THEMA JUNI

Verkehrsbranche: Die Ampel steht auf „gelb“!

Die Unternehmen der Verkehrsbranche sorgen dafür, dass Supermarktregale aufgefüllt werden können, dass Material und Zulieferteile pünktlich zur Verfügung stehen und dass Waren den Weg zu Kunden im In- und Ausland finden. Kurz: Ohne sie läuft nichts in Wirtschaft und Gesellschaft. Der Druck auf die ohnehin schon in einem Spannungsfeld agierende Branche wächst seit Jahren. Darüber spricht der Vorsitzende des IHK-Verkehrsausschusses Olaf Beiersdörfer im Interview.
Corona, Brexit, Russland-Sanktionen, Energiepreisexplosion und Personalprobleme – die Wirtschaft steht derzeit vor vielen Herausforderungen. Wie schlägt sich das in der Verkehrsbranche nieder?
Nachdem es zu Beginn des Jahres mit dem Gefühl, dass Corona langsam überstanden ist, wieder etwas bergauf ging, hat der russische Einmarsch in der Ukraine und dessen Folgen die Aussichten wieder deutlich eingetrübt. 
Die extrem gestiegenen Kraftstoffpreise waren und sind natürlich herausfordernd für eine Branche in der diese zwischen 25 und 40 Prozent der Gesamtkosten ausmachen. Weil Frachtraum knapp ist und die Verlader ihre Waren transportiert haben wollen, ist es vielen Transportunternehmen zwar gelungen, Preise nachzuverhandeln. Dennoch bleibt es eine Belastung und viele Unternehmen werden auf einem Teil der Kraftstoffpreissteigerungen sitzen bleiben.
Noch schwieriger gestaltet sich die Situation im tarifgebundenen Personenverkehr, wo Preise nicht einfach angepasst werden können. Die Anpassung eines Taxi-Tarifes beispielsweise kann durchaus mehrere Monate dauern.
Mit Blick auf die Weltwirtschaft bereitet der Branche beispielsweise auch die Situation in China Sorgen. Der Hafen Schanghai, der größte Containerhafen der Welt, muss aufgrund des dortigen erneuten Corona-Lockdowns mit deutlich weniger Personal auskommen und läuft derzeit nur in einer Art Notbetrieb. Das führt zu extremen Verzögerungen der weltweiten Lieferketten, die auch in Europa deutlich spürbar sind. Hinzu kommt noch, dass auch die gerade stärker werdenden Schienenverbindungen nach China durch den Krieg in der Ukraine nur noch eingeschränkt nutzbar und sicher sind.

Was drückt die Unternehmen am meisten?
Neben den hohen Kraftstoffkosten sind auch alle weiteren Kosten deutlich gestiegen, beispielsweise für weitere Betriebsstoffe wie AdBlue, Schmierstoffe oder Reifen. Nicht zu vergessen die langen Lieferzeiten für neue Fahrzeuge und natürlich das schwierige Thema Personal, vor allem der Fahrermangel.
Außerdem bleiben natürlich die Unsicherheiten groß, wie sich der Krieg in der Ukraine entwickeln wird. Kommt ein Gas- bzw. Öl-Embargo mit den entsprechenden Folgen? Bleibt die Versorgung gesichert? Bestes Beispiel ist die Raffinerie in Schwedt, deren mit Abstand größter Anteilseigner die russische Rosneft ist. Wenn hier die Produktion stillstünde, wäre die Versorgung insbesondere der ostdeutschen Bundesländer mit Kraftstoff kaum sicherzustellen.

Gibt es einen Ausweg aus der Kosten-Preis-Spirale?
Das ist aktuell schwer einzuschätzen, je nachdem wie lange der Krieg noch dauert, ist ein Ende der Kostensteigerungen kaum abzusehen. Hinzu kommt die geplante Mindestlohnerhöhung im Oktober, die natürlich auch eine weitere allgemeine Preis- und Lohnsteigerung nach sich ziehen wird.
Wir brauchen Klarheit: Auf welche Technologien möchte man setzen? Welche Perspektiven haben Übergangstechnologien wie LNG (Gas)?
Steigende Kraftstoffpreise auf der einen und mangelnde Infrastruktur und unzureichende Förderung für alternative Antriebe auf der anderen Seite. Wie kann ein Weg aus diesem Dilemma aussehen?
Klarheit seitens der Politik wäre wünschenswert. Auf welche Technologien möchte man setzen? Welche Perspektiven haben Übergangstechnologien wie LNG (Gas)? Nur so bekommen sowohl Hersteller, Infrastrukturbetreiber als auch Verkehrsunternehmen Planungssicherheit.

Verkehrsverlagerung auf die Schiene – ist das ein mögliches Mittel für mehr Kosteneffizienz und Umweltverträglichkeit? 
Wünschenswert ist eine stärkere Nutzung der Schiene für den Gütertransport in jedem Fall, allein mit Blick auf den wachsenden Mangel an Lkw-Fahrern. Aber auch hierfür müssen die Rahmenbedingungen stimmen. Die Infrastruktur muss entsprechend leistungsfähig sein. Der Zugang zum Schienengüterverkehr muss erleichtert werden.
Die Verkehrsbranche bietet spannende und zukunftssichere Arbeitsplätze.
Fahrermangel ist nicht erst seit Corona ein Thema. Wie können die Unternehmen gegensteuern?
Die Verkehrsbranche bietet spannende und zukunftssichere Arbeitsplätze. Die modernen Fahrzeuge haben die Arbeit der Fahrer erleichtert und bieten mittlerweile großen Komfort. Die Unternehmen selbst können an ihrer eigenen Attraktivität arbeiten: respektvoller Umgang, „passende“ Arbeitszeitmodelle, angemessene Bezahlung, etc. – und natürlich selbst ausbilden!
Allerdings müssen auch hier die Rahmenbedingungen stimmen und da gibt es einige Baustellen. Dazu zählen neben einem besseren Image für den Berufsstand auch ausreichende, saubere und sichere Park- und Rastplätze, besserer Umgang an den Rampen der verladenden Wirtschaft. 
Mit Blick auf die Kraftstoffpreise wäre es beispielsweise wünschenswert, zumindest die Steuern und Abgaben EU-weit annährend einheitlich zu gestalten.
Was muss die Politik tun, um für Entlastung zu sorgen und die Unternehmen zu unterstützen?
Ganz allgemein: Weniger Bürokratie sowie klare, verlässliche rechtliche und wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen, um den Unternehmen eine gewisse Planbarkeit zu ermöglichen. Mit Blick auf die Kraftstoffpreise wäre es beispielsweise wünschenswert, zumindest die Steuern und Abgaben EU-weit annährend einheitlich zu gestalten, um möglichst keine (zusätzlich) unfairen Wettbewerbsbedingungen zwischen den EU-Staaten zu schaffen. 
 

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