Hinweisgeberschutzgesetz

Einleitung

Das Gesetz für einen besseren Schutz hinweisgebender Personen sowie zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/1937 zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden, kurz Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) wurde am 2. Juni 2023 im Bundesgesetzblatt 2023 I Nr. 140 veröffentlicht und ist am 2. Juli 2023 in Kraft getreten.

Hintergrund und Zielstellung des Gesetzes

Personen, die für öffentliche oder private Organisationen arbeiten oder im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeiten mit einer solchen Organisation in Kontakt stehen, nehmen eine in diesem Zusammenhang auftretende Gefährdung oder Schädigung des öffentlichen Interesses oder Gesetzesverstöße häufig als Erste wahr. Ihre Meldung trägt entscheidend dazu bei, Missstände aufzudecken, zu untersucht und zu verfolgt, sodass Transparenz geschaffen und Verantwortlichkeit gestärkt werden. Allerdings schrecken potenzielle Hinweisgeber aus Angst vor negativen Folgen häufig davor zurück, ihre Bedenken oder ihren Verdacht zu melden. Diesem Umstand trägt das HinSchG Rechnung und bezweckt den Schutz hinweisgebender Personen. Darüber hinaus werden auch Personen geschützt, die Gegenstand einer Meldung oder Offenlegung oder in sonstiger Weise betroffen sind.

Welche Verstöße können gemeldet werden?

Verstöße sind Handlungen oder Unterlassungen im Rahmen einer beruflichen, dienstlichen oder unternehmerischen Tätigkeit, die rechtswidrig und vom Anwendungsbereich des HinSchG umfasst sind. Nicht nur konkrete Verstöße, sondern auch begründete Verdachtsmomente, das Wissen über mögliche Verstöße, Versuche oder auch Verschleierungen können gemeldet werden.  § 2 HinSchG enthält eine sehr umfangreiche Aufzählung von erheblichen Verstößen, die in den Anwendungsbereich des Gesetzes fallen, wie beispielsweise Verstöße gegen
  • Strafvorschriften, d.h. jede Strafnorm nach deutschem Recht
  • bußgeldbewehrte Vorschriften, die den Schutz hochrangiger Rechtgüter (u.a. Leib, Leben, Gesundheit) bezwecken, z.B. Arbeitsschutzvorschriften, Verstöße gegen das Mindestlohngesetz
  • Verstöße gegen Rechtsvorschriften des Bundes und der Länder, die zur Umsetzung bestimmter europäischer Regelungen getroffen wurden, sowie Verstöße gegen unmittelbar geltende EU-Rechtsakte in einer Vielzahl verschiedener Bereiche, z.B. Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung, Produktsicherheit und -konformität, Infrastruktursicherheit, Umwelt- und Strahlenschutz, Lebensmittel- und Futtermittelsicherheit, Finanzdienstleistung, Qualitäts- und Sicherheitsstandards bei Arzneimitteln und Medizinprodukten, Verbraucherschutz, Datenschutz und der Sicherheit in der Informationstechnik, Steuerrecht, Vergaberecht, Wettbewerbsrecht

Wer darf Verstöße melden?

Beschäftigte, wie (Leih-)Arbeitnehmerinnen und (Leih-)Arbeitnehmern, Auszubildende, arbeitnehmerähnliche Personen oder in Heimarbeit Beschäftigte, müssen Verstöße melden können. Ausgeschiedene Mitarbeiter und ehrenamtlich Tätige sind keine Beschäftigten. Jedoch kann das Meldeverfahren auch natürlichen Personen, die im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit mit dem jeweiligen Arbeitgeber in Kontakt stehen, eröffnet werden, z.B. für Auftragnehmer, Lieferanten, Freiberufler, Anteilseigner, Personen in Leitungsgremien. Eine Verpflichtung dazu besteht nicht. Ebenso wenig besteht die Verpflichtung, die Abgabe anonymer Meldungen zu ermöglich. Gehen anonyme Meldungen ein, sollen diese bearbeitet werden.

