Wirtschaftspolitische Positionen der IHK Südlicher Oberrhein für den Einzelhandel
Zum stationären Handel zählen im Kammerbezirk der IHK Südlicher Oberrhein u.a. über 11.000 Einzelhandelsbetriebe. Um diese für die Region wichtige Branche zu stärken, legt die IHK Südlicher Oberrhein mit den folgenden Positionen die aus ihrer Sicht wichtigsten Vorschläge vor.
- 1. Kommunale Einzelhandelskonzepte erstellen – Bau- und Planungsrecht ausschöpfen
Der intensive Wettbewerb im Handel hat Auswirkungen auf die Zukunftsfähigkeit der Städte und Gemeinden am Südlichen Oberrhein. Nicht integrierte Standorte an den Stadträndern konkurrieren mit gewachsenen Innenstadtlagen und entziehen ihnen Kaufkraft. Die Ansiedlung von Einzelhandelsvorhaben soll nach dem zentralörtlichen Gliederungssystem des Landes Baden-Württemberg, das im Landesentwicklungsplan niedergelegt worden ist, erfolgen. Die IHKs befürworten die Einhaltung des Zentrale-Orte-Systems, insbesondere für die Steuerung von großflächigen Einzelhandelsvorhaben (inklusive Factory-Outlet-Centern). Danach sind großflächige Einzelhandelsbetriebe mit innenstadtrelevanten Sortimenten den jeweiligen Siedlungsschwerpunkten zuzuordnen. Nicht alle Kommunen definieren ihre zentralen Versorgungsbereiche und stellen integrierte Stadtentwicklungs- konzepte auf, um für die Funktionsvielfalt der Stadt auch als Wirtschaftsraum zu sorgen. Bau- und Planungsrecht werden nicht ausgeschöpft. Meist fehlen auch strategische Überlegungen zur Sicherung bzw. Attraktivitätssteigerung von Zentren. Die IHK Südlicher Oberrhein fordert von den Kommunen die Erstellung von Einzelhandelskonzepten, die oft auch als Märktekonzepte bezeichnet werden, damit großflächige Handels- ansiedlungsvorhaben gezielt gesteuert werden können. In der Folge müssen die Bebauungspläne dieser Kommune entsprechend der Festlegungen im Einzelhandelskonzept zeitnah angepasst werden. Zentrale Versorgungsbereiche können bereits im Flächennutzungsplan ausgewiesen werden und bieten so die Grundlage für eine strategische Handelsansiedlungspolitik.
- 2. Handelsunternehmen müssen sich intensiver mit dem Online-Handel beschäftigten – die Einzelhandelsunternehmen benötigen aber auch die Unterstützung des Landes bei der Bewältigung der digitalen (R)Evolution
Die Online-Anbieter gewinnen kontinuierlich Marktanteile. In seiner Gesamtheit bietet das Internet eine riesige Sortimentstiefe und -breite, mit welcher der stationäre Handel konkurrieren muss. Immer mehr Einzelhandelsbetriebe, die bislang überwiegend als stationäre Händler agieren, nutzen die Chancen, die Digitalisierung bietet. Die digitale Mindestanforderung an den Handel lautet, dass jeder Händler über einen optimierten Internetauftritt verfügen muss. Aufgrund der enormen Dynamik und der stetig wachsenden Möglichkeiten, die das Internet bietet, besteht dabei insbesondere im mittelständisch geprägten Einzelhandel ein hoher Beratungsbedarf.Die IHK Südlicher Oberrhein appelliert, vor dem Hintergrund der o.g. Entwicklungen, die den Handel auch in den kommenden Jahren stark verändern wird, an die Landesregierung, die Handelsbetriebe im Rahmen derer Digitalisierungsoffensiven auch zukünftig zu unterstützen. Dies kann auf infrastruktureller Ebene durch weiteren Ausbau der Breitbandverfügbarkeit und Einführung sowie Ausbau öffentlicher WLAN Netzwerke in den Städten erfolgen. Um den Informations- und Beratungsbedarf im Handel zu decken, sollte die Unterstützung seitens des Landes bei derartigen Angeboten seitens der IHK aufrechterhalten und ausgebaut werden.
