Umsatzsteuer: Versagung des Vorsteuerabzugs und der Steuerbefreiung bei Beteiligung an einer Steuerhinterziehung

Mit Schreiben vom 15. Juni 2022 (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 59 KB) nimmt das BMF zu dem mit dem JStG 2019 eingeführten § 25f UStG Stellung. Der Umsatzsteuer-Anwendungserlass (UStAE) wird nunmehr um zwei neue Abschnitte (Abschnitt „25f.1. Versagung des Vorsteuerabzugs und der Steuerbefreiung bei Beteiligung an einer Steuerhinterziehung“ und Abschnitt „25f.2. Auswirkungen im Rahmen innergemeinschaftlicher Dreiecksgeschäfte“) ergänzt.
Mit dem sog. JStG 2019 (Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 12. Dezember 2019) wurde die bisherige Haftungsvorschrift des § 25d UStG durch einen neuen § 25f UStG ersetzt, der die Versagung des Vorsteuerabzugs und der Steuerbefreiung bei Beteiligung an einer Steuerhinterziehung beinhaltet. Danach kann die Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen und der Vorsteuerabzug aus Eingangsleistungen versagt werden, wenn der Umsatz Teil einer missbräuchlichen Gestaltung ist und der betreffende Unternehmer dies wusste oder hätte wissen müssen. Die Steuerhinterziehung beziehungsweise der ordnungswidrige Vorsteuerabzug kann dabei vom Leistenden oder einem anderen Beteiligten begangen worden sein. Die Neuregelung ist bereits zum 1. Januar 2020 in Kraft getreten.
Mit dem nun vorliegenden BMF-Schreiben werden weitergehende Detailregelungen getroffen, auf die wir hinweisen möchten:
  • Das Finanzamt trägt die Beweislast, dass der objektive und subjektive Tatbestand des § 370 AO bzw. der §§ 26a oder 26c UStG auf mindestens einer Umsatzstufe innerhalb der Leistungskette erfüllt sind und der Unternehmer dies wusste oder hätte wissen müssen. Das Finanzamt ist dabei jedoch nicht an strafgerichtliche bzw. bußgeldrechtliche Entscheidungen gebunden; es prüft diese selbständig (Abschnitt 25f.1 Abs. 3 UStAE).
  • Bereits nach dem Wortlaut der Regelung ist es ausreichend, wenn der Unternehmer an einem Umsatz beteiligt ist, bei dem auf einer vorhergehenden oder nachfolgenden Umsatzstufe Umsatzsteuer hinterzogen wurde bzw. ein ungerechtfertigter Vorsteuerabzug erfolgt ist. Dabei sind gem. Abschnitt 25f.1 Abs. 2 Satz 3 UStAE alle Umsatzstufen einer Leistungskette zu berücksichtigen.
  • Es werden der Vorsteuerabzug aus Eingangsleistungen und die Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen in voller Höhe versagt. Dies kann auch auf mehrere Beteiligte einer Lieferkette zutreffen (Abschnitt 25f.1 Abs. 6 UStAE). Insoweit kann es zu einer Überkompensation des Steuerschadens des Fiskus kommen.
  • Was muss ein Unternehmer tun, um die Versagung zu vermeiden? Entsprechend Abs. 4 kann er grundsätzlich auf die korrekte Behandlung seiner Umsätze vertrauen, wenn er alle Maßnahmen getroffen hat, die vernünftigerweise von ihm verlangt werden können, um sicherzustellen, dass seine Umsätze nicht in eine Umsatzsteuerhinterziehung und nicht in eine Schädigung des Umsatzsteueraufkommens einbezogen sind.
  • Sind jedoch für den Unternehmer Anhaltspunkte für Unregelmäßigkeiten, insbesondere eine Steuerhinterziehung, erkennbar, muss er weitergehende geeignete Maßnahmen ergreifen (z. B. Auskünfte einholen) und dies dokumentieren. Das gilt sowohl bei der Aufnahme neuer als auch bei bestehenden Geschäftsbeziehungen. Geht er trotz weiterhin bestehender Zweifel die Geschäftsbeziehung ein oder führt diese fort, geht die Finanzverwaltung von einem Wissen oder Wissen müssen des Unternehmers aus.
  • Absatz 5 enthält eine beispielhafte Auflistung für Anhaltspunkte für Unregelmäßigkeiten. Insbesondere ist danach darauf zu achten, ob ungewöhnliche Leistungsbedingungen vorliegen; als Beispiel wird aufgeführt, dass die Leistungen von einem oder an einen nicht an dem Umsatz beteiligten Unternehmen erbracht werden. Das dürfte allerdings jedes klassische Reihengeschäft betreffen. Daher ist insbesondere dieses Beispiel äußerst kritisch zu sehen.
  • In Abschnitt 25f.2 UStAE wird ausgeführt, dass die Vereinfachungen für Dreiecksgeschäfte entfallen, sofern die Voraussetzungen des § 25f Abs. 1 UStG vorliegen.
Stand: 23.02.2024