Wo können Verstöße gemeldet werden?

Wer einen Verstoß melden möchte, hat die frei Wahl zwischen der internen Meldestelle des Beschäftigungsgebers oder der externen Meldestelle beim Bundesamt für Justiz. Interne Meldungen sind zu bevorzugen. Wird dem intern gemeldeten Verstoß nicht abgeholfen, steht der Weg zur externen Meldestelle weiterhin offen.
Wer Meldungen oder die folgende Kommunikation zwischen Hinweisgeber und Meldestelle behindert oder dies auch nur versucht, handelt ordnungswidrig und kann mit einer Geldbuße von bis zu 50.000 € sanktioniert werden.

Wer muss eine interne Meldestelle einrichten?

Nur Beschäftigungsgeber mit in der Regel mindestens 50 Beschäftigten sind verpflichtet, eine interne Meldestelle (Minimum) einzurichten und zu betreiben. Zur Feststellung der regelmäßigen Beschäftigtenzahl bedarf es eines Rückblicks auf die bisherige personelle Stärke und einer Einschätzung der zukünftigen Entwicklung. Einen bestimmten Stichtag gibt es nicht. Darüber hinaus gibt es Unternehmen, die unabhängig von der Anzahl der Beschäftigten eine interne Meldestelle einzurichten haben. Kleine Unternehmen mit in der Regel bis zu 49 Beschäftigten sind von der Pflicht zur Einrichtung einer internen Meldestelle ausgenommen.

Organisation der internen Meldestelle

Mit den Aufgaben einer internen Meldestelle kann eine beim Beschäftigungsgeber beschäftigte Person, in kleinen Unternehmen z.B. der Leiter der Compliance- oder Personalabteilung, Integritätsbeauftragte, Rechts- oder Datenschutzbeauftragte, Finanzvorstand, Auditverantwortliche, Vorstandsmitglied, oder eine Arbeitseinheit bestehend aus mehreren beschäftigten Personen oder ein beauftragter Dritter, z.B. externe Anbieter von Meldeplattformen, externe Berater, Prüfer, Gewerkschaftsvertreter, betraut werden. Der oder die „Meldestellen-Beauftragte/n“ haben über die notwendige Fachkunde zu verfügen. Dafür hat der Beschäftigungsgeber zu sorgen, z.B. Schulungsangebote. Zudem sind sie unabhängig bei der Ausübung ihrer Tätigkeit. Nimmt die Person auch anderer Aufgaben wahr, ist sicherzustellen, dass dies nicht zu Interessenkonflikten führt. Mehrere Beschäftigungsgeber mit regelmäßig 50 bis 249 Beschäftigten können eine gemeinsame Stelle einrichten und betreiben.

