern erfüllt: „Unsere Camper haben beispielsweise Möbel mit verschiedenen Funktionen“, versichert der Fachmann.
„Die beliebtesten Reiseziele sind überall da, wo es warm ist“, weiß auch Alexander Fries. Neben den klassischen Reisezielen würden jedoch osteuropäische Länder wie Kroatien und Slowenien immer beliebter bei Camping-Touristen werden. „Im Sommer gibt es auch viel Andrang in Richtung Norwegen und Schweden“, betont er im Hinblick auf derzeitige Reisetrends.

Aktives Reisen

„Unsere Gäste werden immer jünger“, stellt Mark Philippi fest. Der Inhaber des Familienunternehmens Philippi Reisen führt die Firma gemeinsam mit seiner Frau Marlen bereits in dritter Generation. Was vor 90 Jahren als Busunternehmen begann, hat sich zu einer festen Größe in der regionalen Tourismusbranche entwickelt. Philippi verbinden viele in der Region seit Jahrzehnten mit der schönsten Zeit des Jahres – dem Urlaub. Und der sieht heute ganz anders aus als zu Zeiten des Firmengründers Albert Philippi. „In den 1930er Jahren war die Busreise ins Kleinwalsertal noch ein echtes Erlebnis“, berichtet Philippi. Inzwischen brauche es dafür schon eine Rundreise durch Skandinavien oder eine meditative Auszeit. Daher habe sich auch das Reiseangebot von Philippi Reisen verändert. Alexander Fries, Geschäftsführer des Kfz-Meisterbetriebs Autoservice Fries.
In den drei eigenen Tourismusbüros in Groß-Eichen, Lauterbach und Alsfeld können sich Reiselustige über Flug- und Schiffsreisen bis zur Anmietung eines Ferienhauses jede denkbare Art der Urlaubsreise individuell zusammenstellen lassen. Kerngeschäft und „Herzensangelegenheit“ der Familie Philippi ist jedoch nach wie vor die Busreise. „Der Reisebus ist derzeit wieder äußerst beliebt“, bestätigt Mark Philippi, der sich über sehr gute Buchungszahlen freut. Er erkennt eine Entwicklung hin zu mehr Aktivreisen. Diese würden sich neben der Besichtigung schöner Landschaften vor allem durch Bewegung und besondere Erlebnisse auszeichnen.
„Früher haben wir noch öfter sogenannte Ferienzeitreisen angeboten, in denen wir unsere Gäste zu einem Apartment gefahren und später wieder abgeholt haben“, erinnert sich Philippi. Inzwischen seien allerdings Rundreisen, vor allem durch nordeuropäische Länder wie Norwegen und das Baltikum, sehr beliebt bei Kunden. Im Winter bietet Philippi Reisen zusätzlich Skiurlaube an. Gemeinsam können die Gäste auch auf Musikreise gehen und sich Konzerte, Musicals oder Festspiele ansehen.
Lange habe sich besonders bei jungen Menschen hartnäckig das Vorurteil gehalten, dass Busreisen altmodisch und unflexibel seien, erzählt Mark Philippi. Das sei heute aber nicht mehr der Fall. „In den vergangenen Jahren hat ein Umdenken eingesetzt, weil viele Gäste bemerken, wie viel Freude Busreisen ihnen machen.“ Dies zeige sich nicht zuletzt auch bei Familienfreizeiten: „Kürzlich waren 23 Kinder dabei, die alle Spaß hatten“, verrät der Inhaber. Nicht ohne Grund halten einige Stammkunden dem Unternehmen bereits seit Jahrzehnten die Treue.

Weg zur Nachhaltigkeit

„Busreisen sind nicht nur sehr sicher, sondern auch die ökologischste Art zu reisen“, weiß Mark Philippi. Lediglich zu Fuß oder auf dem Fahrrad lasse sich mehr Kohenstoffdioxid einsparen. Das Unternehmen setzt sich zudem mit dem 2019 gegründeten Verein klimafairein e.V. für Nachhaltigkeit ein, der zusammen mit dem Philippi-Team regelmäßig Bäume pflanzt, inzwischen sind es über 1.000 allein im Vogelsberg. Ziel ist es, in Zukunft ein vollständig klimaneutrales Unternehmen zu werden. Seit 2024 ist die Firma auch Teil des Netzwerks fairnetzt, das den Austausch und die Zusammenarbeit von Unternehmen und das Erreichen der Klimaziele unterstützt.
Im April dieses Jahres feierte das 100 Mitarbeiter zählende Familienunternehmen sein 90-jährige Bestehen. Mark Philippi freut sich, dass die nächste Generation bereits in den den Startlöchern steht.

Hessen verzeichnet mehr Gäste und Übernachtungen

„Der Tourismus in Hessen ist mehr als nur ein Wirtschafts- und Standortfaktor. Er steht für über 200.000 Arbeitsplätze, erzeugt einen Bruttoumsatz von rund 13,3 Milliarden Euro und stärkt die Region“, erklärt Hessens Wirtschaftsminister Kaweh Mansoori in einer Pressemitteilung des hessischen Wirtschaftsministerums. Umso erfreulicher ist es, dass die aktuellen Tourismuszahlen des Hessischen Statistischen Landesamtes einen kontinuierlichen Aufwärtstrend zeigen. Im Vergleich zum Jahr 2023 nahmen die Ankünfte 2024 um 4,2 Prozent zu, die Anzahl der Übernachtungen stieg um 3,2 Prozent auf 34.759.106. Einer der Gründe hierfür war die Ausrichtung der Fußball-Europameisterschaft im Sommer vergangenen Jahres, die allein in den Monaten Juni und Juli 1.229.360 Gäste in die Mainmetropole Frankfurt zog. Damit rücken die Rekordzahlen aus dem Jahr 2019 wieder in greifbare Nähe.
Mit Spannung wird die Entwicklung der Übernachtungen und Ankünfte ausländischer Gäste erwartet. Die Zahl der Übernachtungen von Besuchern aus China war im vergangenen Jahr um 47 Prozent höher, die von Gästen aus Indien um rund 20 Prozent. Fachleute gehen davon aus, dass die Aufhebung der Corona-Reiserestriktionen auch 2025 den Tourismus weiter stärken wird. „Hessen bleibt ein lebendiges Reiseziel für Menschen aus aller Welt – und wir werden den Schwung weiter nutzen, um nachhaltige Impulse für Gäste, Wirtschaft und Bevölkerung zu setzen“, betont Kaweh Mansoori.
Stand: 30.04.2025