Energiepreise im Fokus

Nach zwei Jahren Pandemie entwickelt sich die Wirtschaft in Deutschland und auch in Thüringen positiv.
Die Prognose der Bundesregierung zur Entwicklung des deutschen Bruttoinlandsprodukts ergibt ein deutliches Plus. Die einzelnen Wirtschaftssektoren verhalten sich jedoch sehr unterschiedlich. Während sich die Industrieproduktion als sehr robust zeigt, bleibt die Situation in den personennahen Dienstleistungen sehr angespannt.
Vor diesem Hintergrund bereiten die Entwicklungen an den Rohstoff- und Energiemärkten zunehmend Sorgen. Seit Mitte 2021 sind die Energiepreise stark gestiegen. Besonders Strom, Erdgas und Öl wurden im Vergleich zu 2020 und 2019 deutlich teurer. Unternehmen, die diese gestiegenen Kosten nicht an Kunden weitergeben können, trifft es besonders hart.
Hintergrund der massiven Energiepreissteigerungen
Die Großhandelspreise für Strom und Gas sind derzeit sehr volatil und bewegen sich nach der langen Niedrigpreisphase auf historisch hohen Niveaus. Auch andere Energieträger wie Öl und Kohle sind so teuer wie lange nicht mehr. Zusätzlich befindet sich der Preis für eine Tonne Kohlendioxid im europäischen Emissionshandel (EU-ETS) auf einem Allzeithoch. Dies hat Rückwirkungen auf den Strompreis und resultiert in steigenden Kosten für Unternehmen.
Zu dem Preisanstieg tragen eine Reihe von Faktoren bei:
  • Erholung der Wirtschaft nach Corona-bedingtem Einbruch und daraus resultierend ein Anstieg des Energiebedarfes weltweit
  • der lange, kalte Winter, in dem mehr geheizt wurde, gefolgt von einem langen, heißen Sommer mit einem verstärkten Einsatz von Kühlvorrichtungen – beides hat den Energiebedarf zusätzlich in die Höhe schnellen lassen
  • ein beispielloser Anstieg der Gaspreise auf den Weltmärkten um mehr als 170 % seit Mitte 2021
  • eine geringere Erzeugung Erneuerbarer Energien im Jahr 2021, etwa 5 % weniger als in den vorangegangenen Jahren
  • eine steigende Nachfrage nach Flüssiggas und der daraus resultierende Preisanstieg
  • ein höherer Gasverbrauch in Asien und damit auch eine höhere Nachfrage
  • zunehmende geopolitische Spannungen
Was bedeuten die hohen Preise für Unternehmen?
Unternehmen sind sehr unterschiedlich von den Preissteigerungen betroffen. Ein hoher Energieverbrauch oder besser ein hoher Energiekostenanteil bezogen auf das hergestellte Produkt oder die angebotene Dienstleistung führt zumeist zu einer stärkeren Belastung durch den Anstieg des Energiepreises.
Es gibt aber weitere entscheidende Faktoren:
Wie kaufe ich meine Energie ein?
  • Die meisten Unternehmen mit einem Energieverbrauch bis zu 2 GWh im Jahr sind vertraglich an einen Energiedienstleister beispielsweise Stadtwerke gebunden und werden über diesen mit Gas und Strom beliefert. Der Einfluss auf die Einkaufspolitik des Lieferanten ist sehr gering. Der Preisanstieg bei sogenannten Billiganbietern ist im Vergleich zu anderen Marktteilnehmern besonders hoch. Einige dieser Anbieter mussten im letzten Jahr Insolvenz anmelden. Stadtwerke übernehmen dann die Grundversorgung, haben aber die größeren Energiemengen nicht eingeplant. Unternehmen mit einem Energieverbrauch über 2 GWh kaufen ihre Energie überwiegend direkt an den Energiebörsen ein. Hier ist entscheidend, ob der Einkauf kurzfristig an den Spotmärkten oder langfristig an den sogenannten Terminmärkten erfolgt. Der Anstieg der Energiepreise an den Terminmärkten für längerfristige Lieferverträge ist im Vergleich zu den Spotmärkten moderat.
Welche Energie kaufe ich ein?
  • In der aktuellen Situation geht es weniger um die Art des Energieträgers (beispielsweise Strom, Gas, Öl oder Kohle), die Preise sind für alle gestiegen. Vielmehr geht es um die Quelle. Erneuerbare Energien sind weit weniger betroffen und fungieren momentan als stabilisierendes Element im Energiemarkt.
Wie ist die Kostenkalkulation?
  • Entscheidend für die Wirtschaftlichkeit eines Produktes oder einer Dienstleistung ist, ob die stark gestiegenen Energiepreise an die Kunden weitergegeben und gegebenenfalls in der Gesamtkalkulation eingepreist werden können. Hier ist die Vertragsgestaltung wichtig.