Aufgaben der internen Meldestelle

Die interne Meldestelle hat für Beschäftige einen Meldekanal zu betreiben, das Verfahren bei einer Meldung zu führen sowie Folgemaßnahmen einzuleiten. Bei einer gemeinsamen Stelle bleibt jeder einzelne Beschäftigungsgeber verpflichtet, Folgemaßnahmen zu ergreifen und den Hinweisgeber darüber zu informieren. Darüber hinaus hat sie für Beschäftigte klare und leicht zugängliche Informationen, z.B. im Intranet, Internet, am Schwarzen Brett, über externe Meldeverfahren und einschlägige Meldeverfahren von Organen, Einrichtungen oder sonstigen Stellen der Europäischen Union bereitzuhalten.
  • Vertraulichkeitsgebot
Die Meldestellen haben die Vertraulichkeit der Identität der beteiligten Personen zu wahren, unabhängig davon, ob die Meldestelle für die eingehende Meldung zuständig ist. Dies gilt nicht für die Identität der hinweisgebenden Person, wenn sie vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtige Informationen über Verstöße meldet. In Ausnahmefällen (z.B. Strafverfahren, aufgrund gerichtlicher Entscheidung) darf die Identität des Hinweisgebers an die zuständige Stelle weitergegeben werden.
Wer die Vertraulichkeit nicht wahrt, kann mit einer Geldbuße von bis zu 50.000 € sanktioniert werden.
  • Interner Meldekanal
Meldungen müssen in mündlicher Form, z.B. telefonisch, mittels Anrufbeantwortersystem oder mittels einer anderen Art der Sprachübermittlung, oder in Textform abgegeben werden können, z.B. Postweg, Beschwerde-Briefkasten, Online-Plattform, Intranet. Auf Wunsch der hinweisgebenden Person ist eine persönliche Entgegennahme der Meldung zu ermöglichen, bei Einwilligung des Hinweisgebers auch im Wege der Bild- und Tonübertragung, z.B. per Videokonferenz. In jedem Fall muss der Übertragungsweg die Vertraulichkeit der Identität der von der Meldung betroffenen Personen wahren.
  • Verfahren
Der Eingang einer Meldung ist dem Hinweisgeber spätestens nach sieben Tagen zu bestätigen. Die mit dem Verfahren betraute Person prüft, ob der gemeldete Verstoß in den Anwendungsbereich des Gesetzes fällt und die Meldung stichhaltig ist. Gegebenenfalls sind weitere Informationen beim Hinweisgeber zu erfragen. Die interne Meldestelle hat Kontakt zur hinweisgebenden Person zu halten und innerhalb von drei Monaten nach Eingangsbestätigung eine Rückmeldung über bereits ergriffene Folgemaßnahmen sowie die Gründe dafür zu geben. Das gilt auch, wenn einer Meldung nicht weiter nachgegangen und das Verfahren ohne weitere Maßnahmen abgeschlossen wird. Eine Ausnahme besteht dann, wenn die Rückmeldung interne Nachforschungen, weitere Untersuchungen oder Ermittlungen und die Rechte einer Person, die Gegenstand der Meldung ist, beeinträchtigt.
  • Folgemaßnahmen
Als Folgemaßnahme kann die interne Meldestelle insbesondere interne Untersuchungen durchführen, betroffene Personen und Stellen kontaktieren, Nachfragen stellen oder um Mitteilung näherer Anhaltspunkte zur Überprüfung einer Meldung bitten. Sofern intern keine Überprüfungsmöglichkeit besteht, kann der Vorgang zwecks weiterer Untersuchungen an eine für interne Ermittlungen zuständige Arbeitseinheit oder eine zuständige Behörde abgegeben werden. Als Folgemaßnahme kommt auch der Verweis der hinweisgebenden Person an eine andere zuständige Stelle oder der Abschluss des Verfahrens, z.B. aus Mangel an Beweisen, in Betracht.
  • Dokumentation der Meldungen
Die in einer Meldestelle für die Entgegennahme von Meldungen zuständige Person, hat alle eingehenden Meldungen in dauerhaft abrufbarer Weise zu dokumentieren. Eine Tonaufzeichnung bzw. ein Wortprotokoll bedürfen der Einwilligung des Hinweisgebers. Andernfalls ist eine Zusammenfassung der Meldung, sog. Inhaltsprotokoll, zu dokumentieren. Die Dokumentation ist grundsätzlich drei Jahre nach Abschluss des Verfahrens zu löschen.
  • Datenschutz
Die Meldestellen sind zur Erfüllung ihrer nach dem HinSchG bestehenden Aufgabe befugt, personenbezogene Daten zu verarbeiten. Weitere im Zusammenhang mit dem Datenschutz umzusetzende Maßnahmen sind u.a. die Erstellung einer Datenschutzerklärung für den Hinweisgeber, eine Datenschutz-Folgeabschätzung, die Festlegung geeigneter TOMs, die Aufnahme des Prozesses in das Verzeichnis der Verarbeitungstätigkeiten und ggf. der Abschluss einer Auftragsdatenverarbeitung, wenn ein Dritter die interne Meldestelle ist.
  • Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats
Kein Mitbestimmungsrecht besteht bei der Entscheidung, ob überhaupt eine Hinweisgebersystem eingerichtet werden soll. Gleiches gilt bei der Entscheidung, ob eine interne oder externe Meldestelle eingerichtet werden soll. Im Hinblick auf die Ausgestaltung von Meldekanal und -verfahren hingegen ist ein Mitbestimmungsrecht denkbar, insbesondere beim Einsatz von technischen Einrichtungen, die eine Identifikation des Hinweisgebers ermöglichen.

