Kultusministerin Schopper: Mehr Offenheit für berufliche Bildung

Die Vollversammlung der IHK Südlicher Oberrhein hat Anfang Dezember in Lahr getagt. Als Gastrednerin war Theresa Schopper gekommen, die baden-württembergische Ministerin für Kultus, Jugend und Sport. Sie sprach über das stärkere Engagement der Schulen in Sachen berufliche Orientierung und die zusätzlichen Herausforderungen der Bildungseinrichtungen im Land. Anwesend waren auch Thorsten Erny, der Landrat des Ortenaukreises, und zahlreiche Verantwortliche von beruflichen Schulen in der Region.
Der Hauptgeschäftsführer der IHK Südlicher Oberrhein, Dr. Dieter Salomon, begrüßte Schopper im großen Sitzungssaal der IHK in Lahr, verbunden mit dem Wunsch an die Politik, das Thema berufliche Bildung wieder stärker ins Bewusstsein der Gesellschaft zu rücken. „Im Ausland bewundern alle unser duales Ausbildungssystem, doch in Deutschland – so hat man das Gefühl – zählt eigentlich nur ein Studium etwas“, sagte Salomon. Die IHK Südlicher Oberrhein versuche derzeit mit den anderen IHKs in Deutschland gegenzusteuern und die Ausbildungskampagne Jetzt #könnenlernen ins Blickfeld von jungen Menschen und deren Eltern zu rücken. Hier geht es darum, die ausgezeichneten Karrierechancen in der beruflichen Bildung aufzuzeigen und Lust auf eine Ausbildung in einem Unternehmen zu machen.
„Noch nicht so gut, wie wir sein wollen.“
Dieses Ziel hat auch die Kultusministerin: „Wir brauchen mehr Offenheit dafür, was die berufliche Bildung für große Möglichkeiten bietet“, sagte Schopper. Baden-Württemberg sei in der beruflichen Orientierung weit voraus im Vergleich zu anderen Bundesländern. Aber das sei noch keine Garantie dafür, dass junge Menschen auch den richtigen beruflichen Weg fänden. „Wir sind in der Prozessbegleitung noch nicht so gut, wie wir sein wollen.“
Schopper legte dar, dass es auf dem Weg zurück zum neunjährigen Gymnasium, das ab dem Schuljahr 2025/2026 mit den Klassen 5 und 6 startet, mehr Raum für solche Themen geben werde. Neben einem Schwerpunkt auf den sogenannten MINT-Fächern (Mathematik, Physik und Chemie) sollen auch die Kompetenzen im Bereich Informatik/Künstliche Intelligenz und Medienbildung gestärkt werden. Hinzu komme eine bessere Verzahnung mit der beruflichen Orientierung. Hier sollen neue verbindliche Praktikums- und Praxiselemente eingebaut werden.
Simon Kaiser, der Geschäftsführer Aus- und Weiterbildung der IHK Südlicher Oberrhein, begrüßt diese stärkere Praxisorientierung an Gymnasien, ihm fehle jedoch eine Regelung für ein verbindliches Praktikum in einem Ausbildungsbetrieb. „Wieso bringt man nicht den Mut auf, einen Hebel einzubauen, um wirtschaftliche Akteure wie Kammern, Verbände oder die Agenturen für Arbeit mit ihren Berufsberatungen in den Prozess einzubinden?“ Laut Kaiser ist die Bandbreite, wie sich Gymnasien mit Partnern aus der Wirtschaft in der beruflichen Orientierung zusammentun, sehr groß. „Es gibt leider immer noch viele Gymnasien, die sich hier verschließen.“
„Schule kann nicht alles.“
Schopper sei sich dieser Heterogenität bewusst. Aber: „Das Umdenken setzt ein, wir müssen es befördern. Wir müssen unseren Schulen aber auch etwas geben, das kopierfähig ist, denn sie sind in vielen Bereichen sehr überlastet.“ Schopper verwies dabei auf all die Themen, die Schulen heute in ihrer täglichen Arbeit ausbremsen, ihren Ursprung aber in gesellschaftlichen Veränderungen haben. Diese mündeten in Forderungen zur Stärkung von Kompetenzen bei den jungen Menschen, die eigentlich innerhalb der Familien aufgebaut werden müssten, beispielsweise im Bereich Ernährung oder Lebensführung. Schopper: „Schule kann nicht alles.“
Wichtig sei es dagegen, die Kinder in den Blick zu nehmen, die weniger gute Startbedingungen vorfänden. Laut Schopper erreicht mindestens jedes fünfte Kind in der Grundschule die Mindeststandards im Lesen, Schreiben und Rechnen nicht. „Das ist ein Alarmsignal, und das Problem verschärft sich noch. Wir müssen hier deutlich früher ansetzen, sonst bleiben wir ein Reparaturbetrieb.“ Die Landesregierung setze deshalb im Rahmen der Bildungsreform auf ein Programm, das bereits vor der Einschulung ein Sprachtraining für alle Kinder biete, die bei der Einschulungsuntersuchung einen intensiven sprachlichen Förderbedarf zeigten. „Das und all die anderen Maßnahmen umzusetzen, ist ein sehr dickes Brett“, sagte Schopper. Doch die beste Sozialarbeit bestehe darin, die Kinder in den Zug zu bekommen und ihre individuellen Talente zu fördern.
(6.12.2024)