Handlungsoptionen für Unternehmen
Die Ausmaße des Preisanstieges haben Experten und Verbraucher gleichermaßen überrascht. Handlungsoptionen, die Unternehmen kurzfristig entlasten, sind daher auch sehr schwer zu bestimmen. Im Folgenden finden Sie dennoch verschiedene Möglichkeiten, auf die Energiepreise zu reagieren.
kurzfristige Lösungsansätze
  • Anbieterwechsel: Leider ist diese Möglichkeit in ihrer Wirkung sehr begrenzt, die Suche nach einem günstigen Vertrag gleicht einer Lotterie.
  • Anpassen der Produktion: Das heißt, soweit es möglich und wirtschaftlich ist, kann die Produktion verlagert, reduziert oder zeitlich verschoben werden. In der aktuellen Situation wollen diese Schritte gut überlegt sein, denn die Energiepreise sind weltweit sehr hoch und ein Ende dieser Hochpreisphase ist nicht abzusehen.
  • Prüfen Sie mögliche Kompensationen: Rund ein Drittel der Thüringer Unternehmen, die eine Strom- beziehungsweise Energiesteuerrückerstattung in Anspruch nehmen können, tun dies nicht.
  • Prüfen Sie die Preiserhöhungen: Der Gesetzgeber hat hier im Energiesektor klare Grenzen vorgegeben. Der Lieferant ist zu höchstmöglicher Transparenz verpflichtet und darf lediglich die Preise im Großhandel weitergeben.
  • Kostenweitergabe: Versuchen Sie zumindest einen Teil der gestiegenen Energiekosten an die Kunden weiterzugeben. Gestalten Sie diese Preiserhöhung so transparent wie möglich.
mittelfristige Lösungsansätze
  • Strategie: Entwickeln Sie eine Strategie für den Energieeinkauf und die Kostenkalkulation Ihrer Gesamtproduktion. Das Risiko von massiven Preissprüngen am Energiemarkt wird in der Zukunft zunehmen. Deshalb sollten Energiekosten Teil des Risikomanagements sein.
  • Energieeffizienz: Die Erhöhung der Energieeffizienz im Unternehmen ist eine der wichtigsten Maßnahmen.
  • Vertragsgestaltung: Achten Sie bei der Vertragsgestaltung im Energieeinkauf auf langfristige Verträge, zumindest für einen Teil der bezogenen Energiemengen. Dies dämpft die Wirkung von starken Preisschwankungen. Zusätzlich sollten Sie im Verkauf die Möglichkeit von energiebezogenen Preisschwankungen einkalkulieren. Ein Instrument sind Gleitpreisklauseln. Prüfen Sie Verträge rechtzeitig und nicht erst kurz vor Vertragsablauf
langfristige Lösungsansätze
  • Energieeffizienz: Betrachten Sie die Energieflüsse in Ihrem Unternehmen im Gesamten und gestalten Sie die Prozesse energieeffizienter. Ein Energiemanagementsystem wie die DIN ISO50.001 oder Energieaudits sind bei der systematischen Entwicklung von Energieeffizienzmaßnahmen sehr hilfreich.
  • Energieversorgung: Nehmen Sie die Energieversorgung zumindest für einen Teil der benötigten Energiemengen in die eigene Hand.
  • Produktportfolio: Passen Sie Ihr Produktportfolio soweit möglich an.
  • Verbrauchsstrukturen: Achten Sie bei Neuinvestitionen auf die effiziente und effektive Nutzung von Energie.
Wie entwickeln sich die Energiepreise zukünftig?
Die Hochpreisphase ist nur temporär, jedoch wie lange diese anhält, ist schwer zu bestimmen. Für Erdgas hängt die Entwicklung maßgeblich von der politischen Situation in der Ukraine ab. Auf dem Strommarkt ist mit Beginn des Frühjahrs, durch den wetterbedingten Anstieg der Stromerzeugung im Bereich der Erneuerbaren Energien, eine moderate Entspannung der Situation zu erwarten. Aufgrund der veränderten Erzeugerstruktur werden
Preisfluktuationen (positive wie negative) im Energiemarkt der Zukunft eine verstärkte Rolle spielen. Es ist wichtig, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um darauf vorbereitet zu sein!
Welche Unterstützung gibt es?
  • Informieren Sie sich regelmäßig über Newsletter oder im Internet (www.gera.ihk.de) über aktuelle Entwicklungen.
  • Nehmen Sie die Aufschluss-Beratungen der IHK wahr.
  • Holen Sie sich externe Hilfe von Energieberatern bei Energieeffizienzprojekten.
  • Profitieren Sie vom Know-How anderer Unternehmen durch Mitarbeit bsw. in Energie Effizienz Netzwerken.
  • Noch nie gab es so viele Unterstützungs- und Fördermöglichkeiten im Energiebereich (Gebäudeförderung, Einsatz erneuerbarer Energien, Energieeffizienz…). Prüfen Sie bei jedem Projekt, ob und welche Förderung auf Sie zutrifft.
  • Bilden Sie Energieteams im Unternehmen und erhöhen das Know-How Ihrer Mitarbeiter durch entsprechende Weiterbildungsmaßnahmen (z. B. Lehrgang Energiebeauftragter)