- 3. Städtebauförderung zur Entwicklung der Innenstädte sichern
Die Städtebauförderung ist nach wie vor das zentrale Instrument zur städtebaulichen Weiterentwicklung in Baden-Württemberg. 2016 erhielten die Städte und Gemeinden des Landes für Vorhaben der städtebaulichen Erneuerung fast 204 Millionen Euro.Die IHK Südlicher Oberrhein spricht sich dafür aus, dass dieses wichtige Infrastrukturprogramm des Landes auch in den kommenden Jahren mit ausreichenden Mitteln von Bund und Land ausgestattet wird. Die Projektfonds-Förderung sollte so ausgestaltet werden, dass auch klassische Stadtmarketing-Projekte in diese Förderung einbezogen werden können.
- 4. Stadtmarketing-Initiativen fördern
Nach Erhebungen der baden-württembergischen IHKs gibt es in 176 Städten des Landes Stadtmarketing-Organisationen, das heißt, dort wurde ein City- bzw. Stadtmanager eingestellt, der das örtliche Stadtmarketing vorantreiben kann. Aber auch in vielen Stadtverwaltungen wurden entsprechende Stabsstellen geschaffen. Im Wettbewerb müssen die Städte ihre Stärken, wie zum Beispiel den vielfältigen Angebotsmix weiterentwickeln und in die Aufenthaltsqualität investieren. Dafür sind Stadtmarketing-Initiativen nötiger denn je.Die IHK Südlicher Oberrhein regt an, dass die Städte und Gemeinden gemeinsam mit den Gewerbetreibenden die Stadtmarketing-Aktivitäten intensivieren. Darunter versteht die IHK nicht ein Mehr an Events und nur kurzfristig wirkenden Projekten und Maßnahmen. Vielmehr sollten die individuellen Stärken der Stadt im Rahmen eines ganzheitlichen Konzeptes entwickelt werden und in einen Maßnahmenplan münden.
- 5. Nahversorgung stärken
Nahversorgung ist aus Sicht der IHK ein Grundelement funktionierender und attraktiver Wirtschaftsräume. Mit Nahversorgung ist nicht nur die Versorgung mit Lebensmitteln gemeint, sondern auch vielen Dingen des täglichen Bedarfs. Darüber hinaus spielen die personenbezogenen Dienstleistungen eine zunehmend wichtige Rolle. In ländlichen Gebieten wird es zunehmend schwierig, die Nahversorgung sicherzustellen. Städte und Gemeinden können häufig nicht mehr alle wünschenswerten Angebote und Einrichtungen alleine vorhalten, sondern müssen Funktion und Zweckgemeinschaften bündeln. Dies geschieht bereits in vielerlei Hinsicht bei der Erschließung von interkommunalen Gewerbegebieten oder Wasserversorgungseinrichtungen. Durch die Verbesserung der Kooperation benachbarter Kommunen in neue Grundversorgungszweckverbände Einzelhandel kann die Grundversorgung auf dem Land durch interkommunale Abstimmung gesichert werden.Die IHK Südlicher Oberrhein empfiehlt Kommunen zur Sicherung der Grund- und Nahversorgung eine strategische und kooperative Herangehensweise. Dies beginnt bei der baurechtlichen Steuerung des Einzelhandels inklusive des großflächigen Lebensmitteleinzelhandels und beinhaltet darüber hinaus Elemente der Wirtschaftsförderung. Die Bündelung verschiedener Funktionen auch im interkommunalen Kontext eines Versorgungszweckverbandes Einzelhandel kann im ländlichen Raum einen Lösungsansatz darstellen.
- 6. Erreichbarkeit der Innenstädte für Kunden und Lieferanten sicherstellen
Die Erreichbarkeit von Innenstädten und Ortskernen für den Individualverkehr, für den ÖPNV sowie den Wirtschaftsverkehr ist für die Funktionsfähigkeit der Handelsstandorte entscheidend. Für die Attraktivität der Innenstädte und Ortskerne ist aber auch ein ausreichendes und kostengünstiges Parkraumangebot vonnöten.Die IHK Südlicher Oberrhein setzt sich für eine umfassende und problemlose Erreichbarkeit der Innenstädte und Ortskerne ein. Eine einseitige Ausrichtung auf den Radverkehr und den ÖPNV ist nicht zielführend. Die zunehmend strengen Anforderungen der EU an die Luftqualität zum Gesundheitsschutz der Bevölkerung dürfen nicht dazu führen, dass sich die Erreichbarkeit der Städte verschlechtert. Deshalb sollte zum Beispiel der zügige Ausbau von Mobilitätsstationen mit ÖPNV- Anschluss forciert werden. Intelligente Verkehrsmanagement- und Parkleitsysteme erleichtern den Kunden und Touristen die Erreichbarkeit der Zentren und verringern unnötigen Parksuchverkehr.
