Resolution der IHK Gießen-Friedberg

Die Vollversammlung der IHK Gießen-Friedberg hat am 21. November 2019 folgende Resolution verabschiedet.
„Reform der Grundsteuer erforderlich!“
  1. Das politische Versprechen der Aufkommensneutralität der Reform ist strikt einzuhalten. Dabei sollte sich die Aufkommensneutralität auf die Gemeindeebene beziehen. Die Gemeinden sollten nach der Reform keine höheren Grundsteuereinnahmen als vor der Reform haben.
  2. Gewerblich genutzte Grundstücke und Gebäude sollten durch die Reform nicht höher belastet werden. Es darf insgesamt keine Belastungsverschiebung zu gewerblich genutzten Grundstücken und Gebäuden geben. Die Einführung einer Grundsteuer C für unbebaute Grundstücke wird abgelehnt.
  3. Die eigentliche Rechtfertigung der Grundsteuer – als Äquivalent für die dem Grundstücksnutzer zugutekommenden kommunalen Leistungen – sollte im Blick behalten werden. Die Grundsteuer muss daher vom Eigentümer (eines Grundstücks bzw. eines Gebäudes) weiterhin auf Mieter und Pächter umgelegt werden können.
  4. Die Ermittlung der Bemessungsgrundlage muss für den Steuerpflichtigen transparent sein. Damit die reformierte Grundsteuer von Beginn an vollständig digital erhoben werden kann, sollten schon jetzt geeignete rechtliche Rahmenbedingungen dafür geschaffen werden.
  5. Das Bundesland Hessen sollte sich für das wertunabhängige Modell entscheiden. Das wertunabhängige Modell in Form des in der Diskussion befindlichen Flächenmodells weist viele Vorteile gegenüber dem wertabhängigen Modell auf. Die Grundsteuer kann im Flächenmodell einfach erhoben werden und es würde eine automationsgestützte Besteuerung ermöglicht. Zudem wären sowohl der Einführungsaufwand als auch der laufende administrative Aufwand gering.
Erläuterungen zur Resolution der IHK Gießen-Friedberg
Nach Ansicht der Vollversammlung der IHK Gießen-Friedberg sollte die Reform der Grundsteuer einfach umgesetzt werden und nicht zu neuer Bürokratie für die Steuerpflichtigen – hier insbesondere für die gewerbliche Wirtschaft - führen. Zudem sollte die Reform auf kommunaler Ebene aufkommensneutral erfolgen. Das heißt, das Grundsteueraufkommen der Kommunen sollte durch die Reform nicht steigen. Bundesweit betrug das Aufkommen im Jahr 2018 rund 14 Milliarden Euro. Die Vollversammlung befürchtet, dass durch künftige Hebesatzerhöhungen der Kommunen das Aufkommen ansteigen könnte.
Zudem besteht die Sorge, dass durch die Reform neue Bürokratie – sowohl für die Steuerpflichtigen – und damit auch für die gewerbliche Wirtschaft – als auch für die Finanzverwaltung entstehen wird. Diese Erwartung stützt sich auf das vom Bundestag am 18. Oktober 2019 beschlossene Gesetz. Das Gesetz beinhaltet ein sogenanntes wertabhängiges Modell. Das Modell setzt eine regelmäßige und komplexe individuelle Bewertung der über 35 Millionen Grundstücke in Deutschland voraus. Für gewerbliche Immobilien beispielsweise soll das Sachwertverfahren angewendet werden. Dadurch würden zum Teil umfangreiche Erhebungen zur Ermittlung der Gebäudesubstanz und des Bodenwertes notwendig. Die in dem Modell erforderlichen Bodenrichtwerte werden von regionalen, sehr unterschiedlich besetzten Gutachterausschüssen festgelegt. Dieses Ermittlungsverfahren ist nicht transparent. Derzeit müssen beispielsweise die Protokolle der Sitzungen der Gutachterausschüsse nicht veröffentlicht werden, und die zugrundeliegenden Daten – die Grundstücksverkäufe in räumlicher und zeitlicher Nähe – sind nicht einsehbar. Deshalb ist die Entscheidungsfindung der Gutachterausschüsse von außen nicht nachvollziehbar. Zudem sind die Werte bisher gerichtlich nicht überprüfbar – ein Szenario, das langwierige und aufwendige Gerichtsverfahren erwarten lässt.
Das Land Hessen sollte deshalb einen anderen Weg einschlagen. Die Bundesregierung hat einen Gesetzentwurf zur Änderung des Grundgesetzes eingebracht, der den Ländern für die Grundsteuer das Recht zu abweichenden Regelungen einräumt. Der Bundestag hat am 18. Oktober 2019 diesem Gesetz zugestimmt. Die Länder können dadurch ein vom Bund abweichendes Modell zur Veranlagung der Grundsteuer umsetzen (sogenannte Länderöffnungsklausel). Das Land Hessen hat somit die Möglichkeit, dem Beispiel des Landes Bayern zu folgen und ein wertunabhängiges Modell zu realisieren. Bislang hat die hessische Landesregierung bestimmte Ansätze des Modells der Bundesregierung kritisiert, sich aber noch nicht festgelegt, welcher Weg in Hessen weiterverfolgt wird.
Aus Sicht der Vollversammlung der IHK Gießen-Friedberg sollte sich die hessische Landesregierung für ein wertunabhängiges Modell – ein sogenanntes Flächenmodell - entscheiden. Ein solches Modell ist am besten geeignet, die Grundsteuer unter Beachtung der auf der ersten Seite angeführten Leitsätze zu reformieren. Die Bemessungsgrundlage ermittelt sich im wertunabhängigen Modell durch Multiplikation der Flächen von Grundstück und Gebäude mit Äquivalenzzahlen. Die Äquivalenzzahlen sind dabei feste Eurocent-Beträge pro Quadratmeter jeweils für die Grundstücks- und Gebäudeflächen.
Das wertunabhängige Modell ermöglicht am ehesten eine rechtssichere und automationsgestützte Besteuerung. Für Grundstücks- und Gebäudedaten, die zur Ermittlung der Flächen erforderlich sind, kann auf das Liegenschaftskatasterinformationssystem (ALKIS) zurückgegriffen werden. ALKIS bietet Informationen zur Grundstücksgröße sowie zur Gebäudegrundfläche und –höhe. Insoweit sind bei einem wertunabhängigen Modell keine aufwendigen zusätzlichen Erhebungen von Gebäudedaten und zusätzliche Erklärungspflichten der Eigentümer erforderlich.
Bei einem wertunabhängigen Modell wären sowohl der einmalige Einführungsaufwand als auch der laufende administrative Aufwand gering. Der laufende Aufwand für Erklärungen und Erfassungen würde sogar vollständig entfallen, falls keine tatsächlichen Veränderungen am Grundstück, an den Gebäuden oder an den Eigentumsverhältnissen auftreten. Ein weiterer Vorteil eines wertunabhängigen Modells besteht darin, dass sich die Grundsteuer nicht „automatisch“ mit steigenden Miet- oder Baukosten erhöht und ohne gegenläufige Absenkungen der Hebesätze der Kommunen im Zeitablauf zu höheren Steuerbelastungen führt. Zwar ist auch beim wertunabhängigen Modell ggf. eine einmalige Erklärung des Steuerpflichtigen erforderlich, dieser Aufwand ist aber geringer als beim wertabhängigen Modell. Die Vorteile des einfachen, wertunabhängigen Modells kämen nicht nur den Steuerpflichtigen, sondern auch der Finanzverwaltung zugute und würden Verwaltungsaufwand reduzieren.

Stand: 23.02.2024