Ab wann ist die interne Meldestelle Pflicht?

Das HinSchG ist am 2. Juli 2023 in Kraft getreten. Seit diesem Zeitpunkt besteht für Beschäftigungsgeber die Verpflichtung, mindestens eine interne Meldestelle einzurichten und zu betreiben. Für private Beschäftigungsgeber mit in der Regel 50 bis 249 Beschäftigte gibt es eine abweichende Umsetzungsfrist. Für sie ist der 17. Dezember 2023 Stichtag.
Wer entgegen seiner Verpflichtung keine interne Meldestelle einrichtet und betreibt, kann mit einer Geldbuße von bis zu 20.000 € sanktioniert werden. Diese Bußgeldregelung ist jedoch erst ab 1. Dezember 2023 anzuwenden.

Externe Meldestellen

Das Bundesamt für Justiz hat eine externe Meldestelle des Bundes errichtet. Sie ist zuständig, soweit nicht die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, das Bundeskartellamt, eine weitere externe Meldestelle des Bundes oder eine gegebenenfalls eingerichtete externe Meldestelle des Landes zuständig ist.

Offenlegung

Bei einer Offenlegung werden Informationen über Verstöße direkt an die Öffentlichkeit kommuniziert, z.B. über Medien oder soziale Netzwerke. Nur unter bestimmten Voraussetzungen werden hinweisgebende Personen in diesen Fällen geschützt.
 Die Offenlegung wissentlich unrichtiger Informationen über Verstöße ist verboten und kann mit einer Geldbuße von bis zu 20.000 € sanktioniert werden.

Verbot von Repressalien (Bestrafung/Vergeltungsmaßnahmen)

Gegen geschützte Personen gerichtete Repressalien, auch Androhungen oder Versuche, sind verboten.
  • Repressalien sind u.a. Suspendierung, Kündigung, Herabstufung oder Versagung einer Beförderung, Änderung des Arbeitsortes, Gehaltsminderung, Versagung von Weiterbildungsmaßnahmen, negative Leistungsbeurteilung, schlechtes Arbeitszeugnis, Disziplinarmaßnahmen, Nötigung, Mobbing, Ausgrenzung, Diskriminierung, vorzeitige Beendigung befristeter Verträge, Schädigung in sozialen Medien, Vertragsaufhebung über Waren und Dienstleistungen, Entzug einer Lizenz oder Genehmigung usw.
Der Verstoß gegen das Verbot von Repressalien ist zudem eine Ordnungswidrigkeit und kann mit einer Geldstrafe von bis zu 50.000 € geahndet werden.
Bei einer Benachteiligung wird vermutet, dass diese eine Repressalie für eine Meldung oder Offenlegung ist, sog. Beweislastumkehr. Der Verstoß gegen das Verbot von Repressalien zieht einen Schadensersatzanspruch nach sich. Hingegen begründet es keinen Anspruch auf Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses, eines Berufsausbildungsverhältnisses, einen beruflichen Aufstieg oder eines anderen Vertragsverhältnisses.

Verbot abweichender Vereinbarungen

Vereinbarungen, die die Rechte der geschützten Personen einschränken, sind unwirksam.

Stand: 18. August 2023