- 7. Handels- und Tourismusvermarktung bündeln
Nach Erhebungen des Deutschen wirtschaftswissenschaftlichen Instituts für Fremdenverkehr an der Universität München (dwif e. V.) haben 376 Millionen Tagestouristen im Jahre 2015 etwa 5,8 Milliarden Euro in die Kassen der stationären Einzelhandelsbetriebe in Baden-Württemberg fließen lassen. Dazu kommen Ausgaben in Höhe von 1,4 Milliarden Euro, die von Übernachtungsgästen getätigt werden. In der Summe werden somit rund 7,2 Milliarden Euro durch Touristen im baden- württembergischen Einzelhandel ausgegeben. Ohne diesen Umsatz wäre das Handels- und Dienstleistungsangebot in vielen vom Tourismus geprägten Regionen nicht so umfassend und vielseitig, wie es sich heute darstellt. Davon profitiert auch die einheimische Bevölkerung. Der Inlandsurlaub wird auch in den kommenden Jahren in Deutschland weiter zunehmen. Entsprechend kann der örtliche Handel von dieser Entwicklung profitieren.Die IHK Südlicher Oberrhein empfiehlt, die örtliche Kooperation der Handels- und Tourismusunternehmen zu intensivieren, um die Umsatzanteile der Touristen im Einzelhandel erhöhen zu können. Immer häufiger werden von den Städten zur Hebung von Synergien die Bereiche Wirtschaftsförderung, Stadt- oder City-Marketing sowie die meist kommunale Tourist-Information unter einem organisatorischen Dach vereint. Diese Entwicklung begrüßt die IHK Südlicher Oberrhein.
- 8. Einzelhandelserlass des Landes überarbeiten
Im Einzelhandelserlass des Landes Baden-Württemberg wird das Instrumentarium erläutert, das eine räumliche Steuerung bei der Planung und Genehmigung von großflächigen Einzelhandelsprojekten mit den Mitteln der Raumordnung und der städtebaulichen Planung ermöglicht. Der Einzelhandelserlass des Landes Baden-Württemberg stammt aus dem Jahre 2001 und dient dem Zweck, eine einheitliche Rechtsanwendung in Baden-Württemberg sicherzustellen. Dabei ist der Einzelhandelserlass selbst keine Rechtsnorm, sondern gibt als Verwaltungsvorschrift die Auffassung der zuständigen Ministerien wider. Der Einzelhandelserlass könnte vor allem für diejenigen kommunalen Entscheidungsträger und Stadt- und Gemeinderäte eine gute Informationsmöglichkeit bieten, die über weniger Vorkenntnisse in der Raum- und Landesplanung sowie zu den Bestimmungen des Baugesetzes und der Baunutzungsverordnung verfügen.Die IHK Südlicher Oberrhein regt die Überarbeitung des Erlasses an, da seit 2001 etliche gesetzliche Bestimmungen novelliert wurden und wegweisende höchstrichterliche Urteile ergangen sind.
- 9. Anreize setzen, damit das Gesetz zur Stärkung der Quartiersentwicklung durch Privatinitiative (GQP) Baden-Württemberg genutzt wird
Eigentümergetragene Aufwertungen in Geschäftsquartieren und können zu einer Attraktivitätssteigerung führen. Darüber hinaus können sie dazu beitragen, die Funktionsfähigkeit sicherzustellen und die Anzahl der Passanten zu erhöhen. Nicht zuletzt kann dies zu einer Stabilisierung bzw. Steigerung der Immobilienwerte führen. Da die Erfahrungen mit diesem relativ neuen städtebaulichen Instrument in anderen Bundesländern (BID) positiv sind, hat sich die Mehrheit der baden- württembergischen IHKs in 2015 - so auch die IHK Südlicher Oberrhein - für die Einführung des GQP-Gesetzes in Baden-Württemberg ausgesprochen.Die IHK Südlicher Oberrhein fordert, dass es durch eigentümergetragene Aufwertungsbereiche nicht zur Verlagerungen von hoheitlichen Aufgaben in den Kommunen kommen darf. Die Daseinsvorsorge muss nach wie vor den Städten obliegen. Die eigentümergetragene Aufwertung städtischer Quartiere ist dennoch wünschenswert. Kooperationen der Immobilieneigentümer stärken die Identität von Quartieren und können durch geeignete Maßnahmen eine nachhaltige Aufwertung des Quartiers herbeiführen. Durch die finanzielle Förderung von Pilotprojekten könnte das Land die Gründung von Quartiersgemeinschaften unterstützen.
