Sanieren ohne Insolvenz: Das neue Restrukturierungsverfahren
Mit dem Unernehmensstabilisierungs- und –restrukturierungsgesetz (StaRUG) hat der Gesetzgeber zum Jahresanfang einen neuen gesetzlichen Rahmen für die Sanierung von Unternehmen in der Krise geschaffen. Was Gläubiger und Schuldner dazu wissen sollten:
- 1. Wann kommt das Restrukturierungsverfahren in Betracht?
- 2. Wer kann das Restrukturierungsverfahren beanspruchen?
- 3. Wie wird das Verfahren eingeleitet?
- 4. Schutz des laufenden Geschäftsbetriebs
- 5. Wie muss der Restrukturierungsplan aussehen?
- 6. Abstimmung über den Restrukturierungsplan
- 7. Der Restrukturierungsbeauftragte und der Sanierungsmoderator
- 8. Kosten
- 9. Ausblick
1. Wann kommt das Restrukturierungsverfahren in Betracht?
Der Gesetzgeber mahnt zur Krisenfrüherkennung. Das Restrukturierungsverfahren kann bei drohender Zahlungsunfähigkeit eingeleitet werden. Ist Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung eingetreten, ist es für das Restrukturierungsverfahren zu spät und die Geschäftsleitung muss innerhalb der Antragsfristen Insolvenz anmelden.
2. Wer kann das Restrukturierungsverfahren beanspruchen?
Das Verfahren richtet sich an alle insolvenzfähigen juristischen Personen (z.B. GmbH; AG) Personenhandelsgesellschaften (z.B. OHG; KG) und natürlichen Personen, die unternehmerisch tätig sind.
3. Wie wird das Verfahren eingeleitet?
Das Verfahren beginnt mit einer Anzeige bei Gericht. Zusammen mit der Anzeige ist dem Gericht ist ein Restrukturierungsplan vorzulegen und zu bestätigen, dass das Unternehmen sich im Zustand der drohenden Zahlungsunfähigkeit befindet. Alle Schritte kann die Geschäftsleitung (theoretisch) selbst vornehmen.
4. Schutz des laufenden Geschäftsbetriebs
Anders als bei der Insolvenz leitet die Geschäftsführung weiterhin autark die Geschäfte. Außerdem muss das Unternehmen die Restrukturierung nicht öffentlich anzeigen, auch wenn davon auszugehen ist, dass auch ein Restrukturierungsverfahren Auskunfteien und Warekreditversicherer nicht verborgen bleibt.
Nach Anzeige eines Restrukturierungsvorhabens kann eine sogenannte „Stabilisierungsanordnung“ beantragt werden. Die Rechtsfolge ist, dass Zwangsvollstreckungsverfahren gegen den Schuldner untersagt werden. Außerdem ergeht eine Verwertungssperre – Gegenstände, die nicht im Eigentum des Schuldners stehen, dürfen weiterhin für den Unternehmensbetrieb genutzt werden. Der Sicherungseigentümer kann seine Sache nicht herausverlangen.
5. Wie muss der Restrukturierungsplan aussehen?
Der Restrukturierungsplan beginnt mit einer Beschreibung des Unternehmens, der Analyse der Krisenursachen, einer Liste aller Gläubiger und der Einteilung dieser in Gruppen. Kern des Restrukturierungsplanes sind die Sanierungsmaßnahmen. Hier kommen z.B. der Verzicht der Gläubiger auf Geld, die Stundung von fälligen Forderungen, die Umwandlung von Forderungen in Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte, eine Kapitalherabsetzung / – erhöhung oder die Neuformulierung von Vertragsbedingungen in Betracht. Die Restrukturierungsmaßnahmen können unter sachgerechten Kriterien auf bestimmte Gläubigergruppen beschränkt werden – zum Beispiel Banken oder Lieferanten - und andere Gläubiger außen vor lassen. Dem Zusammenstellen der Gläubigergruppen kommt eine entscheidende Bedeutung zu. Allerdings erlaubt das Verfahren keine Eingriffe in Arbeitnehmerrechte.
6. Abstimmung über den Restrukturierungsplan
Das Unternehmen übersendet den Gläubigern den Restrukturierungsplan und setzt eine mindestens 14-tägige Frist zur Stellungnahme. Danach stellt es den Plan zur Abstimmung. Die Gläubiger haben den Restrukturierungsplan angenommen, wenn in jeder Gruppe mindestens 3/4 der sich beteiligenden Gläubiger zustimmen. Die Stimmgewichtung richtet sich im Wesentlichen nach der Höhe der Forderung. Im Restrukturierungsverfahren können so Rechte von Gläubigern beschnitten werden, obwohl diese Ihre Zustimmung nicht erteilen.
Wird der Restrukturierungsplan von der Mehrheit der Gläubiger angenommen, bestätigt ihn das Gericht. Mit Rechtskraft des Plans wird er für alle beteiligten Gläubiger bindend.
7. Der Restrukturierungsbeauftragte und der Sanierungsmoderator
In bestimmten Fällen muss das Gericht einen Restrukturierungsbeauftragten mit ins Boot holen. Das ist etwa der Fall, wenn durch den Restrukturierungsplan in die Rechte von Verbrauchern eingegriffen wird oder wenn sich eine beantragte Stabilisierungsanordnung gegen alle Gläubiger eines Unternehmens richten soll. Der Restrukturierungsbeauftragte überwacht und begleitet das Verfahren im Interesse der Gläubiger und nimmt gegenüber dem Gericht zu wesentlichen Fragen Stellung.
Der Sanierungsmoderator kann auf Antrag des Unternehmens vom Gericht bestellt werden. Er soll zwischen Schuldner und Gläubigern vermitteln.
8. Kosten
Die Kosten für das betroffene Unternehmen belaufen sich auf 250,00 bis 1.500,00 EURO für das Gericht und 200,00 bis 350,00 € pro Stunde für den Restrukturierungsbeauftragten. Zu rechnen ist zudem mit erheblichem Beratungsbedarf. Die Kosten hierfür dürften sich am Stundensatz des Restrukturierungsbeauftragten orientieren.
9. Ausblick
Für die große Zahl eigentlich gesunder Unternehmen, die durch die Pandemie unverschuldet in die Schuldenfalle geraten sind, erscheint das Restrukturierungsverfahren ein vielversprechender Weg zurück auf die Erfolgsspur.
Ganz einfach dürfte allerdings auch dieser Weg nicht werden, denn es ist unwahrscheinlich, dass Gläubiger allein auf das Planangebot des Schuldners hin, und sei es auch noch so gut durchgerechnet und präsentiert, freiwillig auf Teile ihrer Forderungen verzichten. Außerdem bedeutet auch die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens nicht unbedingt, dass ein Unternehmen nicht mehr saniert werden könnte. Das Insolvenzverfahren gewährleistet aber – anders als das Restrukturierungsverfahren - dass ein Gericht und ein Insolvenzverwalter die Wahrung der Rechte aller Gläubiger – und nicht nur der von dem Restrukturierungsplan betroffenen Gläubiger – sichert. Dies werden Gläubiger sorgfältig abwägen.
Stand: 22.08.2024