Resolution der IHK: Für Müllvermeidung, für ein praktikables Mehrwegsystem, gegen Verpackungsteuer!

Die IHK Gießen-Friedberg lehnt die Einführung von kommunalen Verpackungsteuern ab. Seit einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Anfang 2025 über die rechtmäßige Erhebung der kommunalen Verpackungsteuer durch die Stadt Tübingen überlegen weitere Kommunen die Einführung einer Verpackungsteuer. In der Stadt Gießen gab es bereits im Jahr 2021 einen Stadtverordnetenbeschluss zur Einführung der Steuer. Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts soll dieser Beschluss nun vom Magistrat umgesetzt werden.

Verpackungsteuer: Bürokratie behindert unternehmerisches Handeln

Die kommunale Verpackungsteuer schafft neue Bürokratie. Die Unternehmen müssen ihre Mitarbeiter schulen, denn die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts erfordern umständliche Differenzierungen bei der Erhebung. Oft sind Nachfragen beim Kunden erforderlich. Bei Unternehmen mit mehreren Filialen sind von Kommune zu Kommune unterschiedliche Regelungen zu beachten. Kassensysteme müssen umgestellt werden und neue Software muss angeschafft und gewartet werden. Außerdem müssen Steuererklärungen gefertigt, die Bescheide geprüft und die Aufzeichnungen gesetzeskonform archiviert werden. Gerade in personalintensiven Branchen mit hoher Fluktuation und vielen Kurz- und Teilzeitbeschäftigten, wie beispielsweise der Gastronomie oder dem Einzelhandel, entstehen für Schulung, Dokumentation und Verwaltung fixe Compliance-Kosten, die unabhängig vom Umsatz je Beschäftigen entstehen und für zusätzliche finanzielle Belastung der Betriebe sorgen.

Verpackungsteuer bindet Ressourcen in der Verwaltung

Auf Seiten der Kommunen wird Personal benötigt für die Prüfung der Steuererklärungen, den Erlass der Bescheide, für die Rechtsbehelfsverfahren, für die Überwachung und Durchsetzung der Zahlungen und schließlich für wirksame Kontrollen, damit nicht diejenigen, die sich nicht an die Regeln halten, einen Wettbewerbsvorteil gegenüber den ehrlichen Unternehmen haben. Vergleicht man den Verwaltungsaufwand für die Stadt Gießen mit dem von Tübingen, so ist zu erwarten, dass für die Verpackungsteuer ein bis zwei zusätzliche Personalstellen in der Stadtverwaltung geschaffen werden müssen.

Bequemlichkeit schlägt Preis

Die Verpackungsteuer erscheint kein geeignetes Mittel, um die Sauberkeit im öffentlichen Raum zu verbessern. Eine Studie aus Tübingen hat gezeigt, dass ein Rückgang der Müllmengen nach der Einführung der Verpackungsteuer nicht signifikant feststellbar ist. Kaffee-to-Go oder Speisen zum Sofortverzehr werden aus Bequemlichkeit und Zeitersparnis gekauft. Darum würde auch ein 20 oder 50 Cent höherer Preis, wie er in Gießen in Zusammenhang mit der Einführung einer Verpackungsteuer diskutiert wird, den Kunden nicht davon abhalten, Einwegbehältnisse zu kaufen.

Mehrweg fördern statt Verbraucher und Unternehmen belasten

Die Entscheidung der Verbraucher gegen Einwegverpackungen setzt voraus, dass es eine unkomplizierte Alternative gibt. Zwar haben die Kunden schon jetzt fast überall das Recht, Mehrwegbehältnisse zu verlangen oder mitgebrachte Behältnisse befüllen zu lassen. Die Mehrwegsysteme wurden von den Kunden aber bisher kaum genutzt, weil unterschiedliche, nicht kompatible Systeme nebeneinander bestehen und der Kunde ohne Umwege kaum Rückgabemöglichkeiten für sein konkretes Behältnis findet. Wenn es ein universelles Mehrwegsystem mit vielen Rücknahmestellen gäbe, wäre die Verwendung von Mehrwegbehältnissen für den Verbraucher ähnlich bequem wie die Verwendung von Einwegbehältnissen. Ohne diese Infrastruktur bliebe die Preiselastizität einer Verpackungsteuer niedrig. Der Käufer von To-Go-Produkten oder Fast-Food zahlt lieber den Aufpreis, statt Umstände in Kauf zu nehmen. Die Verpackungsteuer würde der Stadt zwar zusätzliche Einnahmen bringen, diese würden aber zum großen Teil durch den konstant hohen Aufwand für die mit der Steuererhebung verbundene Bürokratie und die Reinigung der öffentlichen Plätze aufgezehrt. Daher ist sinnvoller, dass die Stadt in eine praktikable Mehrweginfrastruktur investiert, als den Verbrauchern Steuern aufzubürden, um zusätzliche Verwaltungsstellen und Straßenreinigung zu bezahlen.

Hohe Kosten, geringer Nutzen

Angesichts des bestehenden Wettbewerbsdrucks und der Notwendigkeit bürokratischer Entlastung für Unternehmen ist eine kommunale Verpackungsteuer der falsche Weg für eine nachhaltige Müllmengenreduzierung. Der erwartete Nutzen steht in keinem Verhältnis zu den Kosten, die Unternehmen und Verwaltung durch die Umsetzung und Kontrolle der Verpackungsteuer entstehen. Die Steuer lebt fiskalisch vom Misserfolg: Nur wenn viel Einweg bleibt, fließt Geld. Wir halten das für ein untaugliches Lenkungsdesign.

Abgeleitete Forderungen:

  1. Die Vollversammlung der IHK Gießen-Friedberg fordert, dass die Stadt Gießen und weitere Kommunen im IHK-Bezirk Gießen-Friedberg von der Einführung einer kommunalen Verpackungsteuer absehen.
  2. Die Vollversammlung der IHK Gießen-Friedberg fordert die Stadt Gießen auf, die Einführung eines praktikablen Mehrwegsystems aktiv zu unterstützen. Konkret bedeutet das: Schaffung öffentlicher Rückgabepunkte, Förderung lokaler Mehrweginitiativen und eine begleitende Öffentlichkeitsarbeit zur Steigerung der Akzeptanz. Ein bundesweit einheitliches System ist dabei wünschenswert.
  3. Die Stadt Gießen sollte eine Vorreiterrolle für den Einsatz eines solchen Mehrwegsystems einnehmen und auf eine Kooperation mit anderen Kommunen hinwirken.
  4. Wer Müll vermeiden will, darf kein Instrument wählen, das fiskalisch nur komfortabel ist, solange viel Müll anfällt. Diese innere Logik lehnen wir ab.
Verabschiedet durch die Vollversammlung am 11. September 2025

Stand: 16.09.2025