- 10. Sonntagsöffnung mit Augenmaß
Der DIHK hat bereits am 29.10.1999 eine Stellungnahme zum Ladenschlussgesetz abgeben, die als DIHK Position bis heute Bestand hat. Der Handelsausschuss der IHK Südlicher Oberrhein hat sich mit dem Thema befasst und ein Meinungsbild eingeholt. Verkaufsoffene Sonntage haben in Zeiten des anhaltenden Strukturwandels im Einzelhandel eine besondere Bedeutung. Vor dem Hintergrund eines geänderten Freizeit- und Einkaufsverhaltens und dem wachsenden Online-Handel sind verkaufsoffene Sonntage, gerade auch für die mittelgroßen und kleineren Kommunen im ländlichen Raum, ein wichtiges Instrument des Stadtmarketings, um die Vitalität der Zentren aufrecht zu erhalten. Ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. November 2015 (Az. 8 CN 2.14) hat die Hürden für Sonntagsöffnungen deutlich erhöht. Demnach muss für die Ladenöffnung an Sonntagen ein prägender Anlass sowie ein räumlicher Zusammenhang durch eine Veranstaltung zu den geöffneten Verkaufsstätten gegeben sein. Gleichzeitig muss diese mehr Besucher anziehen als die alleinige Sonntagsöffnung der Geschäfte. Durch diese und weitere, ähnlich lautenden Urteile in 2015 und 2016 ist es erforderlich geworden, das bisherige Ladenöffnungsgesetz im § 8 Abs 1 „Weitere Verkaufssonntage“ zu überarbeiten. Da seitens der Werbegemeinschaften und Händler großes zeitliches, aber auch finanzielles Engagement in die Planung und Durchführung verkaufsoffener Sonntage investiert wird, stellt die aktuelle (unsichere) Rechtslage ein ernst zu nehmendes Risiko dar.Dass Sonn- und Feiertage grundsätzlich geschützt sein sollen, steht in der Diskussion über die gesetzliche Regelung der verkaufsoffenen Sonntage in Baden-Württemberg außer Frage. Der IHK Südlicher Oberrhein geht es nicht um die Ausweitung der Sonntagsöffnungszeiten, sondern vielmehr um eine Präzisierung und rechtssichere Anwendbarkeit des Gesetzes in der Praxis.Die IHK Südlicher Oberrhein fordert, anlässlich aktueller, bundesweiter Rechtsprechungen zu Sonntagsöffnungen die Überarbeitung des Baden-Württembergischen Ladenöffnungsgesetz unter Berücksichtigung folgender Punkte:
- 1. Die derzeitige Regelung von maximal drei verkaufsoffenen Sonntagen im Jahr soll beibehalten werden. Sie ist ein in jahrelanger Praxis bewährter Kompromiss, der den grundsätzlichen Schutz der Sonn- und Feiertage nicht in Frage stellt, zugleich aber den Bedürfnissen von Kunden und Handel gerecht wird.
- 2. Verkaufsoffene Sonntage sollen unabhängig von Veranstaltungen, Märkten, Messen etc. möglich sein. Die Möglichkeit einer Sonntagsöffnung ist mit einer Anlassanforderung deutlich eingeschränkt und gleichzeitig mit mehr Aufwand und Bürokratie in der Genehmigungspraxis verbunden. Zu komplizierte Regelungen und die Rechtsunsicherheit, wie ein Anlass überhaupt sachlich zu begründen ist, stellen insbesondere für kleinere Orte und schwächer aufgestellte Standortgemeinschaften große Hürden dar.
Weiterführende Informationen zum stationären und digitalen Handel finden Sie ebenfalls auf unserer Homepage.